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Kommentar Daimler: Spaltung statt Strategie

Daimler stellt sich neu auf
Daimler stellt sich neu auf
© IMAGO / STAR-MEDIA
Daimler präsentiert sich der Welt als Krisengewinner – aber das Bild trügt. Den Konzern drücken schwerwiegende Probleme, darüber können auch die guten Zahlen nicht hinwegtäuschen

Es gibt einige Dinge, die man immer wieder liest und hört über die Corona-Pandemie: Zum Beispiel, dass sie Dinge beschleunigt, die sonst Jahre gedauert hätten. Das trifft wahrscheinlich auch auf den Spaltungsplan zu, den der Autokonzern Daimler vergangene Woche verkündet hat – Lastwagen und Luxusautos sollen demnach künftig ein getrenntes Dasein führen. Zusammen mit den jetzt verkündeten Geschäftszahlen des Autobauers lässt das auf den ersten Blick eine etwas klarere und etwas rosigere Zukunft in Daimler-Land erwarten, als das bisher der Fall war: Immerhin hat Daimler seinen Gewinn gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte gesteigert, mehr Autos verkauft und ist insgesamt überraschend gut durchs Corona-Jahr gekommen.

Hier ein Luxusautofabrikant, der sich vor allem wegen der Nachfrage aus China stabilisiert und den Technologiewandel schafft. Dort ein Lastwagenbauer, der von der wieder anspringenden Konjunktur profitieren wird. So sieht dieses schöne Bild von der Daimler-Zukunft aus.

Aber wenn man genauer hinschaut, dann zerstäuben weder die Zahlen noch der Spaltungsplan die Zweifel, die über Daimler schweben. Ja, die Steigerungsraten der 2020er Zahlen sind imposant angesichts von Corona. Aber sie rühren auch daher, dass der Konzern 2019 ein außerordentlich miserables Ergebnis eingefahren hatte. Nüchtern betrachtet ist Daimler wegen China unerwartet glimpflich davongekommen, aber die Folgen von Corona anderswo muss das Unternehmen dennoch verkraften. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Konjunktursorgen in Amerika und Europa bestätigen sollten.

Wird Daimler zum Übernahmeziel?

Und das Anarbeiten gegen konjunkturellen Gegenwind und Absatzturbulenzen könnte gerade die Pkw-Sparte daran hindern, ihre strategischen Probleme in den Griff zu bekommen und sich endlich angemessen auf den großen Technikumbau im Autogeschäft vorzubereiten. Daimler (oder Mercedes-Benz, wie es künftig öfter heißen dürfte) hat einerseits viel zu hohe Entwicklungskosten. Der Hersteller bringt aber andererseits viel zu wenig und viel zu langsam neue Technik auf die Straße – gerade wenn es um elektrifizierte Antriebe geht. Aus diesem Paradoxon müssen die Verantwortlichen erst einmal einen Ausweg finden. Dass jetzt viele erst einmal ein Jahr lang mit dem Auseinanderdividieren von Daimler Trucks und Mercedes-Autos beschäftigt sein werden, wird es nicht einfacher machen.

Die Spaltung soll ja vor allem eine Antwort auf den Druck der Finanzmärkte sein. Indem Konzernchef Ola Kälennius vorauseilend einen der wichtigsten Angriffspunkte von Aktivisten-Investoren und Hedgefonds angeht, hofft er sich gegen feindliche Attacken zu wappnen. Aber wenn sie doch zuschlagen sollten, wird es nach der Aufteilung für sie sogar einfacher. Für eine feindliche Übernahme-Attacke auf einen der beiden Teilkonzerne braucht es unter Umständen sogar weniger Kapital als jetzt noch.

Es sei denn, Källenius kann nur durch die Spaltung den schwächelnden Börsenwert zusammengerechnet deutlich steigern, aber dafür reicht alleine die Trennungsoperation wohl kaum. Es müssten beide Konzernteile ihre strategischen Probleme klar erkennbar angehen. Ob dafür im Aufteilungsprozess Zeit bleibt, ist fraglich. In jedem Fall werden beide Daimler-Teile noch abhängiger von ihren maßgeblichen chinesischen und kuwaitischen Großaktionären, die auch nicht immer nur freundliche Motive hatte. Allen voran wäre es wichtig, mehr über die Absichten von Daimlers größtem Teilhaber Li Shufu zu wissen, der womöglich Daimler Truck mit seiner schwedischen Beteiligung Volvo AB zusammenbringen will.

Källenius hat in den vergangenen Wochen viel Arbeitskraft darauf verwendet, die Spaltung intern durchzusetzen. Jetzt hat er mit den Jahreszahlen Punkte machen können. Wie er aber den Konzern aus der Klemme bringen will, hat er immer noch nicht klar gesagt. Diese Frage dürfte bald wieder dominieren.

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