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Shutdown-Folgen Wenn Daten fehlen: „Die Fed stochert womöglich im Nebel“

Fed-Chef Jerome Powell ist an der New Yorker Börse auf einem Bildschirm zu sehen
Fed-Chef Jerome Powell: Sein Job ist durch den Shutdown noch einmal schwieriger geworden
© Richard Drew/AP / Picture Alliance
Selten hatte die US-Notenbank Federal Reserve mit so viel Druck durch einen Präsidenten zu kämpfen. Jetzt muss sie auch noch mit den Folgen des „Shutdowns“ zurechtkommen

Jerome Powell hat als Chef der US-Notenbank schon weniger herausfordernde Zeiten erlebt. Bei der ersten Zinssenkung in diesem Jahr im September räumte er ein, dass die Meinungen innerhalb der Federal Reserve über den weiteren geldpolitischen Kurs weit auseinandergehen. Gut die Hälfte seiner Kollegen befürworte Zinssenkungen um mindestens 0,5 Prozentpunkte, während der Rest vorsichtiger sei. Man müsse „von Sitzung zu Sitzung“ und „auf Grundlage der aktuellen Daten“ vorgehen, sagte Powell. Doch was ist, wenn diese Informationen fehlen? 

Kaum noch Behördenarbeit wegen „Shutdown“ 

Seit vergangener Woche Mittwoch sind die Regierungsgeschäfte in den USA teilweise lahmgelegt. Der Kongress konnte sich nicht auf einen Übergangshaushalt einigen. Kern des Streits bleiben seither von Republikanern angestoßene Einsparungen im Gesundheitsbereich – diese wollen die Demokraten zurückgenommen sehen. Damit fehlt die Grundlage für die weitere Finanzierung von Behörden und Ämtern, der „Shutdown“ trat ein. 

Nicht als systemrelevant eingestufte Institutionen mussten etliche ihrer Mitarbeiter in den Zwangsurlaub schicken – unter ihnen: die Arbeitsmarktstatistik. Die Behörde könnte in diese Kategorie eingestuft worden sein, nachdem US-Präsident Donald Trump die Glaubwürdigkeit der Zahlen infrage gestellt und die Leiterin der Behörde entlassen hat. 

Für die Behörde sahen die Pläne des Arbeitsministeriums vor, dass von den 2055 vollbeschäftigten Menschen nur eine Person weiterhin im Dienst bleibt. Alle anderen sollten in den Zwangsurlaub geschickt werden, wie aus Regierungsdokumenten hervorgeht. Doch auch bei anderen Behörden zeichnete sich ein ähnliches Bild ab. 

Experten: „Shutdown“ wirkt sich negativ aus 

In der Folge entfiel der monatliche Arbeitsmarktbericht. Bei anderen Daten wie den Inflationsdaten ist unklar, ob sie wie geplant veröffentlicht werden. Dabei wäre es essenziell für die Fed, vor ihrer nächsten Leitzinsentscheidung mehr Einblicke auf die aktuelle Entwicklung der US-Wirtschaft zu haben. Marktbeobachter gehen zwar generell nicht davon aus, dass der anstehende Termin für den Zinsentscheid durch die fehlenden Daten gefährdet ist. Sie zweifeln aber an der Qualität der Fed-Entscheidung. 

Solange der „Shutdown“ andauert, dürfte die Erhebung und Veröffentlichung weiterer wichtiger Wirtschaftsdaten behindert werden – darunter auch die Inflationsdaten, warnte Chef-US-Ökonom Eric Winograd von der Vermögensverwaltung AllianceBernstein. Mit Blick auf den anstehenden Fed-Zinsentscheid Ende Oktober sagte er weiter: „Gerade an einem potenziellen wirtschaftlichen Wendepunkt ist eine fundierte Datenlage entscheidend.“ 

Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner kommentierte jüngst: „Die Fed stochert womöglich im Nebel.“ Es stünden kaum aktuelle Daten zur Verfügung, die das Gremium heranziehen könnte. „Dies erhöht in jedem Fall das Risiko einer falschen Entscheidung.“ 

Fed hat auch an anderen Fronten zu kämpfen 

Dabei hat die Entscheidung der US-Notenbank weltweit Bedeutung. Die Zentralbank der Vereinigten Staaten setzt sich zum Ziel, zur Finanzstabilität der USA beizutragen. Die Fed legt etwa Zinssätze fest, was einen großen Einfluss auf Kreditkosten hat. Die Auswirkungen sind auch in Deutschland zu spüren – beim Wirtschaftswachstum und auf den Finanzmärkten im Euroraum. 

Ohnehin sieht sich die Fed seit Monaten dem Vorwurf von Trump ausgesetzt, zu spät die Zinsen zu senken. Wenn es nach ihm gehen würde, hätte Fed-Chef Powell schon längst seinen Hut nehmen müssen. Der US-Präsident macht ihn persönlich dafür verantwortlich, dass die Fed den Leitzins über Monate hinweg stabil hielt, anstatt diesen wie von Trump verlangt zu senken. Dabei entscheidet ein zwölfköpfiges Gremium über den Leitzins und es ist ohnehin unklar, ob ein Präsident den Fed-Chef entlassen darf. 

Auf dem Weg zu einem weniger unabhängigen Fed-Vorstand knöpfte sich Trump auch die Fed-Gouverneurin Lisa Cook vor: Er will sie wegen des Vorwurfs des Hypothekenbetruges loswerden. Cook bestreitet ein Fehlverhalten. Der Fall liegt mittlerweile vor dem obersten Gericht der USA. Dort kassierte Trump zuletzt einen Dämpfer bei seinem Entlassungsversuch, doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. 

Fed vor heiklem Zinsentscheid 

Für Fed-Chef Powell heißt es nun, eine Lösung zu finden. Geplant ist der nächste Zinsentscheid für den 29. Oktober - bis dahin hätte die Fed eigentlich Zeit, um anhand vorliegender Wirtschaftsdaten die zentrale Frage zu beantworten: Wird der US-Leitzins weiter gesenkt oder bleibt er in der Spanne von 4,0 bis 4,25 Prozent? 

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Es wird nicht das erste Mal sein, dass Powell während eines „Shutdowns“ eine Zinsentscheidung leiten wird. Bereits während des rund fünfwöchigen Stillstands zwischen 2018 und 2019 in Trumps erster Amtszeit musste er den Balanceakt bewältigen. Die Frage bis Ende Oktober ist, ob bis dahin die Regierungsgeschäfte wieder aufgenommen werden - und die wichtigen Konjunkturdaten noch in die Fed-Entscheidung einfließen können.

Khang Mischke, dpa/kb

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