Aktien Anschnallen bei Autoaktien

Weder bestellt noch abgeholt: Deutsche Hersteller parken ihre Autos am neuen Berliner Flughafen zwischen
Weder bestellt noch abgeholt: Deutsche Hersteller parken ihre Autos am neuen Berliner Flughafen zwischen
© Getty Images
Das Geschäft der deutschen Autohersteller gerät ins Stottern. BMW und Daimler melden schlechte Zahlen und der Branchenindex rast talwärts. Das dürfte der Anfang eines Abschwungs sein. Nadine Oberhuber über Lage und Aussichten für Autoaktien

Jammern gehört für gute Kaufleute zwar zum Geschäft, doch in diesem Fall dürfte es ehrliche Besorgnis gewesen sein. Die Sorge von VW-Chef Herbert Diess sieht so aus: Es könnte sein, dass der derzeitige Rückwärtsgang der heimischen Automobilbranche mehr ist als eine kurze Marktdelle. Es könnte sogar sein, dass es der Anfang vom Niedergang der starken deutschen Automobilindustrie ist. Die Chancen dafür, dass deutsche Autobauer in zehn Jahren noch zur Weltspitze gehören stünden 50 zu 50, sagte Diess. Das ist eine faire halbe-halbe-Chance. Aber wer mag darauf als Anleger wirklich wetten? Da könnte man ja ebenso gut eine Münze werfen.

Nun mag es sich bei solchen Äußerungen um das übliche Drohgebaren handeln, dass Unternehmenslenker gerne an den Tag legen, wenn sie finden, dass sie von überbordenden Gesetzen eingeengt werden oder von Auflagen geknebelt. Schließlich ringen dieser Tage Politiker und Hersteller mühsam um Kompromisse bei Dieselautos und Fahrverboten. Und häufig springt die Politik am Ende als Retter der vermeintlich bedrohten Industrie bei, um Arbeitsplätze zu erhalten und die Produktivität am Standort Deutschland zu sichern. So weit kennt man das schon, nicht nur aus der Autoindustrie. Die gesamte Finanzbranche kann viele Geschichten dazu erzählen. Doch selbst Autoexperten wie Ferdinand Dudenhöffer sagen dieser Tage: Die Dominanz der deutschen Autobauer schwinde. Wie gut also steht es wirklich um die hiesigen Hersteller?

Tatsächlich nicht sehr gut. Dazu ein Blick auf das, was zuletzt geschah: Gleich zwei große Produzenten erschreckten ihre Anleger mit schlechten Nachrichten - und zwar ausgerechnet die Premium-Hersteller. Sowohl Daimler als auch BMW meldeten deutlich schlechtere Zahlen für die ersten drei Quartale als im Vorjahr. Bei BMW brach der Gewinn um 24 Prozent zum Vorjahr ein, das operative Ergebnis sank sogar um 26 Prozent. Dass der Rückgang „nur“ so klein ausfiel, verdankten die Münchener dabei vor allem ihrer Finanzsparte, denn in der Autogeschäft ging das Ergebnis sogar um beinahe die Hälfte zurück. Das sind enorme Bremsspuren im Geschäft.

Absatz schrumpft

Woher sie kommen, erklärte der Vorstand so: Es habe eine „Kumulation negativer Effekte“ gegeben sowie viel „Gegenwind“. Damit meinte er die anhaltenden Handelsstreitigkeiten zwischen den beiden größten Absatzländern USA und China. Hinzu kommen steigende Rohstoffpreise und schwankende Währungskurse. Aber er verwies auch auf die „Angebotsverwerfungen“ durch neue Zulassungsverfahren. Und zudem ging der Autoabsatz von Dieselfahrzeugen bei BMW zurück. Rund zwei Prozent weniger Autos verkaufte der Konzern.

Infografik: Diesel-Anteil fällt bei Neuzulassungen unter 30 Prozent | Statista

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Bei Daimler sah es noch viel schlimmer aus: Um sieben Prozent sackten die Diesel-Verkaufszahlen ab. Insgesamt meldete der Konzern mit dem Stern zwar jüngst Rekordverkaufszahlen, doch die Stuttgarter schrieben sogar Verluste in den ersten neun Monaten des Jahres, 60 Mio. Euro betrug das Minus. Genau wie BMW musste auch Daimler eine Gewinnwarnung veröffentlichen, weil absehbar ist, dass das Unternehmen seine angepeilte Prognose für 2018 nicht erfüllen wird. Als Dritter im Bunde senkte VW ebenfalls seine Gewinnziele. Die Wolfsburger verdienten zwar mehr als im Vorjahr, was allerdings daran liegt, dass VW bereits 2017 große Rückstellungen im Zuge der Dieselaffäre bildete, was den Gewinn besonders im vergangenen Jahr schmälerte. Dennoch wird das Ergebnis im laufenden Jahr kleiner ausfallen als zuvor erhofft.

