Das Energie-Start-up 1Komma5 Grad geht bei der Europäischen Kommission gegen den geplanten Ausbau von Gaskraftwerken durch die Bundesregierung vor. Das Berliner Unternehmen reichte eine Beschwerde bei der Kommission ein, die sich im Kern gegen die Subventionen für die Kraftwerke richtet. Diese müssen von der EU genehmigt werden.
1Komma5 Grad argumentiert, dass durch die geplanten Beihilfen der Wettbewerb verzerrt wird. „Die Kraftwerksstrategie darf nicht alte Strukturen einseitig zementieren, sondern muss die wirtschaftlichsten und klimafreundlichsten Lösungen berücksichtigen“, sagte der Unternehmenschef Philipp Schröder laut offizieller Mitteilung. „Die geplante Kombination aus Zuschüssen für neue Gaskraftwerke einerseits und Vergütungen im Kapazitätsmarkt andererseits ist ein aus unserer Sicht unzulässiger Eingriff.“
Strom durch Gaskraftwerke in Dunkelflauten
Die Kraftwerksstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums stößt schon in ihren ersten Ansätzen auf Widerstand aus der Branche – zumal auch andere Unternehmen den Prozess sehr argwöhnisch beobachten. Die Bundesregierung plant bis 2030 den Bau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von mindestens 20 Gigawatt, um möglichen Versorgungsproblemen durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu begegnen. Allerdings gilt die Zahl in der Branche als politisch gesetzt und nicht durch einen exakt ermittelten Bedarf gedeckt. Kritiker monieren zudem, durch den Zubau der Gaskraftwerke werde der Strom für Verbraucher unnötig verteuert. Zwar gilt als ausgemacht, dass Gaskraftwerke gebraucht werden, die in möglichen Dunkelflauten einspringen können, wenn weder Solarstrom noch Windkraft entstehen. Die geplante Leistung gilt jedoch als willkürlich und zu hoch.
Unternehmen wie 1Komma5 Grad sehen durch die Förderung der Gaskraftwerke auch ihr Geschäftsmodell bedroht. Sie haben sich darauf spezialisiert, dezentrale Einheiten wie Solaranlagen, Batteriespeicher oder Wärmepumpen zu sogenannten virtuellen Kraftwerken zusammenzuschalten. Geld wird auch damit verdient, überschüssigen Strom zum günstigen Zeitpunkt am Markt zu verkaufen oder das Netz zu stabilisieren. Die Beschwerde des Start-ups bei der EU hat zunächst keine formalen Folgen, sie ermöglicht allerdings Einblick in das Beihilfeverfahren und kann damit die Grundlage für eine spätere Klage bilden.
In einer „New Energy Alliance“ hatte sich unlängst eine Reihe von Unternehmen zusammengefunden, die vor allem dafür werben, dezentrale Lösungen wie Batteriespeicher oder Energiemanagementsysteme voranzutreiben. Zu dem Verbund gehören neben 1Komma5 Grad deren Konkurrenten von Lichtblick und Thermondo, aber auch traditionelle Konzerne wie Bosch und das Immobilienunternehmen Vonovia. Die Mitglieder dieser Allianz sehen den Umbau des deutschen Strommarkts durch die aktuelle Kraftwerksstrategie der Bundesregierung gefährdet. „Es muss einen technologisch offenen Wettbewerb zwischen zentralen und dezentralen Kraftwerken geben, bei denen Erzeuger und Flexibilität grundsätzlich gleichbehandelt beziehungsweise gefördert werden“, sagte Schröder.