Bundeskanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil wollen die deutsche Position zum sogenannten Verbrenner-Aus in der EU 2035 aufweichen. Es dürfe kein sofortiges Aus für den Verbrennermotor geben, sagte der CDU-Vorsitzende Merz nach dem sogenannten Autogipfel im Kanzleramt. „Einen solchen harten Schnitt im Jahr 2035 wird es, wenn es nach mir geht (...) nicht geben.“ Er werde sich in der EU für eine Änderung der bisherigen Regelung einsetzen. Der harte Schnitt sei technisch auch nicht möglich. Er dringe darauf, dass der EU-Gipfel Ende Oktober sich mit dem Thema befassen werde. Merz hatte zuvor zu einem Autogipfel mit Branchenvertretern, Gewerkschaft und mehreren Bundesländern geladen, um über bessere Bedingungen für die kriselnde deutsche Schlüsselindustrie zu beraten.
Finanzminister und SPD-Co-Chef Klingbeil schloss sich der Position von Merz an. „Ich habe es gerade gesagt, wir werden innerhalb der Bundesregierung schnelle Entscheidungen treffen müssen“, sagte er. Dies betreffe die Frage von Plug-In-Hybriden, sogenannte Range Extender und Beimischung neuer Kraftstoffe. „Das ist für uns auch ein Weg, den wir für absolut gangbar halten“, sagte der SPD-Politiker. Man werde zu einer Veränderung der deutschen Position kommen. Zuvor hatte es in der SPD unterschiedliche Meinungen zu dem Thema gegeben.
Merz: Elektromobilität ist „die Hauptstraße“
Er wolle die Automobilindustrie und die Zulieferer in Deutschland dazu ermutigen, „in allen denkbaren Antriebstechnologien weiterzuforschen und zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass wir auf unterschiedlichste Weise das Thema Klimaneutralität gemeinsam erreichen“, sagte Merz. Dies schaffe „die notwendige Wettbewerbsfähigkeit auf der Welt“ und die Möglichkeit zum Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland.
Zugleich hob er hervor, dass Elektromobilität „die Hauptstraße“ sei. „Das heißt nicht, dass wir jetzt zurückgehen, dass wir auf die alten Technologien zurückgehen, sondern wir wollen gemeinsam nach vorn mit Elektromobilität und anderen Formen klimaneutraler Antriebe“, sagte der Kanzler. „Wir werden uns schon in zwei Wochen auf dem Europäischen Rat in Brüssel mit diesen Fragen beschäftigen“, fügte er hinzu.
In der EU dürfen nach derzeitiger Gesetzgebung ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden, die kein CO₂ ausstoßen. Nach derzeitigem Stand der Technik können dies nur E-Autos erreichen. Zuletzt hatte es angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Autobauer aber Forderungen nach einer Lockerung oder Verschiebung der Vorgaben gegeben, insbesondere die Union drängt darauf.
VW-Chef Blume fordert E-Auto-Förderung
„Aus heutiger Perspektive ist das Ziel, wie es für 2035 gesetzt wurde, unrealistisch. Und deshalb brauchen wir dort mehr Flexibilität“, sagte VW-Konzernchef Oliver Blume in einem Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse sich – losgelöst von Ideologien – anschauen, was erreicht werden könne. Blume sagte zugleich: „Wir sehen als Zukunftstechnologie ganz klar die Elektromobilität“. Man müsse alle Anstrengungen unternehmen, damit sie Erfolg hat. Dafür seien „attraktive Autos wichtig. Das ist unsere Verantwortung“, sagte Blume. Der Top-Manager nahm aber auch die Politik in die Pflicht: Sie müsse attraktive Rahmenbedingungen für Kunden schaffen.
Blume forderte neben einer besseren Ladeinfrastruktur – sowohl in Städten als auch auf dem Land – günstigere Strompreise. „Wir brauchen auch attraktive Förderkulissen, wie beispielsweise intelligente Steuermodelle, die dann eben auch den Anreiz für einen solchen Kauf des Elektrofahrzeugs begünstigen“, sagte der VW-Chef, ohne Einzelheiten zu nennen.
Nach dpa-Informationen schlug Volkswagen im Kanzleramt eine Steuerprämie vor, die die Einkommenssteuer von E-Auto-Kunden reduziert. Zuvor hatte sich die schwarz-rote Koalition bereits auf ein neues Förderprogramm geeinigt. Vor allem Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen sollen beim Umstieg auf emissionsfreie Autos unterstützt werden. Die Modalitäten sind noch unbekannt.
Autoindustrie und Gewerkschaften mit dem Autogipfel zufrieden
Lob für den Kurswechsel der Regierung kam auch von der Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Die neue Position der Regierung in Sachen Plug-in-Hybriden und Range-Extendern bezeichnete sie als positives Signal. „Wir brauchen zeitnahe Entscheidungen und eine geeinte deutsche Stimme“, betonte sie. Strafzahlungen beim Verfehlen von CO₂-Grenzwerten müssten angesichts der schwierigen Lage der Autoindustrie unbedingt vermieden werden.
Auch die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner bewertete die Ergebnisse positiv. Es sei klar geworden, dass angesichts der dramatischen Lage in der Branche Handlungsbedarf bestehe und die Stimme erhoben werden müsse in Richtung Brüssel. Die Politik in Berlin und Brüssel müsse zugleich die Elektromobilität unterstützen und die CO₂-Regelungen flexibilisieren mit Blick auf Hybridantriebe und emissionsneutrale Kraftstoffe. Wichtig sei auch der Aufbau einer europäischen Batteriefertigung, die Arbeitsplätze bringe. „Unsere Beschäftigten sind verunsichert, wir brauchen Klarheit.“