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Geldanlage Warum Anleger ihr Depot jetzt ausbalancieren sollten

Das Regierungschaos in Italien hat die Aktienmärkte verunsichert
Das Regierungschaos in Italien hat die Aktienmärkte verunsichert
© Getty Images
Trotz der politischen Verunsicherung geht es an den Märkten wieder bergauf. Anleger sollten sich aber nicht in falscher Sicherheit wiegen und die Zeit nutzen, ihr Depot krisenfest zu machen. Rebalancing heißt das Gebot der Stunde

Es scheint ein wenig so, als habe der Markt zuletzt nur ein paar Gleichgewichtsstörungen gehabt. Vor einigen Tagen jedenfalls schienen die Börsen noch arg aus dem Tritt geraten zu sein. Die Drohgebärden in Italien und der dräuende Handelskrieg mit den USA hatten die Börsianer verunsichert und viele aus dem Markt hinaus getrieben. In den vergangenen Tagen aber erholten sich viele Aktienindizes wieder von dem Knick. Auf Wochensicht ging es deutlich bergauf für den deutschen Leitindex Dax und den europäischen Eurostoxx, für den amerikanischen Dow Jones Index sowieso. War der Einbruch der Vorwoche also nur ein kurzer Wackler, der nichts daran ändert, dass es weiter stabil aufwärts geht? Ist also alles wieder in Balance? Das wüssten alle gern.

source: tradingeconomics.com

Es kommt darauf an, von welcher Warte aus man die Frage beantwortet: Philosophisch und psychologisch gesprochen ist Balance ein Zustand der seelischen Ausgeglichenheit. Damit allerdings dürften derzeit wohl nur die allerwenigsten Anleger, Profibörsianer und wenige Politiker wirklich gesegnet sein. Hält man es dagegen mit der Physik, so bezeichnet die Balance einen Zustand, in dem entgegengesetzte Kräfte für einen Augenblick lang gleich stark sind und dadurch ein fragiles Gebilde im Gleichgewicht halten. Anders ausgedrückt: Es kippelt mal für einen Moment lang nichts. So gesehen trifft das ziemlich exakt den derzeitigen Zustand. Von dem man aber auch weiß, dass er selten sehr lange anhält. Und einige Kräfte, die das Ganze bald wieder aus dem Gleichgewicht bringen könnten, lassen auch bereits wieder ihre Muskeln spielen:

In Amerika wird derzeit über eine mögliche Überhitzung der Konjunktur gesprochen. Zudem überlegen Marktbeobachter, ob der rasche Anstieg der Zinsen nicht doch ein wenig zu schnell vonstatten gehe. Europa beobachtet dagegen immer noch argwöhnisch die Regierungsbildung in Italien und hält das Aufziehen einer neuen Europakrise zumindest für nicht unwahrscheinlich. Es gibt aber auch Ökonomen, die solche Bedenken deutlich dämpfen. In Summe scheint derzeit ein Drittel der Bundesbürger laut Meinungsumfragen größeres Krisenpotenzial zu sehen, zwei Drittel tun es demnach nicht. Dafür schwächelt jetzt womöglich die deutsche Konjunktur. Die Auftragseingänge gingen laut neuesten Statistikzahlen im April zum vierten Mal in Folge zurück. Zwar ist der Auftragsbestand noch immer sehr hoch, doch solche Meldungen hat die erfolgsverwöhnte deutsche Industrie schon lange nicht mehr gehört. Neigt sich der Konjunkturzyklus nun also doch demnächst dem Ende entgegen, was viele zumindest für das laufende Jahr noch nicht so hatten prognostizieren wollen?

Ausgangsverhältnis von Aktien und Anleihen wiederherstellen

Wenn dem so wäre, dann würde das unweigerlich auch das baldige Ende des Aktienaufschwungs bedeuten. Denn jenseits aller politischen Krisen, die stets nur zu kurzfristigen Marktverwerfungen führen, ist die Konjunktur derjenige Faktor, der wirklich über das Auf und Ab an den Finanzmärkten bestimmt. Nun muss man nicht gleich mit dem schlimmsten rechnen, aber man kann trotzdem schon etwas tun, um sich auf diesen Fall einzustellen. Man sollte sich nämlich einmal das eigene Depot ansehen und wenigstens dort wieder für Balance sorgen. „Rebalancing“ heißt das Gebot der Stunde, mit dem Anleger einem möglichen Börsenabschwung entspannter entgegensehen können.

