Deutsche Autobauer haben es neben dem US-Konkurrenten Tesla momentan schwer, denn der E-Auto-Pionier ist seit vergangenem Jahr bei Anlegern so beliebt wie kein anderer Autohersteller. Anfang dieses Jahres lag seine Marktkapitalisierung bei kolossalen 600 Mrd. Euro. Daneben wirkt der Börsenwert der alten Hasen im Automobilgeschäft geradezu niedlich: VW bringt derzeit 135 Mrd. Euro auf die Waage, Daimler rund 78 Mrd. Euro und BMW „nur“ 56,38 Mrd. Euro. Nicht einmal zusammengenommen können die drei deutschen Platzhirsche mit dem US-Unternehmen mithalten.
Anleger ließen sich in ihrer Tesla-Euphorie bislang nicht einmal davon beirren, dass der Konzern in Sachen Umsatz und bei der Anzahl der produzierten Autos bei weitem nicht mit den Dinosauriern unter den Automobilherstellern mithalten kann. Der Volkswagen-Konzern beispielsweise erzielte im dritten Quartal 2020 zirka achtmal so viele Umsatz wie der amerikanische Konkurrent, Daimler fünfmal so viel, BMW das Dreieinhalbfache. Der Optimismus der Anleger kommt nicht von ungefähr, gilt eine Tesla-Aktie doch als Investition in die Zukunft. Als wichtiger Innovationstreiber hat Tesla in Sachen E-Mobilität die Nase vorn, ist Mitbewerbern vor allem bei Batterietechnologie und Software deutlich überlegen. Mit fast 500.000 neu zugelassenen Fahrzeugen lag das Unternehmen im vergangenen Jahr in Sachen E-Mobilität global an der Spitze.
VW macht Druck
Jetzt könnte sich das Blatt allerdings wenden, denn die Konkurrenz ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Beispiel Volkswagen: Seit Jahresbeginn hat die Vorzugsaktie des Konzerns um gut 50 Prozent zugelegt. Die Stammaktie ist noch deutlich kräftiger gestiegen, beinahe um das Doppelte. Marktbeobachter wittern vereinzelt konzertierte Kauf-Aktionen à la Gamestop. Branchenexperten weisen allerdings darauf hin, dass es gute Gründe für die Rally gibt. Denn die Wolfsburger holen in Sachen E-Mobilität auf.
Mit nahezu 422.000 globalen Neuzulassungen an Elektroautos und Plug-in-Hybriden war VW Tesla im vergangenen Jahr bereits dicht auf den Fersen. Im Herbst 2020 hat der Hersteller seinen Voll-Stromer ID.3 auf den Markt gebracht, in Kürze soll der SUV ID.4 folgen. Kürzlich kam die nächste Kampfansage an Tesla: VW will bis zum Jahr 2030 europaweit ein eigenes Netz an Batteriezellfabriken aufbauen. Das soll den Konzern unabhängiger von Zulieferern machen und seine Elektrofahrzeuge günstiger.
Fachleute prognostizieren den Wolfsburgern eine glänzende E-Mobilitäts-Zukunft: Experten der Schweizer Großbank UBS haben den ID.3 kürzlich auf Herz und Nieren geprüft und ihre Ergebnisse in einer Studie veröffentlicht. Weil die Technologie sie überzeugt hat, haben UBS-Analysten ihr Zwölfmonatsziel für die Volkswagen-Aktie um 50 Prozent angehoben und eine Kaufempfehlung abgeben. Die Experten sehen in Volkswagen bis zum Jahr 2022 sogar den Co-Weltmarktführer in Sachen Elektromobilität. Auch viele andere Analysten raten bei der VW-Aktie derzeit zum Kauf, trotz der jüngsten Sprünge.
Die VW-Tochter Audi plant ebenfalls Reformen. Unternehmenschef Markus Duesmann hat vor wenigen Tagen angekündigt, die Entwicklung neuer Verbrennungsmotoren zu stoppen. Im Jahr 2023 wollen die Ingolstädter ihre letzten Verbrenner-Modelle – einen A4 und einen A6 – herausbringen. Danach ist Schluss. In fünf Jahren sollen laut Plan dann zwanzig E-Audi-Modelle auf dem Markt sein.
BMW und Daimler planen E-Auto-Offensive
Auch BMW und Daimler drücken aufs Strompedal. Im vergangenen Jahr konnten sie mit 192.000 beziehungsweise 163.000 Neuzulassungen aufwarten und belegten damit nach Tesla, VW und dem chinesischen Autobauer SAIC die Ränge vier und fünf auf der globalen Liste der meistverkauften Stromer. BMW-Chef Oliver Zipse kündigte bei der Bilanzvorstellung Ende vergangenen Jahres einen Neustart ab dem Jahr 2025 an – eine neue Fahrzeugarchitektur, neue Software, neue Batterien und neue Antriebstechnik. Bis zum Jahr 2030 soll jeder zweite neu zugelassene BMW elektrisch sein. Auch Daimler geht in die Offensive und will bis spätestens 2039 vollständig auf CO2-freie Autos setzen.
Bei der BMW-Aktie raten Analysten momentan zum Halten, bei Daimler sind dagegen viele Marktexperten optimistisch gestimmt und raten zum Kauf. Fest steht: In Zukunft wird es für Tesla nicht mehr so einfach sein, seine Marktdominanz zu verteidigen.

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