Es gehört zu den alten Weisheiten der Börsianer: Sinkende Zinsen sind im Allgemeinen gut für Aktienkurse. Tatsächlich werden Aktien wertvoller, wenn – ceteris paribus – die Zinsen am Finanzmarkt nach unten gehen. Dabei wirken Zinsen in mehrfacher Weise auf die Bewertung von Aktien ein. Zunächst muss man sich vor Augen halten, dass der heutige Aktienkurs den kollektiven Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der zukünftigen Profitabilität des betreffenden Unternehmens entspricht. Um Vergleichbarkeit zu erreichen, werden erwartete künftige Gewinne auf den heutigen Tag abgezinst. Je niedriger der Abzinsungssatz ist, desto wertvoller ist der künftige Gewinnstrom.
Aber auch der Unternehmensgewinn selbst wird von der Zinshöhe beeinflusst. In der Regel, und mitunter aus guten Gründen, sind Unternehmen verzinslich verschuldet, sodass sie Zinszahlungen leisten müssen. Je niedriger die relevanten Zinsen sind, desto geringer die Zinszahlungen und umso höher der Unternehmensgewinn. Der mathematische Bruch der Barwertberechnung wird üblicherweise durch Zinssenkungen so tangiert, dass der Zähler steigt und der Nenner kleiner wird.
Überdies muss auch gesehen werden, dass langfristige Zinsanlagen den Hauptwettbewerber zur Aktienanlage darstellen. Entsprechend profitieren Aktien in der Asset-Allokation, wenn erwartete Anleiherenditen fallen. Während aber in den vergangenen Jahrzehnten ein intensiver Diskurs darüber tobte, ob Zinsanlagen Aktieninvestments vorzuziehen seien, so scheint sich diese Debatte inzwischen erledigt zu haben. Aktienanlagen rentieren in der langen Frist wesentlich besser als Zinsanlagen.
Beliebte Aktien schneiden kaum besser als Anleihen ab
Angesichts der aktuell niedrigen Realzinsen ist diese Feststellung sehr nachvollziehbar. Nur wird man im Auge behalten müssen, wie teuer viele Aktien sind. Ein Vergleich der Gewinnrendite von Unternehmen (Jahresüberschuss im Verhältnis zum Börsenwert) mit der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen zeigt vor allem bei beliebten amerikanischen Aktien, dass diese Aktien mitunter kaum besser abschneiden als Bonds. Diese, unter dem Namen „Fed-Modell“ bekannte, Herangehensweise wird auch von Warren Buffett, dem bekannten Investor aus Omaha, regelmäßig zur Beurteilung der Preiswürdigkeit von Aktienmärkten angeführt.
Während zehnjährige US-Staatsanleihen derzeit circa 4 Prozent Rendite abwerfen, liegt die Gewinnrendite bei Microsoft bei 3 Prozent und jene bei Nvidia bei 2,4 Prozent. Bei SAP beträgt die Gewinnrendite aktuell ebenfalls 2,4 Prozent. Eine Risikoprämie gegenüber Bonds gibt es folglich nicht, auch wenn man im Fall SAP die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe in Höhe von 2,75 Prozent zum Vergleichsmaßstab erhebt. Daher kommt alles darauf an, dass die genannten Aktiengesellschaften durch Gewinnwachstum in den nächsten Jahren in ihre hohe Bewertung hineinwachsen. Tun sie es nicht, droht Kummer.