Dieses neue Austarieren heißt im Grunde nichts anderes, als sich anzuschauen, welchen Anteil die einzelnen Anlageklassen (Aktien und Anleihen oder Aktien und Cash) jeweils derzeit im Depot haben, und ob dieses Verhältnis noch jenem entspricht, für das man sich einst – entsprechend der eigenen Risikoneigung – entschieden hat. Falls nicht, sollte das Ausgangsverhältnis wieder hergestellt werden. Denn durch den Anstieg der Aktienkurse der vergangenen Jahre ist es sehr wahrscheinlich, dass der Aktienanteil im Depot inzwischen überproportional angewachsen ist. Und damit deutlich größer, als ursprünglich gedacht. Gerade diese hohe Aktienquote aber bedeutet zusätzliche Risiken, falls dann wirklich die Kurse fallen sollten. So belegte es erst jüngst eine Auswertung des unabhängigen Instituts für Vermögensaufbau. Das hatte sich die Auswirkungen des Kurzcrashs vom Januar dieses Jahres untersucht und festgestellt: Depots, in denen umgeschichtet wird, wenn die Ausschläge am Markt größer werden oder bestimmte Markt-Kennzahlen errecht sind, sind erheblich schwereren Verwerfungen ausgesetzt als jene, die regelmäßig wieder die Ursprungsverteilung der Anlageklassen herstellen.

Was nun kompliziert klingt, ist ganz einfach: Je nachdem wie risikobewusst ein Anleger ist, verteilt er sein liquides Vermögen auf mehrere Anlageklassen. Im einfachsten – und durchaus schon sehr effektiven – Fall also auf Aktien und Anleihen, wobei er für beide jeweils einen kostengünstigen Indexfonds (ETF) kauft. Ist der Anleger sehr vorsichtig, wählt er vielleicht ein Verhältnis von 80 bis 70 Prozent Anleihen und 20 bis 30 Prozent Aktien. Er investiert also zum Beispiel jeden Monat über einen Sparplan 70 Euro in einen Anleihen-ETF und 30 Euro in einen Aktien-ETF. Legt er dynamischer an, steckt er 60 Prozent in Aktien und 40 Prozent in Anleihen (was Finanzwissenschaftler übrigens als eine sehr gute Aufteilung ansehen). Ganz Mutige wählen 80 oder gar 100 Prozent Aktien und mischen maximal 20 Prozent Anleihen bei.

Generell gilt: Je höher der Aktienanteil, desto höher sind im Durchschnitt die langfristig zu erwartenden Renditen. Aber desto schwankungsanfälliger ist natürlich auch das Depot. Bei einem Börsencrash muss man damit rechnen, dass der Depotwert schnell und in größerem Umfang sinkt und es eine Weile lang dauert, bis die Kurse sich wieder auf den vorherigen Wert berappelt haben. Die Grundregel ist: Das muss man aushalten können! Denn wer im Crash hektisch verkauft, der fährt meist hohe Verluste ein. Nur wer einen Absturz aussitzen kann, bis sich die Kurse erholen, der kann auf lange Sicht mit einer Rendite jenseits der sechs Prozent pro Jahr rechnen, sogar deutlich.

Was passiert nun aber, wenn man jeden Monat kontinuierlich für 60 Euro Aktien kauft und für 40 Euro Anleihen? Amerikanische Analysten haben das vor einer Weile einmal für einen Zeitraum von 84 Jahren mit US-Aktien durchgerechnet, seit 1926 nämlich. Ihre Berechnungen endeten 2008, noch vor der jüngsten großen Finanzkrise, was aber nicht erheblich ist, wie eine Rechnung weiter unten zeigen wird. Das Ergebnis war Folgendes: In diesen 84 Jahren stiegen die Aktienkurse insgesamt enorm, wer also stumpf nach dem 60:40 Schema sparte, der fuhr über all die Jahre eine Rendite von rund 9,1 Prozent pro Jahr nur mit dem Aktienpaket ein, wenn er permanent investiert blieb. Durch die hohen Kurssteigerungen aber hätte er am Ende auch 99 Prozent seines Kapitals in Aktien vorgefunden, da die Anleihen ungleich weniger abwarfen. Nur ein Prozent des Depotwertes hätten also wirklich die Anleihen ausgemacht. Ein großes Missverhältnis.

Hätte er aber das Depot regelmäßig wieder so ausbalanciert, sodass das Anlageverhältnis stets 60 : 40 betragen hätte, hätte er sich die schlimmsten Kursstürze in den 30er und 70er Jahren sowie 2000, 2002 und 2008 erheblich ruhiger ansehen können, weil zumindest bei den letzten drei großen Crashs nicht das Gesamtdepot abgeschmiert wäre, sondern lediglich zwei Drittel davon an Wert verloren hätten. Eine Gesamtrendite von 8,5 Prozent pro Jahr hätte er dennoch erzielt. Also nur 0,6 Prozentpunkte weniger.

Einmal im Jahr das Depot ausbalancieren

Wie häufig man dazu die richtige Balance wieder herstellen muss, haben sich die Analysten auch angesehen: Wer es monatlich tut, der verschafft sich damit in erster Linie viel Aufwand und hohe Umschichtungskosten. Unterm Strich sind die Aktienquote und die Performance damit aber nur unwesentlich besser als beim jährlichen Rebalancing. Alternativ kann man auch dann eingreifen, wenn die Aktienquote – etwa durch eine Rallye – um mehr als fünf oder zehn Prozent gestiegen ist. Große Unterschiede bringt aber auch das nicht, im Schnitt nur einen Zehntelprozentpunkt mehr. Von daher ist der Jahresstichtag zum Depot-Ausbalancieren die einfachste Methode.

