Aus einem Filmstudio in L. A. streamte im April der Schweizer Uhrenbauer Audemars Piguet seine jährliche Neuheitenpräsentation in die Welt. Gut, wo sonst hätte man auch die Markenpartnerschaft mit dem Comicfilm-Giganten Marvel Entertainment feiern sollen, von dessen Superheldenmythen sich die Manufaktur beim Design eines neuen Modells inspirieren ließ.
Trotzdem: Während dabei CEO François-Henry Bennahmias neben dem US-Komiker und Uhrensammler Kevin Hart Smalltalk hielt, dürfte sich mancher Uhrenexperte die Augen gerieben haben. Die imposante Blockbuster-Inszenierung, die Liveschalte zu Serena Williams, die Onlineversteigerung eines Unikats der „Royal Oak Concept Black Panther“ für wahnwitzige 5,2 Mio. Dollar – das alles hatte mit dem sonst eher rustikalen Image kauziger Uhrentüftler in entlegenen Schweizer Bergtälern nicht mehr viel zu tun. Und schon gar nichts mit der depressiven Stimmung, in der man die Branche zu Corona-Zeiten wähnte.
Fast ist es, als beschere die Krise der Szene einen Ur-, einen Uhrknall. Zwar gibt es am Crash des letzten Jahres nichts herumzudeuteln – es ging durchschnittlich um 20 bis 30 Prozent abwärts. Doch wer bei den Frühjahrspräsentationen ratlose Gesichter erwartet hatte, erlebte das Gegenteil: vorsichtigen Optimismus bis Aufbruchseuphorie.
Nicht nur Thierry Stern , der die Geschicke von Patek Philippe leitet, gab zu Protokoll: „Wir schließen ein Ausnahmejahr mit sehr ordentlichen Zahlen ab. Selbst während des Lockdowns in Deutschland lief das Geschäft gut.“ Für Breitling sprach CEO Georges Kern gar vom „besten Dezember der Markengeschichte“.
Eigener Stil
Klar, mancher Kollege sprach auch von düsteren Phasen, von Kurzarbeit, von reduzierten Portfolios. Davon, wie sehr der persönliche Kontakt fehlt, der Handschlag, die Möglichkeit, Kunden anprobieren zu lassen, was Ingenieure ausgetüftelt haben. Doch vorherrschend war trotz allem die Botschaft, dass der sonst so traditionsbetonten Branche in kurzer Zeit eine beachtliche digitale Transformation gelungen ist: Zoom-Meetings im Akkord, innovative Ideen für die Kommunikation in der Krise, Virtual-Reality-Apps, Vollgas beim E-Commerce. Als hätte man neu verinnerlicht, woran schon Rolex -Gründer Hans Wilsdorf glaubte: die immerwährende Fähigkeit des Menschen, sich zu verändern.
Wie jeder Markenboss dabei seinen eigenen Stil entwickelt, war während der ins Netz verlegten Fachmesse Watches & Wonders zu beobachten. A. Lange & Söhne grüßte aus dem ehemaligen Berliner Kino Alhambra, wo 1922 der erste Tonfilm lief. Bei Montblanc lauschte man den Abenteuern von Reinhold Messner.
Ein stolzer Frédéric Arnault stellte die erste TAG Heuer seiner Amtszeit als CEO vor. Kurze Schockstarre, als der Marketingchef von Greubel Forsey nach Vorstellung des Modells „GMT Sport“ aus einem Helikopter springt, Erstaunen, als IWC-Chef Chris Grainger-Herr in die Mojave-Wüste und zurückgebeamt wird. Insgesamt präsentierten in einer Woche 38 Marken rund 400 Uhren, mit 500 Stunden Programm in 20 Sprachen für 110 000 Plattformgäste und mit riesiger Web-Reichweite.
Als offensichtlichster Trend fielen grüne Zifferblattdesigns auf: Die Farbe der Hoffnung und der Natur wirkte wie ein Gegenprogramm zu Homeoffice und Ausgangssperre, wie auch jene Modelle, die ein Hauch von draußen (Taucher- und Pilotenuhren), von Reisen (Weltzeitfunktionen) und von Nachhaltigkeit umwehte: Recyclingmaterialien, faire Lieferketten durch Blockchain-Technologie, Umweltschutzprojekte, Firmensitze mit Solaranlagen.
Persönlicher Kontakt, aber nach eigenen Regeln
Mancher Hersteller beließ es bei akribischer Modellpflege, bei kleinen Änderungen und aufgefrischter Gestaltung. Andere boten echte Meilensteine: eine IWC-Pilotenuhr, die Beschleunigungswerten von bis zu 30 000 g widersteht, eine Jaeger-LeCoultre mit vier Zifferblättern, ein Panerai -Modell, das zu 98,6 Prozent aus wiederverwendeten Materialien besteht.
Was aber bedeutet das neue Onlinesendungsbewusstsein der Branche für Veranstalter stationärer Messen? Die Mehrheit der CEOs glaubt vorerst noch an ein Comeback des Vis-à-vis-Geschäfts, wenn auch dauerhaft ergänzt durch Netzformate zur Steigerung der Reichweite. „Phygital“ nennt Bulgari-Chef Jean-Christophe Babin diese Hybridlösung aus physischem und digitalem Branchentreffen.
Andere, darunter Longines-Boss Matthias Breschan , setzen auf messenunabhängige Events, wann und wo immer es strategisch und inhaltlich passt. Deutlicher wird Georges Kern von Breitling. Er rechnet vor, dass sein Livestream rund vier Millionen Zuschauer erreicht, bei einem Budget von ein paar Hunderttausend Euro – wenig im Vergleich mit den Millionen, die ein Messestand in Basel kostet.
Das Credo für die Post-Covid-Ära könnte also lauten: persönlicher Kontakt ja, aber nach eigenen Regeln – und mit einem deutlichen Schwenk zum direkten Dialog mit den Endkunden unter Umgehung der bisher üblichen B2B-Zwischenschritte. Wenn es so kommt, stünde die Branche tatsächlich vor dem Start in die nächste Dimension.
Die spannendsten neuen Uhr-Modelle 2021
Uhren-Neuheiten 2021

