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Vorsorge Pensionen in Gefahr?

Symbolbild: Rentner
Symbolbild: Rentner
© dpa
Die Finanzaufsicht warnt vor der ernsten Lage vieler Pensionskassen. Beschäftigte müssen nicht gleich um ihre Ansprüche bangen. Sie sollten sich aber ganz andere Fragen stellen

Wenn sich die Finanzaufsicht Bafin öffentlich „Sorgen macht“, so wie dieser Tage, dann sollte man schon einmal genauer hinhören. Normalerweise üben sich nämlich die Aufsichtsmitarbeiter eher in demonstrativer Zurückhaltung und Gelassenheit, man kann sie also wirklich nicht des übertriebenen Alarmismus´ bezichtigen. Gerade deshalb klingt es besonders dramatisch, wenn die Behörde jetzt sagt, bei den Pensionskassen sei die Lage heute noch ernster als bereits vor zwei Jahren. Sie habe einige von ihnen unter besondere Beobachtung gestellt. Unter „Manndeckung“, so nennt die Bafin das, denn „ohne zusätzliches Kapital von außen werden einige Pensionskassen nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können“, so warnte Exekutivdirektor Frank Grund. Zwei Kassen stehen dem Vernehmen nach unmittelbar vor Kürzungen, also vor Problemen. Und wollen wohl ihre Bestände abstoßen. Welche es sind, sagt die Bafin an solchen Stellen natürlich nicht. Aber heißt das nun gleich, wie einige Medien titelten: Die Betriebsrenten sind in Gefahr?

Natürlich nicht. Jedenfalls nicht so grundsätzlich.

Man muss die großen Zahlen ansehen: Zunächst einmal sind Pensionskassen hierzulande nur einer von fünf Durchführungswegen, auf dem die betriebliche Altersversorgung (bAV) möglich ist. Das Geld der deutschen Betriebsrentner und Betriebsrentenanwärter steckt – neben den Pensionskassen – auch in Pensionsfonds, Direktversicherungen, Unterstützungskassen und in Direktzusagen des Arbeitgebers, also in den Unternehmen selbst. Längst nicht alle Firmen haben die Verwaltung ihrer bAV-Verträge also in solche Pensionskassen ausgelagert, die im Grunde spezielle Lebensversicherer sind, die sich auf betriebliche Rentenversicherungen spezialisiert haben und meist die Verträge mehrerer größerer Unternehmen betreuen.

Es gibt insgesamt rund 20,4 Millionen bAV-Verträge hierzulande und geschätzt rund 18 Millionen Versicherte, denn einige Beschäftigte haben durch einen Arbeitgeberwechsel gleich mehrere Verträge. Der öffentliche Dienst mit seinem verpflichtenden bAV-System macht davon 5,4 Millionen Verträge aus. Der Rest gehört zum privatwirtschaftlichen Bereich, bei dem die Beschäftigten meist die Wahl haben, einen Vertrag abzuschließen, es sei denn der Tarifvertrag sieht es anders vor. Von diesen Verträgen werden rund 4,8 Millionen Policen von Pensionskassen verwaltet – um sie geht es hier. Sie horten rund 165 Milliarden Euro Kapital für künftige Betriebsrentner, das sind etwa 34.000 Euro pro Vertrag. Und es entspricht etwa 26 Prozent der Kapitalanlagen der betrieblichen Altersvorsorge, jeder vierte Euro aus bAV-Verträgen steckt also in einer Pensionskasse. Der Durchführungsweg ist beliebt, weil die Verträge günstigere Gruppenkonditionen erhalten und meist höher verzinst sind als private Rentenpolicen.