Wer aufmerksam gelesen hat, wird sich nun fragen: Warum soll ich mein Depot regelmäßig umschichten, nur um ein 60 : 40 Verhältnis beizubehalten, wenn ich doch mit dem aus-dem-Ruder-gelaufenen-Depot langfristig 9,9 Prozent Rendite erziele, mit dem ausbalancierten dagegen bloß 8,5 Prozent? Das muss man natürlich nicht. Und natürlich ist das Depot mit einem überbordenden oder gar 100-prozentigen Aktienanteil immer etwas gewinnträchtiger als eines, das auch einen größeren Anteil stabilerer Anleihen enthält. Das Argument fürs Ausbalancieren ist aber dieses: Während ein defensives Depot mit 70 Prozent Anleihen in den vergangenen 20 Jahren einen Maximalabsturz von knapp neun Prozent auf Jahressicht erlebt hätte, so hätte ein ausgewogener Anleger mit gut 60 Prozent Aktienanteil einen Verlust von rund 20 Prozent verkraften müssen. Bei 100 Prozent Aktien wären es sogar 30 Prozent Verlust gewesen. Zudem hätte die Abwärtsphase für den Defensivanleger im Schnitt drei Monate gedauert, im längsten Fall 14 Monate. Für den Offensivanleger aber wären es 14 Monate im Schnitt gewesen, im Längstfall sogar 23 Monate, bis die Kurse wieder nach oben gedreht wären. Das muss man erst einmal aushalten, ohne nicht doch ein paar Aktien voreilig zu verkaufen.

Zudem, so berechneten die Analysten auch, erzielten Anleger mit einem ausgewogenen Depot aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen gerade in den vergangenen Jahren zwischen 1996 und 2013 sogar einen Mehrertrag gegenüber 100-Prozent-Aktienanlegern. Denn in diese Zeit fielen gleich drei große Crashs, aber hier konnte sich der jüngste Wiederaufstieg noch nicht wirklich bemerkbar machen. Immerhin 0,27 Prozentpunkte standen daher die Gemischtanleger besser da als die Aktienverfechter. Und wer weiß schon, welche Marktphase als nächstes kommt?

Nervenstärke gefragt

Auf lange Zeit gesehen wird es wohl wieder mehr gute als schlechte Jahre geben. So war es zumindest in der Vergangenheit: In den 84 Jahren von 1926 bis 2008 fielen die Renditen des US-Index in 59 Jahren positiv aus und nur in 25 Jahren negativ. Die Quote liegt also bei eins zu vier. Zudem gab es sehr viele Jahre, nämlich 41, in denen die Gewinne bei über 15 Prozent und mehr lagen. Aber nur sechs Jahre, in denen die Verluste 15 Prozent oder mehr betrugen. Und eine Simulation von über 10.000 Kursverläufen über diverse 30-Jahreszeiträume ergab ebenfalls, dass auch Anleger ohne Rebalancing-Bemühungen in 70 Prozent der Fälle eine etwas bessere Rendite erzielten als die Ausbalancierer, nämlich 7,6 Prozent pro Jahr gegenüber 7,1 Prozent. Doch betrachtet man, mit welchem höheren Risiko sie diese Zusatzrendite erkaufen, dann raten Finanzwissenschaftler zumindest weniger Wagemutigen dazu, lieber die Balance zu suchen. Und übrigens auch jenen 100-Prozent-Aktienanlegern, die nicht nur in einen Index investieren, sondern gleich in mehrere. Auch bei solchen Portfolios sollte regelmäßig rebalanciert werden, weil dann nämlich die Gewinne insgesamt höher ausfallen.

Und so geht´s: Wer 60 zu 40 anlegt, also jeden Monat 60 Euro in Aktien und 40 Euro in Anleihen, aber am Jahresende feststellt, dass das Aktienpaket bereits 70 Prozent des Depotwerts ausmacht, die Anleihen aber nur noch 30 Prozent, der verkauft entweder zehn Prozent seines Aktienbestands und steckt das Geld in neue Anleihen. Oder, noch besser: Er steckt die erzielten Zinsen und Dividenden in Anleihen oder die nächsten ein bis zwei 100-Euro-Monatsraten komplett. So stärkt er jenen Teil des Depots, der an Balancewert verloren hat. zudem stockt er den Bondanteil aus dem Cash Flow auf, also ohne die gut laufenden Aktien abzustoßen. Denn wie sagen alte Börsenregeln: Gewinne soll man laufen lassen. Zudem spart das zusätzliche Transaktionskosten beim Verkauf und es verhindert überdies, dass Steuern für die Erträge aus dem Aktiengeschäft anfallen.

Stellt man derart zumindest jetzt noch die Balance im Depot wieder her, kann man den folgenden Monaten recht nervenstark entgegensehen. Und davon ausgehen, dass man im Ernstfall einen nicht ganz so großen Kurseinbruch erleidet oder sich das Depot zumindest schneller wieder daraus berappelt als es das mit der jetzigen Zusammensetzung täte. Zumindest das müsste doch jetzt stark zur seelischen Ausgeglichenheit beitragen. Oder?

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