speziell entwickelter Mondphasen-Zeiger, Anzeige von Mondzyklus und Tidenhub der Nordhalbkugel, Projekt mit dem Gemeinsamen Wattenmeersekretariat, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 43,5 mm, ca. 2 350 Euro; oris.ch

COSC-zertifiziertes Werk mit 1 158 Komponenten und vier Patenten, Gehäuse aus zementiertem Stahl, Gehäuse, Durchmesser 44 mm, ca. 251 000 Franken; ferdinandberthoud.ch

Flyback-Chronograph, 72 Stunden Gangreserve, Keramikgehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 25 900 Euro; hublot.com

aufwändige Tischuhr zur Feier des 175. Markenjubiläums, neue Interpretation eines Schiffschronometers, Werk aus 663 Teilen, drei Zeitzonen, Handaufzug, Aluminium und Mineralglas, ca. 12 490 Euro; ulysse-nardin.com

fliegendes Tourbillon, Zifferblatt aus dem Mineral Eudialyt, handgravierte Figuren, Stundenanzeige auf Opal, Rotgoldgehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 99 000 Franken; arnoldandson.com

außen liegender Monatsring, Mondphase, Rotgoldzifferblatt, Weißgoldgehäuse, Durchmesser 41,9 mm, ca. 109 000 Euro; alange-soehne.com

Teil der Partnerschaft mit Marvel Entertainment, Weißgold-Comicfigur, Titangehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 165 000 Euro; audemarspiguet.com

Quarzwerk, Korkarmband mit Wechselsystem aus recycelten Knöpfen, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 41 mm, ca. 520 Euro (2 Prozent als Spende an Waste Free Oceans); baume-et-mercier.com

Hommage an ein 1960er-Modell für die Kampftaucher der Bundesmarine, einseitig drehbare Saphir-Lünette, wasserdicht bis 300 m, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 40,3 mm, ca. 13 070 Euro; blancpain.com

inspiriert von (Stopp-)Uhren der 1940er, COSC-zertifiziert, Rotgoldgehäuse, Durchmesser 40 mm, ca. 16 200 Euro; breitling.com

Spiral-Gravur des Architekten Tadao Ando, Keramikgehäuse, Durchmesser 40 mm, ca. 18 500 Euro; bulgari.com

Weltzeituhr mit 24 Zonen, keramisiertes Titangehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 15 500 Euro; chopard.com

Werk nach Monobloc-Prinzipien entworfen, skelettiertes Zifferblatt und Lünette in leuchtendem Blau, Handaufzug, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 45 mm, ca. 20 900 Euro; chronoswiss.com

fliegendes Tourbillon, Gehäuse aus EON-Gold mit verschiedenfarbig fluoreszierenden Baguette-Diamanten, Durchmesser 42 mm, Preis auf Anfrage; rogerdubuis.com

dreidimensionaler Erdball als Anzeige der Weltzeit, Tourbillon, Titangehäuse, Durchmesser 45 mm, ca. 520 000 Franken; greubelforsey.com

Manufakturwerk H1837 mit 50 Stunden Gangreserve, Gehäuse und Armband aus satiniertem Titan, Maße 39 x 39 mm, ca. 5 400 Euro; hermes.com

