Der Immobilienmarkt in Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg
Von Jens Brambusch
Friedrichshain-Kreuzberg ist geprägt von den drei großen „M“: Mode, Medien und Musik. Zusammen mit dem Müßiggang ergibt sich daraus das einzigartige Lebensgefühl, das für ganz Berlin steht, aber nirgends in der Hautstadt so gelebt wird, wie in den Zwillingsstadtteilen an der Spree. Die Nächte sind hier bekanntermaßen lang, die Tage im Café entspannt. Über Laptops gebeugt arbeitet hier die Start-up-Generation am nächsten „großen Ding“, auch wenn die Idee oft für immer klein bleiben wird. So weit das gelebte Klischee.
Der Bezirk ist mit 20,4 Quadratkilometern flächenmäßig der kleinste der Hauptstadt, hat aber mit rund 281.000 Einwohnern – in Friedrichshain sind es 127.189, in Kreuzberg 136.862 – die höchste Bevölkerungsdichte. Weil allerdings kaum noch freier Wohnraum vorhanden ist, hat sich das Bevölkerungswachstum etwas verlangsamt. Mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen, wenn die sich derzeit im Bau befindlichen Großprojekte bezugsfertig sind.
Viertgrößter Markt
Friedrichshain-Kreuzberg war im Jahr 2015 der viertgrößte Markt der Hauptstadt, was den Verkauf von Eigentumswohnungen anbelangte. Das geht aus dem Bericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte hervor. Mit 2291 verkauften Immobilien lag die Quote je 1000 Einwohner bei 8,2. Der Durchschnitt in Berlin liegt bei 6,1. 1609 Wohnungen wurden hier im Jahr 2015 fertiggestellt, ein Plus von 136 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Mehr Familien
In Friedrichshain-Kreuzberg leben nach den jüngsten Erhebungen 59 Prozent der Einwohner allein in einer Wohnung. Vor zehn Jahren waren es sogar 66 Prozent. Knapp ein Viertel der Bewohner lebt in einem Haushalt mit zwei Personen, nur 17 Prozent wohnen zusammen mit zwei oder mehr Personen. Was wenig klingt, ist aber bereits deutlich mehr als vor zehn Jahren. Da gab es in Friedrichshain-Kreuzberg nur elf Prozent Mehrpersonenhaushalte.
Bunt, klug, jung
37 Prozent der Menschen in Friedrichshain-Kreuzberg haben einen Migrationshintergrund, das sind elf Prozent mehr als der Berliner Durchschnitt. Spitze ist der Bezirk in der Bildung. Geschuldet dürfte das der Beliebtheit bei Studenten sein, die hier viele Jahre günstigen Wohnraum und das Lebensgefühl der Hauptstadt fanden. Mit den steigenden Mieten werden Kreuzberg und Friedrichshain aber zunehmend unerschwinglich für Studenten, so dass die jungen Akademiker weiterziehen [-] - und auch ein Stück weit das Lebensgefühl mitnehmen. Mit 61 Prozent wohnen nirgendwo in Berlin mehr Menschen mit Abitur. Im Berliner Schnitt sind es gerade mal 41 Prozent. Das hat das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg ermittelt. 67 Prozent der Erwerbstätigen sind angestellt, 22 Prozent selbständig, acht Prozent Arbeiter und drei Prozent Beamte.
Starker Preisanstieg
Auf dem Markt für Wohneigentum dominierten zuletzt mit 75 Prozent die Angebote über 3500 Euro pro Quadratmeter. Wohnungen über 5000 Euro pro Quadratmeter machten 17 Prozent aus. Friedrichshain-Kreuzberg ist der jüngste Bezirk der Hauptstadt. Der Altersdurchschnitt liegt mit 37,8 Jahren knapp zehn Jahre unter dem im ältesten Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Friedrichshain ist dabei noch einmal jünger als Kreuzberg.
Geringes Einkommen
Die junge Bevölkerung ist auch ein Grund dafür, warum das monatliche Haushaltsnettoeinkommen noch immer relativ niedrig ist, auch wenn es seit 2008 um 40 Prozent gestiegen ist. 62,8 Prozent der Haushalte in Friedrichshain-Kreuzberg haben weniger als 2000 Euro im Monat zur Verfügung. Andererseits ist die Gruppe derer, die mehr als 6000 Euro im Monat zur Verfügung haben mit 2,4 Prozent relativ groß.
Teuerste Mieten
Vor allem Kreative, Hipster und Lebenskünstler zieht es in die beiden Stadtteile, die durch die markante Oberbaumbrücke mit ihren sieben Bögen und zwei Türmchen verbunden sind. Der Bezirk ist Magnet für Menschen aus aller Welt, das Sprachenwirrwarr auf den Straßen erinnert an den Turmbau zu Babel. Der Bezirk ist eine einzigartige Stadt in der Stadt, die polarisiert. Für die einen ist es der Himmel, für die anderen die Hölle.
