Erst Volkswagen, dann Renault und Volvo und nun auch noch Daimler: Auch der Stuttgarter Autobauer hat katastrophale Zahlen präsentiert , die allesamt zeigen, wie sehr der Corona-Sturm die Autoriesen ins Schlingern bringt. Es gibt keinen Zweifel: Die Autoindustrie liegt mit Frontalschaden auf dem Pannenstreifen. Ob und wie sich dieser Schaden beheben lässt, dürfte je nach Konzern in den kommenden Monaten sehr unterschiedlich ausfallen. "Chrysler und Fiat sind zwischen 80 und 90 Prozent der Verkäufe weggebrochen, sie werden ebenfalls blutrote Zahlen vorlegen", prophezeit Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität St. Gallen.
Überraschend kommt der Daimler-Crash nicht. Der Stuttgarter Premiumhersteller hatte seinen Jahresausblick bereits Mitte März gekippt. Aber jetzt ist es Gewissheit: Allein von der Kernmarke Mercedes-Benz wurden im ersten Quartal 15 Prozent weniger verkauft. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern dürfte nach vorläufigen Zahlen um rund 80 Prozent auf 617 Millionen Euro eingebrochen sein. Noch schlimmer als diese Zwischenbilanz ist jedoch, dass die letztendlichen wirtschaftlichen Folgen der Viruspandemie bisher gar nicht abzusehen sind. Für die deutsche Schlüsselbranche Nummer eins mit über einer Million Beschäftigten verheißt das nichts Gutes.
Die Schwaben halten sich deshalb wohlweislich mit Prognosen zurück, wann Daimler womöglich wieder auf Vor-Krisen-Niveau produzieren wird. Der Konzern versucht es mit vorsichtigem Optimismus: Finanziell sieht er sich gut aufgestellt, um nach dem Abschütteln der Corona-Starre wieder voll durchzustarten. "Angesichts des Umstands, dass wir umfassende Maßnahmen zum Schutz unseres Barmittelbestands getroffen und unsere finanzielle Flexibilität erhöht haben, sind wir zuversichtlich, für die Zeit während und nach der Krise gut positioniert zu sein", heißt es bei Vorlage der vorläufigen Zahlen. Doch dazu wann durchgestartet werden kann, gibt es keine Ansagen.
Als Daimler am vergangenen Wochenende bekannt gab, dass die Bänder in einigen Werken wieder starten werden, erklärte es Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht so : "Wir wissen noch gar nicht, wie der Markt reagiert." Welche wirtschaftlichen Folgen die Corona-Krise nach sich ziehen werde, sei nicht absehbar. Man fahre auf Sicht und entscheide von Woche zu Woche, wie es weitergehe. Und auch Personalvorstand Wilfried Porth fand für die weiteren Aussichten deutliche Worte: "Offensichtlich bricht uns im Moment etwas weg, von dem kein Mensch weiß, ob es aufholbar ist."
"Daimler hat zwei Vorteile"
Dudenhöffer sieht die deutschen Autobauer trotz der niederschmetternden Erstquartalszahlen - sowohl von VW als auch Daimler - im internationalen Vergleich zumindest gut aufgestellt. Daimler sei von den drei deutschen Autobauern zwar der schwächste, weil "er in der Modellpolitik und auch in der E-Mobilität den Konkurrenten Volkswagen und BMW hinterherhinkt". Dennoch habe der Konzern "zwei entscheidende Vorteile".
Zum einen profitiere der Premiumhersteller von den "höheren Preisen" und zum anderen von zwei "unendlich wertvollen Investoren": Mit den chinesischen Autobauern Geely Automobile und BAIC habe Daimler in diesen harten Zeiten Glück im Unglück. Geely und BAIC gehörten zusammen rund 15 Prozent der Daimler-Aktien. Die Hoffnungen der Autobauer ruhen im Moment darauf, dass der Absatzmarkt im Corona-Ursprungsland China, dem wichtigsten Markt für alle deutschen Hersteller, nach wochenlangem Stillstand schnell wieder Fahrt aufnimmt. Inwieweit das gelingt, lässt sich zumindest noch nicht abschließend sagen.
Aber Dudenhöffer ist zuversichtlich, dass die chinesischen Investoren von Nutzen sein werden. "Die China-Connection wird Daimler helfen, sich aus dieser Krise zu lösen", sagt der Autoexperte ntv.de. In der schwierigen Zeit sei es sinnvoll, die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Daimler müsse die Transformation vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität stemmen. Neue Mobilitätsdienste müssten kreiert und hohe Investitionen in selbstfahrende Autos geschultert werden. Die chinesischen Investoren könnten hierbei sehr behilflich sein. Wenn der Daimler-Kurs niedrig sei und Geely Interesse habe, sei sogar ein weiterer Zukauf denkbar.
"Auch die Nutzfahrzeug-Kooperation mit Volvo, an dem der chinesische Autobauer Geely 15 Prozent hält, ist in dieser Lage wichtig", sagt Dudenhöffer. Die Lastwagenbauer Daimler und Volvo hatten erst am Dienstag bekannt gegeben, sich bei der Entwicklung von Brennstoffzellen-Antrieben zusammenzutun. Gemeinsam wollen sie bis zum Ende dieses Jahrzehnts schwere Nutzfahrzeuge für den Fernverkehr zur Serienreife bringen. Das Gemeinschaftsunternehmen, das hierfür gegründet wird, gehört beiden Partnern jeweils zur Hälfte.
Eine schnelle Erholung ist laut Dudenhöffer aber auch mit diesen wichtigen Partnern nicht in Sicht. Nach seinen Berechnungen wird der chinesische Markt in diesem Jahr 10 bis 15 Prozent hinter dem Vor-Corona-Niveau zurückbleiben. "Goldene Gewinne wird Daimler nicht sehen, aber der Konzern hat damit ein ordentliches Fundament." Die China-Connection werde den entscheidenden Unterschied machen. Die vollständigen Quartalszahlen will Daimler am 29. April veröffentlichen.
Zuerst erschienen auf ntv.de.