Werk von freitragender Feder gehalten, widersteht bis zu 30 000 g; Cerataniumgehäuse, Durchmesser 44 mm, ca. 80 000 Euro; iwc.com

vier Zifferblätter in einer Uhr, drei Mondzyklus-Anzeigen, Weißgoldgehäuse, 1,61 Mio. Euro; jaeger-lecoultre.com

Pilotenuhr im Retro-Look, Handaufzugswerk mit 66 Stunden Gangreserve, Titangehäuse, Durchmesser 41 mm, ca. 3 200 Euro; longines.com

dezentral angeordnete Anzeigen, teils offen gearbeitetes Zifferblatt, Edelstahlgehäuse, Corduraband, Durchmesser 45 mm, ca. 7 500 Euro; mauricelacroix.com

inspiriert von der Harbour Bridge von Sydney, Kaliber 60 mit 60 Stunden Gangreserve, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 1 850 Euro; midowatches.com

Weltzeitanzeige, rotierende Halbkugeln, Farbverlauf-Zifferblatt, Bronzegehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 6 000 Euro; montblanc.com

offen und über mehrere Ebenen gearbeitete Konstruktion, beschichtetes Titangehäuse, Durchmesser 38 oder 42 mm, Preis auf Anfrage; speake-marin.com

Zifferblatt fluoreszierend beschichtet, 4 mm dickes Saphirglas, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 42 mm, ca. 1 850 Euro; muehle-glashuette.de

zum Jubiläum der Hilfsorganisation, Handaufzug, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 37,5 mm, ca. 1 600 Euro (100 Euro Spende); nomos-glashuette.com

Überarbeitung der Modellreihe von 1957, mit Co-Axial Master Chronometer Kaliber 8912, Bronzegehäuse, Durchmesser 41 mm, ca. 11 300 Euro; omegawatches.com

das limitierte Modell ehrt die Herausforderer beim America’s Cup; Gehäuse aus Marine-Edelstahl, Durchmesser 44 mm; ca. 9 100 Euro; panerai.com

erstmals mit olivgrünem Zifferblatt, bis 120 m wasserdicht, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 40 mm, ca. 30 100 Euro; patek.com

benannt nach Ursprungsort der Manufaktur, Handaufzug, Durchmesser 41 mm, Kobaltgehäuse, Preis auf Anfrage; piaget.com

raffinierte Automatenuhr nach dem barocken Vanitasmotiv, Kaliber LV 525 (mehrere Patente angemeldet), 16-sekündige Zifferblatt-Szenerie, Roségoldgehäuse, Durchmesser 46,8 mm, Preis: auf Anfrage; vuitton.com

gemeinsam mit der bekannten Trendforscherin Li Edelkoort entwickelt, Quarzwerk, Gehäuse aus Hightech-Keramik und Titan, Durchmesser 39 mm, ca. 2 020 Euro; rado.com

olivgrünes Zifferblatt mit Palmenmuster, Manufakturwerk Kaliber 3235, Gehäuse aus Oystersteel, Durchmesser 36 mm, ca. 6 550 Euro; rolex.com

inspiriert vom des jap. Mishaka-See, Weißgoldgehäuse mit Granat und Baguette-Diamanten, 192 Stunden Gangreserve, Durchmesser 43 mm, ca. 195 000 Euro; grand-seiko.com

limitierte Taucheruhr mit Dekorschliff-Zifferblatt, Gehäuse aus U-Boot-Stahl, wasserdicht bis 1000 m, Durchmesser 44 mm, ca. 2 500 Euro; sinn.de

neues Werk Calibre 5, Keramiklünette, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 43 mm, ca. 2 850 Euro; tagheuer.com

Neuinterpretation eines Designs von Ettore Sottsass, Quarzwerk, veg. Armband, Edelstahlgehäuse, Durchmesser 41 mm, ca. 400 Euro; tissotwatches.com

COSC-zertifiziertes Manufakturwerk, satiniertes Gelbgoldgehäuse, Durchmesser 39 mm, ca. 15 620 Euro; tudorwatch.com

Chronograph mit Mondphase und 60 Stunden Gangreserve, Edelstahlgehäuse, bis 100 m wasserdicht, Durchmesser 41 mm, ca. 3 250 Euro; union-glashuette.com

Email-Zifferblatt zeigt Seekarte von 1519, Roségoldgehäuse, Durchmesser 41 mm, ca. 132 000 Euro; vacheron-constantin.com

architektonisches Zifferblattdesign, Krone mit grüner Jade, Tourbillon rotiert sich und dreht um die eigene Achse, Platingehäuse (hier: Nachtansicht), Durchmesser 45 mm, Preis auf Anfrage; cartier.com

Zusammenarbeit mit dem bekannten zeitgenössischen Künstler, Werk mit Anzeige der Hundertstelsekunde, skelettiertes Zifferblatt, Keramikgehäuse, Durchmesser 44 mm, ca. 18 600 Euro; zenith-watches.com