Anzeige
Anzeige

Déjà-vu Das große Zittern im Daimler-Vorstand

Finanzchef Wilhelm, CEO Källenius und Nutzfahrzeugvorstand Daum (v.l.n.r.) bei der Bilanzpressekonferenz von Daimler
Finanzchef Wilhelm, CEO Källenius und Nutzfahrzeugvorstand Daum (v.l.n.r.) bei der Bilanzpressekonferenz von Daimler
© dpa
Beim Stuttgarter Autobauer jagt eine schlechte Nachricht die nächste. Wenn es so weitergeht, dürften bald Köpfe rollen – bloß welche?

Gewinnwarnungen sind in der ersten und zweiten Reihe der Deutschland AG derzeit keine Seltenheit – auch mehrfache nicht, wie bei Henkel, Continental, Osram oder Klöckner zu sehen war. Aber den Negativrekord hält der Finanzvorstand der Daimler AG: Harald Wilhelm gab seit seinem Amtsantritt im Mai 2019 gleich drei Ad-hoc-Meldungen über immer schlechtere Zahlen heraus. Er muss sich Sorgen um seinen Job machen, denn ihm obliegt die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Ertragsprognosen.

Wilhelms Vorgänger Bodo Uebber galt als begnadeter Zahlenjongleur und erfreute sich großer Beliebtheit unter den Finanzanalysten. Fast 16 lange Jahre hielt sich der Solinger über alle Krisen hinweg im Vorstand. Und doch überließ Uebber seinem Nachfolger keineswegs einen besenreinen Konzern – im Gegenteil. Viele Daimler-Manager sagen im Nachhinein, der Finanzvorstand sei zur richtigen Zeit gegangen, um nicht selbst schlechte Zahlen verkünden zu müssen. Die Aufräumarbeiten fallen nun seinem Nachfolger und dem Vorstandsvorsitzenden Ola Källenius zu, der zeitgleich mit Wilhelm an die Konzernspitze aufstieg.

Die neue Capital erscheint am 20. Februar
Die aktuelle Capital
© Capital

Viele Kritiker geben deshalb weniger Wilhelm, sondern vielmehr Källenius die Schuld an den drei Gewinnwarnungen. Der Schwede habe den Anfängerfehler gemacht, der vielen neuen CEOs unterläuft: nicht gleich Tabula rasa zu machen und im Zweifel alle Risiken für die Konzernbilanz in einem Aufwasch einzupreisen. Die Amerikaner nennen das die Kitchen-Sink-Methode – sie hat sich in der Vergangenheit vielfach bewährt.

Källenius sitzt schon seit dem 1. Januar 2015 im Vorstand und kann sich kaum mit mangelnder Kenntnis des Konzerns herausreden – anders als sein CFO Wilhelm. Zu dessen Amtsantritt kommentierte das „Handelsblatt“ unter Berufung auf andere Daimler-Manager, der neue Finanzvorstand werde wohl mindestens ein Jahr brauchen, um sich in seiner neuen Aufgabe zurechtzufinden. Schließlich diente Wilhelm 19 Jahre bei Airbus, bevor er zu Daimler wechselte. Seit seiner Zeit in der Flugzeugindustrie eilt ihm der Ruf eines peniblen Finanzers und zupackenden Aufräumers voraus – also genau das, was man bei Daimler in diesen Monaten braucht.

Dass also Wilhelm nur noch auf Abruf arbeitet, wie man lesen konnte, ist durchaus nicht ausgemacht. Aber bei der nächsten Gewinnwarnung dürfte den Aktionären der Geduldsfaden reißen. Welcher Kopf dann rollt, ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer vorherzusagen. Der 77-jährige Vorsitzende des Aufsichtsrats, Manfred Bischoff, möchte seine 14-jährige Amtszeit in Ruhe zu Ende bringen. Vielleicht beginnt das große Zittern im Vorstand erst nach der Hauptversammlung im nächsten Jahr unter einem neuen Oberaufseher. Eigentlich hält sich der frühere Daimler-Chef Dieter Zetsche nach der gesetzlich vorgeschriebenen Abkühlungsphase für diese Aufgabe bereit. Mit jeder neuen Gewinnwarnung sinken jedoch seine Chancen auf den Aufsichtsratsvorsitz. Kommt stattdessen ein Mann wie Joe Kaeser, der schon seit 2014 als einfaches Mitglied im Daimler-Aufsichtsrat sitzt, dann bleibt in Stuttgart vermutlich kein Stein auf dem anderen.

Bernd Ziesemer war Chefredakteur des „Handelsblatt“. In der Kolumne „Déjà-vu“ greift er jeden Monat Strategien, Probleme und Pläne von Unternehmen auf – und durchleuchtet sie bis in die Vergangenheit.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel