„Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen“, beteuerte Dieter Zetsche 2015 gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
„Kann sich Konzernchef Zetsche noch halten?“, fragt hingegen die „Süddeutsche Zeitung“ vor wenigen Tagen. Der Wind hat sich massiv gedreht für den Konzernchef und sein Unternehmen. Nach langem Hinhalten und unbelegten Vermutungen ist nun auch Daimler mitten hineingerutscht in den Sog des Dieselskandals.
Nun könnte ich mich in die Fragen der „Süddeutschen“ einreihen und Prognosen darüber aufstellen, ob Herr Zetsche sich analog zu Martin Winterkorn ins Karriereaus katapultiert hat. Aber das wird die Zukunft zeigen und ich bin auch nicht der Jurist, um die strafrechtliche Dimension zu beurteilen. Viel spannender finde ich, dass das Management eines führenden Dax-Konzerns nichts aus den Vertrauenskrisen von VW und Audi gelernt hat.
Das Ende der Kavaliere
Dass eine simple Ungereimtheit bei den Abgaswerten – ein paar Abgase hin oder her – in einem dermaßen ausgewachsenen Skandal enden würde, hätte vermutlich keiner der betroffenen Autohersteller im Traum gedacht. Beim Benzinverbrauch hat doch auch jeder akzeptiert, dass Herstellerangaben und Realität häufig weit auseinanderklaffen. Ich bin überzeugt, wäre der Abgasskandal vor einigen Jahren in Deutschland aufgedeckt worden, hätte man sich hier kurzzeitig aufgeregt und die Sache – mal abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz – dann vielleicht sogar als Kavaliersdelikt abgehakt. Nicht so heute: VW muss Milliarden zahlen, die US-Behörden verfolgen die Verantwortlichen strafrechtlich, ein VW-Manager ging schon ins Gefängnis. Der Vertrauensbruch der Automobilkonzerne wird von der Öffentlichkeit und Politik hart geahndet.
Ganz offensichtlich hat Vertrauen heute einen neuen und deutlich höheren (Geld-)Wert erlangt, den Dieter Zetsche und Co. noch lange nicht erfasst haben.
Geldwertes Vertrauen
Nun können Sie sehr wohl argumentieren, dass das Vertrauen der Gesellschaft in Automobilmarken und dergleichen längst nicht mehr dasselbe ist – und auch vor dem jüngsten Daimler-Come-out bereits massiv gelitten hat. Keine Frage. Doch woher kommt dann die massive Empörung über einen Vertrauensbruch, der so einfach zu beheben wäre? Eine Stunde in der Werkstatt, ein Software-Update, fertig. Daimler hat keine Autos ohne Sicherheitsgurte gebaut, keine tödlichen und zufällig auslösenden Schleudersitze, keine willkürlich explodierenden Motoren. Und dennoch wurde der Rückruf der Daimler-Fahrzeuge zum heiß diskutierten Politikum.
Ich muss sagen: Ich finde diese Entwicklung nur logisch. Je unsicherer die Zeiten, in denen der Mensch lebt, desto größer wird doch natürlich sein Wunsch zu vertrauen. Vertrauen schafft Sicherheit. Genau das ist es, was eine Marke repräsentiert. Und auf einmal ist Vertrauen dann gar Millionen und eine Strafverfolgung wert.
Spätestens nach der VW-Krise hätte doch Herrn Zetsche und seinem Management deutlich sein müssen: Ein Vertrauensbruch gegenüber ihren Mitarbeitern und Kunden fügt dem Unternehmen und der Marke mehr Schaden zu als jede offene Kommunikation eines Fehlverhaltens.