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Geldanlage Wie man dem Börsenabschwung begegnet

Die weltweiten Finanzvermögen sind seit 2009 explodiert. Bei Immobilien und Aktien konnte man sich bei geschickter Streuung gegen Reichtum kaum wehren, so sehr kletterten die Kurse. Gold und Silber waren aber ziemliche Flops. Und nun – bei steigenden Zinsen in den USA?
Die weltweiten Finanzvermögen sind seit 2009 explodiert. Bei Immobilien und Aktien konnte man sich bei geschickter Streuung gegen Reichtum kaum wehren, so sehr kletterten die Kurse. Gold und Silber waren aber ziemliche Flops. Und nun – bei steigenden Zinsen in den USA?
© Getty Images
An den Aktienmärkten kriselt es schon wieder. Jetzt heißt es: Entweder trennen oder sich darauf vorbereiten, wie lange ein Abschwung schlimmstenfalls dauern kann. Nadine Oberhuber über die richtige Krisenstrategie

Am Aktienmarkt ist es manchmal wie in Beziehungen: Schon seit einer Weile kriselt es und mit der allgemeinen Stimmung steht es nicht mehr zum Besten. Die Beteiligten haben sich auseinander entwickelt, irgendwie. Wie oder wo es seinen Anfang nahm, weiß keiner so genau, doch das Vertrauen untereinander ist nicht mehr da. Das spürt man. Dann kommt dieser eine unerwartete Moment, der den Riss zwischen beiden zum Vorschein bringt – so ähnlich ist es gerade an der Börse. Anfang der Woche zeigte sich die Vertrauenskluft zwischen Markt und Investoren deutlich: Für kurze Zeit sackten die großen Indizes im Gleichlauf weg. Deutsche, europäische, japanische und amerikanische Indizes knickten von Freitag bis Dienstag um rund drei Prozent ein. Das scheint nicht besonders viel, es war aber doch der zweitgrößte Markteinbruch des Jahres.

Schuld daran waren die verschärften Drohungen von US-Präsident Donald Trump, den Handelskrieg auszurufen und zwar nicht nur bei Stahlkonzernen und Autobauern sondern nun auch bei Technologiefirmen. Das zerstörte bei vielen Börsianern noch ein weiteres Stück Vertrauen, das der Markt so dringend benötigt hätte. Auf Zweiwochensicht verlor der deutsche Index damit insgesamt knapp sechs Prozent, der europäische Leitindex 5,6 Prozent. Das ist schon viel. Auf Jahressicht notieren nun beide im Minus.

Doch auch wenn es fast alle großen Indizes gleichzeitig traf – es ist inzwischen längst nicht mehr so, als ob sich die Aktien in den Indizes noch im Gleichlauf bewegten. Sondern die Kluft zwischen den einzelnen Papieren, Branchen und auch Regionen wird immer offensichtlicher: Aufs Jahr gesehen drifteten besonders die europäischen Werte bereits nach unten weg (minus drei Prozent). Die amerikanischen und japanischen Aktien dagegen befinden sich auf Jahressicht noch mit rund zwölf Prozent im Plus. Aber auch in diesen Indizes stecken viele Werte, die längst nicht mehr zu den Gewinnern gehören. Den Niedergang bekommen besonders stark die Pharmawerte diesseits des Atlantik zu spüren sowie der Automobilsektor (Daimler verlor auf Jahressicht 14 Prozent, Novartis 12 Prozent und Roche ebenfalls 14 Prozent).

Kursaufschwung beschränkt sich auf wenige Titel

Dagegen verbuchen die Technologiewerte immer noch satte Gewinne. Der deutsche TecDax stieg in den vergangenen zwölf Monaten ungeachtet des Dax-Niedergangs um 20 Prozent. Auch in den USA legten die IT-Aktien stark zu - bis zuletzt. Allerdings krachte der Nasdaq-100-Index seit der präsidialen Drohung vom Freitag ebenfalls um rund 200 Punkte ein, er erholte sich aber wieder etwas. Dennoch steht auf Jahressicht ein Plus von 21 Prozent unterm Strich.

Was Marktbeobachter aber inzwischen wirklich beunruhigt: Der große Kursaufschwung konzentriert sich vorwiegend auf einige wenige Titel: Während die üblichen Verdächtigen wie Netflix, Amazon, Adobe, Paypal, Facebook und Google weiter stark an Wert gewinnen (Netflix legte 140 Prozent zu, Amazon 65, Facebook trotz seiner Datenschutzproblematik noch stolze 26 Prozent), gab es unter den 100 Werten des Nasdaq immerhin 37 Papiere, bei denen auf Jahressicht ein Minuszeichen vor der Wertentwicklung steht. Teilweise verloren diese Werte sogar deutlich zwischen 30 und 47 Prozent. Das heißt, dass es inzwischen selbst im Markt der hochgejazzten Technologietitel längst nicht mehr einheitlich läuft.

