Ian Behring lehnt lässig mit leuchtend gelber Warnweste an einem Schaltschrank. Der 18-Jährige lauscht an diesem Spätsommertag einem Vortrag über die Installation von E-Ladesäulen. Zusammen mit anderen Auszubildenden steht er draußen auf einem Werksgelände des Energieinfrastrukturunternehmens Omexom in Herzfelde, rund 30 Kilometer östlich von Berlin.
80 junge Menschen aus ganz Deutschland sind hierhergekommen zu einem „Nachwuchstag“ bei ihrem neuen Arbeitgeber. Viele von ihnen haben vor einem Monat ihre Ausbildung bei Omexom gestartet. An diesem Tag bekommen sie an acht Stationen einen Vorgeschmack auf das, was sie in den kommenden dreieinhalb Jahren ihrer Ausbildung erwartet: vom Gabelstapler-Parcours über den Drohneneinsatz in der Vermessung bis zu einem Workshop über psychische Belastungen im Job.
Der Energiekonzern Omexom ist nicht so bekannt wie Eon oder RWE. Dabei ist das Unternehmen ein relevanter Spieler der Branche: Die Tochtergesellschaft des französischen Vinci-Konzerns kümmert sich um den Bau von Stromnetzen, Umspannwerken, Trafostationen und die Implementierung erneuerbarer Technologien. In Deutschland wächst Omexom seit Jahren über Zukäufe und integriert mittelständische Betriebe wie den Standort in Herzfelde. 4000 Mitarbeiter erwirtschaften hierzulande einen Umsatz von 750 Mio. Euro.
Knapp 100 junge Menschen haben 2025 in ganz Deutschland bei Omexom eine Ausbildung etwa zum Elektrotechniker oder Mechatroniker oder ein duales Studium begonnen, 290 sind es insgesamt in allen drei laufenden Jahrgängen.
Lea Schüler ist bei Omexom für das Recruiting des Nachwuchses zuständig. Die junge Personalerin sucht Bewerber wie Ian Behring und verspricht ihnen, „Teil der Energiewende zu sein und für eine nachhaltige Zukunft zu arbeiten“. Doch wie sehr zieht dieses Argument bei der Generation, die schon deutlich weniger Engagement für Klimaschutz zeigt als noch vor ein paar Jahren? „Es wird immer schwerer, unsere Ausbildungsplätze zu besetzen“, räumt Lea Schüler ein.
Nähe zum Wohnort
Für Ian Behring hat der Klimawandel jedenfalls keine wichtige Rolle bei der Berufswahl gespielt. „Für mich war wichtig, nicht wegziehen zu müssen“, sagt der junge Mann aus Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Sein Vater ist seit den 90er-Jahren bei einem Unternehmen beschäftigt, das von Omexom übernommen wurde.
Väter und Söhne arbeiten im selben Team, Kollegen werben Kollegen – diese engen Bande sind laut Omexom eines der stärksten Recruitinginstrumente. Die Nähe zum Wohnort, niedrige Wohnkosten, ein sicherer Job – das ist für viele Jugendliche laut Studien nach wie vor ein entscheidendes Kriterium bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.
Wegziehen will Ian Behring zwar nicht, aber rausfahren zur Montage macht ihm großen Spaß. Dort hilft er bei großen Aufträgen, bei denen Transformatoren installiert werden, Ladeinfrastruktur für Autos und Lkw ans Netz gebracht oder Kabel verlegt werden. „Die Montage ist das Beste“, sagt der 18-jährige Auszubildende. Morgens um sieben Uhr trifft er sich mit den Kollegen, bespricht die Aufgabenverteilung, greift sich sein Werkzeug und geht dann auf die Baustelle. Nachmittags gegen vier Uhr hat er Feierabend und fährt zurück nach Hause. „Dann hat man was geschafft“, so Behring. Abends wisse er, welche Aufträge er erfolgreich erledigt hat. Das mache ihn sehr zufrieden. Da brauche er keinen „Purpose“ als zusätzliche Motivation. Genau die Haltung gefällt Tim Hense. Der 33-Jährige bildet die jungen Omexom-Kollegen aus und arbeitet zudem als Projektleiter für den Konzern. „Wir brauchen keine Einserkandidaten. Bock, draußen zu arbeiten, und Bock, im Team anzupacken. Das ist bei uns wichtig
Omexom versucht, zwei Welten zu verbinden: die Vertrautheit und Verlässlichkeit der kleinen Betriebe in der Region, die sie übernommen haben, und die Vorteile, die ein internationaler Konzern mitbringt: finanzielle Sicherheit, Innovation, Weiterbildung, Karrierechancen. „Wir bieten das Beste aus beiden Welten“, sagt Personalerin Lea Schüler.
„Kraft und Licht“ – so hieß der frühere Brandenburger Installationsbetrieb in Herzfelde, den Omexom 2017 übernommen hat. So steht es auf dem alten Logo, das noch in der Halle hängt, in der der Nachwuchstag für den neuen Azubijahrgang stattfindet. Ein Stückchen regionaler Identität, die das Unternehmen bewusst pflegt. In Herzfelde haben auch viele Monteure schon ihre Ausbildung im Betrieb gemacht und sind der Firma treu geblieben. „Wenn wir zufrieden sind und jemand bleiben möchte, übernehmen wir fast alle – die Übernahmequote liegt nahe 100 Prozent“, sagt Ausbilder Tim Hense. In der Praxis erwartet die Auszubildenden eine Mischung aus klassischer Lehre im Betrieb und Schulungen in überbetrieblichen Ausbildungszentren, in denen sie etwa Muffenmontage oder Verdrahtungstechnik üben, damit die ersten Einsätze in der Praxis gut laufen. Dazu kommt die digitale Fortbildung über Tablets, mit denen alle Azubis ausgestattet sind, um etwa nach einer Montage Protokolle auszufüllen. Arbeitssicherheit ist ein wichtiges Thema in der Ausbildung, dem auch beim Nachwuchstag ein Vortrag gewidmet ist. Eine lockere Schraube führt bei der Installation von Stromleitungen schnell zu erhöhter Brandgefahr. Ausbilder Tim Hense schärft seinen Zuhörern immer wieder ein: „Beim Thema Sicherheit machen wir keine Abstriche. Da gibt es auch keine Budgetbeschränkungen.“
Was auffällt beim Nachwuchstag in Herzfelde: Der Nachwuchs ist männlich, es fehlen Frauen. Drei ziehen gemeinsam über das Gelände, schauen zu, hören zu. Sie machen eine kaufmännische Ausbildung bei Omexom. Für die gewerblich-technischen Berufe hingegen kann der Konzern nur wenige junge Frauen gewinnen. Das Unternehmen versucht gegenzusteuern mit Girls’ Days, Schnuppertagen und gezielten Messeauftritten. Personalerin Lea Schüler setzt auch hier auf Verstärkung aus den eigenen Reihen: „Wir nutzen unsere Kolleginnen als Vorbilder“, sagt sie. Immerhin gebe es ein paar Frauen auf den Baustellen.