Daimler hat einen neuen Großaktionär: Mit seiner fast zehnprozentigen Aktienposition löst Li Shufu, Chef des chinesischen Autobauers Geely, den kuwaitischen Staatsfonds – der seinerseits 6,8 Prozent an Daimler hält – an der Spitze des Aktionariats der Stuttgarter ab. Deutsche Anleger halten, sofern man Luxemburger Geld vollumfänglich deutschen Anlegern zurechnet, circa 16 Prozent an dem Unternehmen mit dem Stern. Mit einem Drittel stellen US-Amerikaner die größte nationale Gruppe unter den Daimler-Aktionären. Dieser Befund trifft im Großen und Ganzen auf fast alle Dax-Aktiengesellschaften zu.
Man kann in der Dominanz ausländischer Anteilseigner an Daimler ein Zeichen großer Internationalität sehen. Die Welt AG, von der weiland Jürgen Schrempp schwadronierte, hat sich in der Eigentümerstruktur der Schwaben eindrucksvoll manifestiert. Aber anstatt „zu Lande, zu Wasser und in der Luft“, wie es seinerzeit vollmundig nach den Käufen von Focker, Dornier und Chrysler hieß, gilt heute eher die Feststellung: in Arabien, in China und in den USA.
Die Frage, warum so wenige Deutsche Anteile an Daimler halten und anstreben, wird selten gestellt und noch weniger häufig treffend beantwortet. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, es sei völlig irrelevant, wer Eigentümer deutscher Großunternehmen sei. Hier aber täuscht sich vor allem die Politik, denn die Eigentümer eines Unternehmens nehmen langfristig bestimmenden Einfluss auf die künftigen Geschicke ihres Miteigentums. Das betrifft Standortentscheidungen ebenso wie Arbeitsplatz- und Steuerfragen.
Wer ist der größte Daimler-Einzelaktionär Li Shufu?
Li Shufu und Geely
Li Shufus Vermögen wird vom US-Magazin Forbes auf 17,4 Mrd. Dollar geschätzt. Er ist damit der zehntreichste Chinese. Aber Li ist auch Mitglied der Kommunistischen Partei. Hier sieht man ihn bei einer Rede vor dem Volkskongress der KP. Ein Widerspruch? Für Li offenbar kein Problem.
Die Chinesen produzieren aber auch in Europa, wie in Weißrussland. Dort ist Geely an dem Joint Venture Belgee beteiligt. Der autokratische weißrussische Präsident Lukaschenko verpflichtete alle Beamten des Landes, ein Auto dieser Marke zu fahren.
Viel größeres Aufsehen erregte allerdings die Übernahme des schwedischen Autoherstellers Volvo im Jahr 2010. Unter dem Dach von Geely schafften die Nordländer den Turnaround. Und Volvo-Chef Hakan Samuelsson war 2016 voll des Lobes über die Chinesen: Sie hätten aus einer Abteilung wieder ein Unternehmen gemacht. Volvo gehörte vor dem Eigentümerwechsel zu Ford.
Wenige Monate vor dem Einstieg bei Daimler erwarb Geely für 3,25 Mrd. Euro 8,2 Prozent an dem Lkw-Hersteller Volvo Trucks, der seit 1999 getrennt ist von der Pkw-Sparte. Li Shufu könnte als größter Einzelaktionär beide Sparten wieder zusammenführen und einen integrierten Fahrzeughersteller formen - genau wie Daimler.
Fest steht jedenfalls, dass die Deutschen über Aktienfonds und Direktanlagen nur mäßig an den Aushängeschildern der deutschen Wirtschaft beteiligt sind. Neben der teutonischen Zinsbesessenheit und Inflationsangst gibt es hierzulande eine grundsätzliche und an eine Phobie grenzende Skepsis gegenüber Aktien.
Aktienanlage wird diskriminiert
Hinzu kommt, dass der deutsche Staat Eigenkapitalanlagen gegenüber Fremdkapitalanlagen stark benachteiligt. So sind etwa Fremdkapitalaufwendungen steuerlich in der Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen absetzbar, während Eigenkapitalaufwendungen dies nicht sind. Bei Dividendenzahlungen führt dies zu einer Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen, nämlich erstens auf der Unternehmensebene und zweitens beim Anleger. Weitere Belege einer Diskriminierung der Aktienanlage wären leicht beizubringen.
Es spricht derzeit nichts dafür, dass die neue Bundesregierung sich dieses Themas annehmen wird. Solange die staatlichen Steuereinnahmen sprudeln, stehen üppige Umverteilungswünsche und Personalrochaden im Vordergrund des Politikbetriebs. Zugleich lässt sich regelmäßig beobachten, wie sich die Aktienabstinenz der meisten Deutschen in ernüchternden Vermögensvergleichen mit anderen Ländern niederschlägt. Die schwache Pro-Kopf-Wohlstandsentwicklung Deutschlands basiert im Wesentlichen auf einer viel zu geringen Beteiligung der deutschen Bevölkerung am Produktivvermögen. Und der designierte neue Wirtschaftsminister Peter Altmaier macht nicht gerade den Eindruck, als bekomme unser Land mit ihm einen neuen Ludwig Erhard.
Zur gleichen Zeit macht sich Paris mit seinem geschickten Präsidenten Macron anheischig, die großen Hoffnungen auf die Stärkung des Finanzplatzes Deutschland durch die Jahrhundertchance Brexit zur Illusion werden zu lassen. Frankreichs Aktienmarkt ist bereits heute größer als sein deutsches Pendant und seine Banken stellen Deutsche Bank und Commerzbank in den Schatten. In Berlin aber tut man so, als ginge dergleichen die deutsche Politik gar nichts an.
Aus Chicago Ihr
Dr. Christoph Bruns