Und selbst diese Branche spaltet sich – wie andere – nun deutlich in die Performer und die Non-Performer. Genau das ist es, was viele nun als warnendes Zeichen sehen. Denn genau diese starke Aufspaltung innerhalb von Regionen und Branchen ließ sich auch vor vorangegangenen Marktcrashs erkennen. Denn was in den Spätphasen eines Booms passiert, nachdem noch viele Anleger noch in den Markt geprescht sind, bevor sich die Stimmung dann schlagartig verschlechtert, ist klar: Dann wollen alle zuerst die stark hochgejubelten Werte der jüngsten Zeit plötzlich wieder verkaufen. Das führt zum Verstärkereffekt und zu einem enormen Kursverfall bei den zuletzt gut laufenden Aktien. Das wiederum löst eine allgemeine Marktpanik aus, die dann auch auf die übrigen und bis dahin trägeren Titel durchschlägt.

Es gebe somit weitere Belege dafür, dass ein größerer Absturz bevorstehe, mahnen Statistiker. Der bekannte Großinvestor John Paulson bezifferte jüngst die Wahrscheinlichkeit, dass es noch in diesem Jahr zu einem Kursminus von rund 15 Prozent komme, auf 50 zu 50. Das wäre ein relativ moderater Einbruch. Er könnte jedoch auch schnell größer ausfallen, warnen Analysten, weil unzählige automatisierte Handelssysteme und nicht zuletzt die vielen passiven Anlageprodukte dazu neigen, solche Abwärtseffekte kurzfristig zu verstärken. Denn sie folgen stets dem Trend und senden dann ebenfalls Verkaufssignale aus. Kurzfristig könnte es also turbulent werden und auch zu einem Kursrutsch jenseits der 15 Prozent kommen.

Wie tief fallen die Indizes?

Wie große Angst muss man nun vor diesem drohenden Absturz hegen? Wenn man in der Kategorie „Wertentwicklung“ denkt, sollte man derzeit schon größeren Respekt haben. Denn in den vergangenen Börsenabschwungphasen verlor dann ein Leitindex – über die gesamte Abschwungphase - im besten Fall 20 Prozent seines Wertes (gemeint ist der Performanceindex inklusive Dividendenzahlungen), im schlechtesten Fall sogar 83 Prozent. Das heißt: Vom Ursprungswert des Aktiendepots waren danach nur noch 17 Prozent übrig. So schlimm war es allerdings nur einmal und zwar im allerersten Abschwung der Auswertungen. Berechnet haben die Statistiker diese Werte beispielhaft für den amerikanischen Leitindex S&P 500 für sämtliche Börsenzyklen seit 1926. Alle späteren Abstürze ab den 1930er-Jahren fielen mit maximal 50 Prozent Wertverlust geringer aus. Berechnet man die jährliche Depotrendite in solchen Absturzphasen, so sieht die zwar etwas milder aus, mit minus 20 bis minus 47 Prozent ist sie aber dennoch erschreckend.

Doch wer aufmerksam gelesen hat, ahnt an dieser Stelle auch: Wenn der maximale Abschwung über den Gesamtcrash hinweg jeweils 30, 40 oder gar 83 Prozent betrug, die negative Jahresrendite aber verbreitet bei minus 20, minus 30, maximal bei minus 47 Prozent lag, dann können die Abschwünge nicht wahnsinnig lange gedauert haben. Und genau das ist der Fall: So hart diese acht Einbrüche auch waren, etwa die Hälfte von ihnen dauerte nur eineinhalb bis zwei Jahre. Nur ein Marktcrash – der allererste – dauerte 2,8 Jahre an und war damit der längste. Es gab aber auch drei Markteinbrüche, die nur drei oder sechs Monate lang hielten, bevor die Kurse wieder nach oben drehten. Als Einbruch definierten die Statistiker alle Börsenabschwungphasen, in denen der Index mehr als 20 Prozent verlor.

Nun kann man bei nur acht Ereignissen zwar schwer einen aussagekräftigen Mittelwert ermitteln, berechnet man ihn dennoch, so dauert ein Börsenabschwung im Durchschnitt 1,5 Jahre mit einem Wertverlust von 41 Prozent. Das ist natürlich herb, aber nur solange man innerhalb dieser Zeit gezwungen ist, das Depot anzugreifen. Hat man ein Jahr Zeit, das ganze Geschehen abzuwarten, so hätte man in fast der Hälfte der Fälle den Absturz weitestgehend ausgesessen, mit zwei oder drei Jahren Wartezeit erst recht. Innerhalb von zwei Jahren drehte in sechs von acht Crashphasen der Index wieder ins Positive.

Die guten Phasen überwiegen

Und mehr noch: Nach jedem Abschwung folgte natürlich nicht nur ein erneuter Aufschwung, sondern die Wertentwicklung in diesen Anstiegsphasen konnte sich auch sehen lassen: Die kürzesten Boomperioden dauerten dabei drei, vier, oder fünf Jahre und belohnten die Anleger mit einer Wertentwicklung von 100 bis 300 Prozent plus. Die längsten Aufschwungzeiten hielten 13, 14 oder sogar 15 Jahre an (kleinere Kurskorrekturen bis 20 Prozent mit eingerechnet) und brachten immerhin eine Performance von 800 bis 900 Prozent. Das heißt: Der Index verachtfachte oder verneunfachte sich in den längeren Anstiegsphasen. Gemessen daran könnte es auch sein, dass der jetzige Boom noch längst nicht ausgereizt ist. Selbst wenn eine zwischenzeitliche Kurskorrektur von 15 Prozent folgt.

