Vera Saal übernimmt einen der härtesten, aber auch dankbarsten Personaljobs in der deutschen Industrie. Die 47-Jährige muss dafür sorgen, dass Rheinmetall weiter so schnell wachsen kann wie in den letzten Monaten. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Beschäftigten in dem Konzern um 17 Prozent gestiegen. Rheinmetall stellt quer durch alle Rüstungssparten ein – und das sowohl im In- als auch im Ausland. Neue Werke entstehen auf der grünen Wiese, alte Fabrikationslinien rüsten um. Saals Vorgängerin geriet in dieser Lage mit dem bärbeißigen Vorstandschef Armin Papperger aneinander und musste Hals über Kopf gehen.
Neue Jobs bei SAP, Rheinmetall, Eon – Entlassungen bei VW und Bayer
Selten waren die Personalvorstände in der deutschen Industrie gefordert wie heute. Konzerne wie MTU, Eon, Siemens Energy oder SAP bauen Jobs auch in schwieriger Konjunkturlage auf. Unternehmen wie Bayer, Infineon, Sartorius oder VW ziehen Entlassungen durch.
Bei Continental verließen allein im letzten Jahr 7,6 Prozent der Beschäftigten den Konzern, wie aus einer Übersicht des Wirtschaftsprüfers EY hervorgeht, die jüngst in der „FAZ“ veröffentlicht wurde. Unter dem Strich summierten sich die positiven Zahlen bei Unternehmen wie Rheinmetall und die negativen Zahlen bei Unternehmen wie Continental bis zur Mitte dieses Jahres zu einem Minus von einem knappen Prozent, wenn man sich die 40 größten deutschen börsennotierten Konzerne ansieht.
Die deutsche Industrie baut also kaum ab, sie baut vor allem um. Das ist erstaunlich in einer Zeit, in der Unsicherheit grassiert wie selten zuvor, Donald Trumps Zollkrieg den globalen Handel in den Grundfesten erschüttert und technologische Brüche aller Art Geschäftsmodelle tiefgreifend verändern. Mit anderen Worten: Viele große Industriekonzerne erweisen sich als deutlich resilienter als man nach dem ewigen Gejammer in der Öffentlichkeit vermuten sollte.
Mittelstand unter Druck
Allerdings sollte man die 40 Dax-Konzerne nicht mit der gesamten Volkswirtschaft verwechseln. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform ermittelte im Frühjahr bei einer Repräsentativumfrage alarmierende Zahlen aus dem deutschen Mittelstand: Jeder fünfte Betrieb beschäftigt danach heute weniger Mitarbeiter als vor einem Jahr. So einen schlechten Wert gab es zuletzt 2010 im Gefolge der Finanzkrise. Allerdings zeigt sich trotz dieses Befunds auch im Mittelstand ein widersprüchliches Bild: So geht die Zahl der Beschäftigten in vielen Handwerksbetrieben auch deshalb zurück, weil sich keine Bewerber finden, wenn Mitarbeiter in Pension gehen.
Mit knapp unter drei Millionen Arbeitslosen schlägt sich der deutsche Jobmarkt immer noch ziemlich gut. Kein Vergleich zur Lage vor 20 Jahren, als es fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland gab. Allerdings stagniert seit einer Weile die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Einige Branchen – man denke an das Gastgewerbe – suchen händeringend Personal. Andere Branchen – zum Beispiel die Autozulieferer – bauen sehr viel Personal ab.
Ob die Zahl der Arbeitslosen künftig weiter wächst, hängt also nicht nur von der Konjunktur ab. Es geht auch um die Flexibilität der Leute, die Jobs suchen. Und damit sieht es in Deutschland eher schlechter aus als in vielen anderen Ländern.