Autoaktien unter Druck

All das sind Nachrichten, die Aktionäre nicht gerne hören. Dementsprechend gingen die Aktien auf Talfahrt: Daimler verlor 5,6 Prozent auf Wochensicht, BMW sogar 6,5 Prozent. Auf Jahressicht verlor Daimler gut 27 Prozent seines Aktienwerts , BMW kam mit 15 Prozent minus etwas glimpflicher davon. Den Kurs von VW stutzten die Anleger um moderate vier Prozent. In Summe jedenfalls setzt die Branche damit zur Talfahrt an und die zeigt sich sehr deutlich im Dax Sector Index der Autobranche: Der hat seit Januar 26 Prozent verloren, also ein Viertel seines Werts. Inzwischen ist die langfristige Trendlinie deutlich nach unten weggeknickt und zwar schon seit August. Sie war seit 2010 gestiegen, nach einer kleinen Delle im Herbst 2016 sogar deutlich. Nun geht es abwärts.


BMW St Aktie


BMW St Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Doch nicht nur für die deutschen Hersteller. Denn auch der Eurostoxx Autoindex hat seit Januar ähnlich stark eingebüßt, ebenfalls 27 Prozent. Auch beim Nasdaq Global Auto Index zeigt die Kurve deutlich nach unten: minus 18 Prozent innerhalb des vergangenen Jahres. Deutlich weniger als der Dow Jones, der in der gleichen Zeit kräftig gestiegen ist. Seit Juli befindet sich nun auch die 200-Tage-Linie im Rückwärtsgang, also der langfristige Durchschnitt des Auto-Nasdaq-Index. Der Branche geht die Antriebskraft aus.

Analysten haben deshalb den Nasdaq Auto Index, den es als ETF gibt, auf „Verkaufen“ gesetzt. Die Aktien von Daimler und BMW stehen mehrheitlich auf „Halten“. Für VW sind die Analysten noch positiv gestimmt, da der Kurs nach der Dieselaffäre 2015 so stark abgestraft wurde, dass er das ursprüngliche Niveau noch nicht wieder erreicht hat. Deswegen ist seine Dreijahresperformance auch recht positiv, weil hier noch die Aufholjagd nach dem Crash wirkt. Einzig Audi hat es zuletzt vermocht, sich im grünen Bereich bei den Kursen zu halten. Auf Jahressicht bleibt ein siebenprozentiges Plus und auch auf Dreijahressicht haben die Aktien der Ingolstädter 14 Prozent hinzugewonnen. Ob das allerdings noch lange so bleibt?

Schlechte Aussichten für 2019

Inzwischen gehen Branchenkenner mehrheitlich davon aus, dass der weltweite Automarkt im kommenden Jahr schrumpfen wird. Das wäre nicht verwunderlich: Autos sind eine zyklische Branche und dass der derzeitige Wirtschaftsaufschwung nicht mehr ewig anhalten wird, gilt als ausgemacht. Wenn die Konjunktur also abbremst, tun es die Autoverkäufe erst recht. Im Falle Deutschlands vermag die Branche aber noch viel mehr: Die Gewinne der Hersteller BMW, Daimler, VW und des Zulieferers Continental machen allein ein Viertel aller Dax-Gewinne aus. Das heißt: Schaltet die Automobilindustrie einen Gang zurück, dann schwächelt auch die Performance des größten deutschen Aktienindex. Es könnte daher sein, dass die Autobauer demnächst zumindest eine größere Korrektur im Börsenbarometer auslösen.

Es sei denn, die Branche erfindet sich neu. Und setzt endlich auf Innovation und alternative Antriebe, so wie es die Konkurrenten in anderen Ländern schon seit Jahren machen. Inzwischen sind gerade die chinesischen Hersteller mit Elektroautos weit vorausgefahren, was die Verkaufszahlen und Absatzquoten angeht. Und der ehemals belächelte US-Produzent Tesla hat die Fertigstellungszahlen seines Massenmodells 3 zuletzt auf über 50.000 Stück gesteigert. So stark, dass die Firma nun sogar schwarze Zahlen schreibt und ganze 312 Mio. Dollar Gewinn erzielt. Nun will Tesla auch noch Milliarden in den Ausbau der Produktion investieren. Für wie aussichtsreich die Analysten Tesla derzeit halten, kann man am Aktienkurs ablesen: Der schnellte binnen weniger Tage von 260 auf 350 Dollar. Auf Jahressicht kam die Aktie 15 Prozent voran, binnen drei Jahren sogar 50 Prozent.

Hierzulande basteln immerhin Daimler und BMW an einer Fusion beim Carsharing, zu der die EU-Kommission gerade grünes Licht gegeben hat. Das ist zwar nicht annährend so revolutionär wie der Elektroautobau, könnte aber ebenfalls in eine neue Richtung zielen. Es bleibt abzuwarten, ob die deutschen Autobauer noch die Kurve bekommen und ob sie in zehn Jahren vorneweg fahren oder hinterher. Besorgt sein darf man allemal. Das heißt: Vorsicht im Falle eines Einstiegs! Manchmal ist es besser, den Kurs abzuwarten, bevor man wieder mitfährt. Denn allzu schnell wird die 200-Tage-Linie wohl nicht wieder ins Plus drehen, dazu müssten schon alle Autoaktien gleichzeitig den Turbo zünden.

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