Im Schnitt kamen die Anleger in den Boomjahren auf eine jährliche Wertentwicklung von 19,8 Prozent, also auf fast 20 Prozent Plus jedes Jahr. Und unterm Strich standen den 80 Jahren des Aufschwungs nicht einmal elf Abschwungjahre gegenüber. 10,8 Jahre um genau zu sein.

Das verdeutlicht auch, dass die Phase der guten Börsenjahre nicht nur erheblich länger ist als jene, in denen der Markt absinkt, sondern auch sehr renditeträchtig. So gesehen wiederum muss man einen möglichen Absturz um 20 bis 30 Prozent – für ein Jahr oder zwei – nicht arg fürchten. Weil man weiß, dass es danach meist wieder um knapp 20 Prozent pro Jahr aufwärts geht. Und je kürzer der nachfolgende Aufschwung in Jahren war, desto rasanter fiel er zumindest bisher aus, da waren auch schon mal 25 oder 34 Prozent Kursplus jährlich drin. Das lässt ebenfalls hoffen.

Die Suche nach dem richtigen Zeitpunkt

Natürlich sind das alles reine Vergangenheitsbetrachtungen. Zudem sind es Durchschnittsberechnungen. Genau genommen sagt das alles also wenig darüber, was beim nächsten Mal passieren mag. Es verdeutlich jedoch vor allem eines: Die Verlockung mag groß sein, sich gegen einen kommenden Crash zu wappnen, indem man sich vorauseilend vom Aktienmarkt zurückzieht. Die allerwenigsten Anleger jedoch gewinnen dadurch tatsächlich. Sie ersparen sich zwar im Ernstfall vielleicht einen 20 bis 40-prozentigen Wertverlust, falls sie den richtigen Ausstiegszeitpunkt tatsächlich treffen. Meist aber wiegen die entgangenen Gewinne schwerer, die sie erleiden, wenn sie zu früh aus einem Markt aussteigen, der noch nach oben strebt – oder wenn sie zu spät merken, dass die Kurse nach einem Absturz abrupt wieder nach oben schießen. Denn wer weiß schon, ob das schon nach drei oder sechs Monaten des Abwärtsdralls oder nicht doch erst nach zweieinhalb Jahren wieder der Fall ist?

Vorschlag zur Güte: Wer sich derzeit wirklich unbehaglich fühlt und die Aktienanlage eher als kurzfristige Lebensabschnittsgemeinschaft gesehen hat – und nicht als langfristigen Bund fürs Leben – und daher über eine Trennung nachdenkt, der sollte entweder wirklich Geld umschichten, sofern er demnächst größere Summen für andere Zwecke braucht. Wer weiter langfristig mit Aktien sparen will, aber „nur“ größere Angst vor einem Crash hat, der verkauft zumindest ein paar der gewagtesten Aktien in seinem Depot (das sind meist die, die er sich beim Aufschwung zuletzt zugelegt hat und die er in Krisenzeiten niemals kaufen würde). Aber nur, sofern er damit bereits einen Gewinn erzielt. Und er behält das gewonnene Geld in der Hinterhand. Das würde Warren Buffet tun.

Alle andere, die ihr Vertrauen in den Aktienmarkt vermutlich auch bei einem Absturz nicht verlieren werden, könnten jetzt darüber nachdenken, für ein paar Monate die Einzahlungen zu stoppen oder den Fondssparplan kurz anzuhalten – so bauen sie etwas Extracash auf für den Fall, dass die Kurse bald wirklich krachen. Kaufen, wenn die Kanonen donnern, heißt dann die Devise. Sobald die Börsenbarometer um mehr als 20 Prozent abgeraucht sind, steckt man das Geld wieder in den Markt. Am besten aber erst vier bis sechs Monate nachdem der Markt den Rückwärtsgang eingelegt hat. Dann sind die schlimmsten Wertverluste meist passiert - und schon nach sechs Monaten geht es gelegentlich wieder bergauf. Dann am besten auf die Aktienkandidaten schielen, die uns auch bei der Partnersuche am meisten reizen würden: gut aussehende Techaktien nachkaufen sowie Aktien solcher Firmen, denen Analysten das Potenzial zusprechen, unser aller Leben positiv zu verändern. Sie sind meist die ersten, die im nächsten Boom wieder aufsteigen. Wer es konservativer mag, der hält den beständigen und konservativen Unternehmen die Treue, die es bereits seit Jahrzehnten und Jahrhunderten am Markt gibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch die nächste Krise ohne größere Blessuren überstehen und in einer langfristigen Bindung nicht enttäuschen, ist enorm groß.

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