Attraktiv trotz Kriminalität
Das Kottbusser Tor gilt – sogar bundesweit – als ein Kriminalitätsschwerpunkt, der Görlitzer Park ist als Drogenumschlagsplatz verrufen. Ähnlich sieht es vor dem Club- und Partygelände RAW in Friedrichshain aus. Aber auch das gehört zu Berlin wie die Currywurst und der übellaunige Taxifahrer. Der Attraktivität des Bezirks tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil. In Friedrichshain-Kreuzberg sind die Mieten zuletzt so kräftig gestiegen, dass es sich hier teurer lebt als in den noblen Vierteln wie Dahlem oder Zehlendorf. Aktuell hat der Bezirk die höchsten Preise bei Neuvermietungen.
Im Bann der Gentrifizierung
Geprägt werden Friedrichshain und Kreuzberg durch die unzählige Boutiquen, Cafés, Bars und Clubs. Das alternative Lebensgefühl eint die einst so unterschiedlichen Stadtteile, die viele Jahre durch die Mauer getrennt waren. Friedrichshain im Osten, Kreuzberg im Westen. Noch heute steht mit der East-Side-Gallery in Friedrichshain das längste erhaltene Teilstück der Berliner Mauer auf 1316 Metern Länge, verziert von 118 Künstlern aus 21 Ländern. Politisch bilden die beiden Stadtteile erst seit Januar 2001 ein Einheit.
Kaum noch Freiflächen
Die unterschiedliche Geschichte der beiden Stadtteile zeigt sich auch in der gegenwärtigen Situation auf dem Immobilienmarkt. Kreuzberg bietet kaum noch Freiflächen für den Neubau, während in Friedrichshain derzeit kräftig gebaut wird. Doch auch hier werden bereits die letzten Brachen erschlossen, weichen hochpreisigen Wohnungen. Die Gentrifizierung hat den Bezirk fest im Griff. Das liegt auch daran, dass mittlerweile viele Unternehmen Friedrichshain entdeckt haben.
Neue Bauten, hohe Preise
In den alten Speichern am ehemaligen Osthafen haben sich MTV und Universal Music niedergelassen, in der Oberbaum-City, der denkmalgeschützten ehemaligen Narva-Lampenfabrik, hat sich hinter historischen Mauern ein Büro- und Geschäftsquartier entwickelt, in dem etablierte und junge Unternehmen ansässig sind. Über 3500 Menschen arbeiten hier. Coca Cola und Zalando haben ihre Zentralen nach Friedrichshain verlegt, Mercedes Benz eine pompöse Repräsentanz neben der gleichnamigen Arena hochgezogen. Und die gut verdienenden Mitarbeiter haben Hunger nach Wohnraum.
Gestillt wird der durch diverse Projekte. Zum einen werden Altbauten herausgeputzt und Dachgeschosse ausgebaut. Die Preise für Bestandsimmobilien haben sich in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt und liegen jetzt im Schnitt bei gut 3500 Euro pro Quadratmeter. Zum anderen werden die letzten Freiflächen zugepflastert. Auf dem Freudenberg-Areal, einer industriellen Brache, entsteht beispielsweise unter dem Namen „Box Seven“ ein neues Quartier mit 650 Wohnungen. An der Revaler Spitze nahe dem Ostkreuz wird fleißig ein luxuriöser Wohnblock neben dem anderen hochgezogen. Gegenüber der bekannten East-Side-Gallery erobert die „Wohnkompanie“ Berlins Luftraum. „Max und Moritz“, Berlins höchste Wohntürme mit 386 Wohnungen sollen nach Fertigstellung 2018 86 und 96 Meter in den Himmel ragen. Die Kaufpreise bewegen sich zwischen 3900 Euro und 12.500 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung im 26. Obergeschoss. Neben den Wohntürmen entsteht ein neues Quartier mit Büroflächen und einer Mall.
Neuer Luxus
Bebaubare Flächen in Friedrichshain und Kreuzberg werden immer rarer, die Preise für Mieten haben dadurch Spitzenwerte erreicht. Sie liegen zwischen zwölf und 14 Euro den Quadratmeter. Die Preise für Eigentumswohnungen sind die vergangenen Jahre durch die Decke gegangen, liegen bei Bestandswohnungen jetzt im Schnitt bei knapp 4000 Euro pro Quadratmeter. Bei Neubauwohnungen muss man noch einen Tausender drauflegen. Dafür sind die dann auch edel und luxuriös.