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Märkte Regierungssturz in Frankreich: Anleger verlangen jetzt Risikoaufschlag

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
© JEANNE ACCORSINI / Picture Alliance
Nach dem Misstrauensvotum gegen Frankreichs Premierminister Bayrou ist die Regierung erneut gestürzt. Wird das Land nun sogar zum Risiko für die Finanzmärkte? Das sagen Experten

Der Zusammenbruch der französischen Regierung hat an den Finanzmärkten am Dienstag für wenig Widerhall gesorgt. Im Gegenteil: Der französische Leitindex CAC 40 legte nach Börsenstart in Paris sogar um 0,7 Prozent zu. Auch die viel beachteten Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten hielten sich weitgehend stabil. Anleger hatten das Scheitern von Premierminister François Bayrou in der Vertrauensfrage im Parlament offenbar bereits erwartet. Bayrou kündigte an, seinen Rücktritt einzureichen.

In Deutschland zeigten sich Anleger noch vorsichtig. Der Dax notierte am Morgen mit 23.805 Punkten nahezu unverändert. Größter Dax-Verlierer war zum Mittag die Commerzbank mit einem Kursrückgang von bis zu 4,6 Prozent. Auf die Stimmung drückte allerdings weniger das Ereignis in Frankreich als eine wiederholte Herabstufung der Aktie. 

Ungeachtet der verhaltenen Marktreaktionen zeigen sich Analysten von den politischen Entwicklungen in Frankreich alarmiert. „Mit der nun startenden politischen Hängepartie wird das Schuldenproblem der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone nicht kleiner“, sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Broker CMC Markets. Dennoch fänden die französischen Staatsanleihen weiterhin Käufer. „Das strahlt die notwendige Ruhe aus, um den Dax nach seinem Absturz weiter zu stabilisieren.“

Gefahr an Anleihenmärkten nicht gebannt

Frankreich steckt mit einer Schuldenquote von 114 Prozent der Wirtschaftsleistung, einem Defizit von 5,8 Prozent und insgesamt rund 3,3 Billionen Euro Schulden tief in den roten Zahlen. Bereits im Sommer hatte die EU-Kommission ein Defizitverfahren eingeleitet. Mit dem Rücktritt Bayrous und der anstehenden Entscheidung von Präsident Emmanuel Macron über die Nachfolge gerät nun auch die Konsolidierungspolitik ins Stocken.

Nach Einschätzung von Laura Cooper, Senior Macro Strategist bei Nuveen, stehen schwierige Verhandlungen bevor. „So oder so wird die Defizitpolitik schwieriger“, sagte sie. Besonders aufmerksam verfolgen Investoren den sogenannten Spread zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit. Dieser Abstand zeigt, wie viel mehr Zinsen Frankreich im Vergleich zu Deutschland zahlen muss, um sich frisches Geld am Markt zu leihen. „Der Abstand bleibt nahe dem höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt“, so Cooper. Sollte der Markt davon ausgehen, dass Frankreich künftig noch großzügiger Geld ausgibt, könnte sich der Aufschlag weiter vergrößern – auf bis zu ein Prozentpunkt. Das würde Frankreichs Kreditaufnahme zusätzlich verteuern.

Joachim Schallmayer von der Dekabank verweist darauf, dass die Märkte die Entwicklung lange eingepreist hätten. „Entsprechend unaufgeregt verlief der Handelsverlauf bei französischen Staatsanleihen zum Wochenstart“, sagte der Leiter Kapitalmärkte und Strategie. Gleichwohl bleibe Frankreich unter genauer Beobachtung: „Die hohen Schuldenstände in Kombination mit den hohen laufenden Haushaltsdefiziten und der Unfähigkeit, einen Richtungswechsel herbeizuführen, stellen keine Grundlage für eine nachhaltige Entspannung dar.“

Frankreich droht Herabstufung

Auch Dario Messi, Anleiheanalyst bei Julius Bär, rechnet kurzfristig nicht mit Turbulenzen. „Wir gehen nicht davon aus, dass die Anleihemärkte aus der Bahn geraten werden“, sagte er. Zwar bleibe die Unsicherheit wegen der fragilen Mehrheitsverhältnisse hoch, doch die politische Prämie sei bereits in den Kursen enthalten. Ähnlich argumentiert Peter Goves von MFS Investment Management: „Die OAT-Bund-Spreads waren bereits vor der Vertrauensfrage stark gestiegen. Bislang war die Reaktion des Marktes recht verhalten.“

Trotz der stabilen Kurse sehen Investoren die politische Krise in Frankreich nicht als erledigt an. „Die aktuelle Lage ist sehr unbeständig, und die weitere Entwicklung wird die Haltung der Anleger in den kommenden Tagen bestimmen“, sagte Goves. Am Mittwoch drohen Streiks, zudem schwebt die Gefahr einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit über dem Land.

Mit Agenturen

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