Weniger als ein Prozent fehlte am Morgen des 16. September bei der Rheinmetall-Aktie, um das magische Kurslevel von 2000 Euro zu erreichen. Nicht Nvidia und auch nicht Alphabet waren genau an jenem Tag wieder meistgesucht an den Börsen, sondern der Rüstungskonzern.
Wie sehr Rheinmetall dabei von der Politik profitiert, zeigen die nackten Zahlen der Aktie. Sie sind eindrucksvoll. „88 Milliarden Unternehmenswert bringt Rheinmetall auf die Waage und beim Kurs-Gewinn-Verhältnis billigen die Investoren dem Konzern aktuell mehr als 100 zu und legen für 2026 die Messlatte mit einem KGV von über 40 hoch“, sagt Thomas Soltau vom Smartbroker, bei dem Rheinmetall auch Tag für Tag auf der Kursliste ganz oben steht. Vor exakt einem Jahr notierte die Aktie knapp unter 500 Euro und damit bei einem Viertel des gegenwärtigen Niveaus.
Rheinmetall ist dabei nicht das einzige Unternehmen, das vom Rüstungstrend in der Politik profitiert. Zuletzt ließ sich dies beispielsweise bei OHB beobachten. Der Nebenwert legte binnen einer Stunde um 20 Prozent im Kurs zu, als Verteidigungsminister Boris Pistorius 35 Mrd. Euro für Weltraum, Raumfahrt und entsprechende Abwehr in Aussicht stellte. Da kommt es einem Unternehmen gelegen, wenn es mit 1,5 Mrd. Euro bewertet ist und mancher spekuliert, dass ein oder zwei Milliarden durchaus bei OHB landen könnten.
Doch egal, ob OHB oder Rheinmetall. Egal wo – wenn die Kurse schnell steigen, dauert es nicht lange, bis die Diskussionen um die vermeintlich zu hohe Bewertung anfangen. Spannend ist dabei der Vergleich zu anderen Dax-Titeln. Denn vor wenigen Jahren war Rheinmetall ein Winzling in der deutschen Börsenlandschaft mit einem Marktwert unterhalb der 10-Mrd.-Euro-Grenze. „Mittlerweile ist der Rüstungskonzern doppelt so teuer wie beispielsweise Mercedes oder BMW und viermal so hoch im Unternehmenswert wie die Porsche AG oder Beiersdorf“, sagt Lars Reichel von der Börse München. Dort zeigt sich das gleiche Bild: Anleger lieben Rheinmetall und handeln sowohl Anlagepapiere als auch Hebelprodukte auf die Aktie.
Dax ist teuer
Doch es gibt auch Schattenseiten. Denn Aktien wie Rheinmetall tragen dazu bei, dass der Dax teuer ist. Anfang 2022 stand der Dax knapp unter seinem Allzeithoch von 16.000 Punkten. Zweieinhalb Jahre später sind es 50 Prozent mehr, gut 8000 Punkte. Eine stolze Bilanz, die jedoch nur auf den ersten Blick wie ein kollektiver Triumph wirkt. In Wahrheit ziehen wenige Schwergewichte den Karren, während viele andere Indexmitglieder bestenfalls als Statisten fungieren.
Die großen Treiber lassen sich klar benennen: Infrastruktur, Verteidigung, Finanzen – und als Solist SAP. Der Walldorfer Softwarekonzern allein steuerte 1600 Punkte zum Dax-Anstieg bei und verkörpert die Ausnahmeerscheinung eines ansonsten IT-schwachen Landes. Airbus und Rheinmetall reiten auf dem geopolitischen Aufrüstungszyklus, Siemens, Siemens Energy und Telekom stemmen die Infrastrukturwelle, während Allianz, Münchener Rück und Deutsche Bank für den Finanzschub sorgen.
Rheinmetall treibt Bewertungen im Dax
Verbunden damit haben sich auch die fundamentalen Rahmenbedingungen in den zurückliegenden Monaten deutlich verändert. So speist sich der Kursanstieg fast ausschließlich aus höheren Bewertungen, nicht aus steigenden Gewinnen. „Das Dax-KGV liegt mit 15 deutlich über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von 13. Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,8 signalisiert bereits robustes weltwirtschaftliches Wachstum“, so Thomas Soltau.
Am unteren Ende des Dax tummeln sich weiter die Autobauer mit einstelligen KGVs und daran dürfte sich mit Blick auf die Präsenz der Chinesen und der bei der IAA in München geäußerten Aussichten wenig ändern. Einst Schnäppchen, heute Ausdruck eines verlorenen Glaubens an nachhaltiges Gewinnwachstum. Einer weiteren Bewertungsexpansion sind somit Grenzen gesetzt. Für steigende Kurse sind höhere Gewinne aber unabdingbar.