Ebenfalls 4,7 Millionen Verträge sind direkt an die Unternehmen gebunden, sie beinhalten also Direktzusagen der Firmen oder laufen über Unterstützungskassen. In diesen Firmenverträgen ist allerdings der Großteil des Gesamtkapitals gebunden, nämlich rund jeder zweite bAV-Euro allein in den Direktzusagen. Insgesamt sind es rund 329 Milliarden Euro, das entspricht einer Summe von rund 70.000 Euro je Versichertem. Die zahlenmäßig größte Gruppe bilden mit 5,1 Millionen die Direktversicherungen. Sie erfreuen sich erst seit einigen Jahren zusehends größerer Beliebtheit. Dabei schließt ein Arbeitgeber einfach eine einzelne Rentenversicherungspolice für seine Angestellten bei einem Versicherer ab, zu günstigeren Gruppenkonditionen. Doch in diesen 5,1 Millionen Verträgen ist nur recht wenig Geld gebunden nämlich rund 61 Milliarden Euro laut Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba). Pensionsfonds bilden mit rund 400.000 Verträgen und 32 Milliarden Euro Kapital das Schlusslicht.

Nun geht es also um jenes Viertel des Kapitals, rund 165 Milliarden Euro, die von insgesamt 137 Pensionskassen verwaltet werden. Sie sollen im Sinne der Betriebsrentner das Geld vermehren. Doch zu ihnen stellt die Bafin fest, dass sie durch die Niedrigzinsphase immer größere Schwierigkeiten haben, noch auskömmliche Renditen zu erzielen. Im Schnitt haben sie den Betriebsrentenanwärtern über alle Altverträge hinweg garantierte Renditen von 3,2 Prozent versprochen. Zuletzt aber lag die Nettorendite, die sie mit der Anlage ihrer Gelder erzielten, bei durchschnittlich 3,9 Prozent laut aba. Viel Spiel haben sie also nicht. Und man kann davon ausgehen, dass einige der 137 Unternehmen mehr Rendite erwirtschaften und ihre Garantieversprechen deshalb leichter einhalten können, während andere schon jetzt nur noch das verdienen, was sie ausschütten müssen – oder sogar weniger.

Bei jedem dritten Unternehmen schaut die Bafin derzeit genau hin, sagt sie, also bei rund 46 Pensionskassen. Das sind diejenigen, die unter „Manndeckung“ stehen und die nach Bafin-Angaben rund zehn Prozent der Deckungsrückstellungen bündeln. Bei zehn Prozent aller Kassen, also bei 13 oder 14 Unternehmen soll die Lage sogar „sehr ernst“ sein. Von zwei Kassen heißt es, dass sie ihre Bestände gern verkaufen und in den Run-Off schicken würden, wenn die Bafin dem zustimmt. Ihnen erscheint das Geschäft schon jetzt nicht mehr einträglich. In solchen Fällen werden die Bestände an Fremdinvestoren verkauft, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie es kostengünstiger weiterführen können und es langfristig abwickeln. Man kennt das aus dem Lebensversicherungsbereich. Für die Kunden heißt das meist: Die Verträge bestehen fort und werden auch weiter verzinst, allerdings fallen die Renditen in aller Regel geringer aus.

Bereits zuletzt hatten 17 Pensionskassen den Rentenfaktor gekürzt, das bedeutet, dass künftige Rentner geringere Auszahlungen erhalten werden als bisher gedacht. Nun ist es allerdings seit einigen Jahren ohnehin so, dass in den meisten Neuverträgen keine Auszahlungssummen mehr genannt werden oder konkrete Zinsgarantien. In vielen Altverträgen und besonders bei Direktzusagen der Unternehmen war das noch so. Die garantierten dann etwa: Wenn der Mitarbeiter in Rente geht, bekommt er 10 Euro Zusatzrente für jedes Jahr der Firmenzugehörigkeit. Heute steht oft nur noch eine Beitragszusage im Vertrag. Im Klartext: Der Arbeitgeber verpflichtet sich, einen bestimmten Beitrag monatlich in den Vertrag zu stecken. Was am Ende als Rente herauskommt, muss der Mitarbeiter abwarten.

Was ist nun aber, wenn eine Firma ihren Mitarbeitern eben jene festen Zusagen gemacht hat und es viele Verträge mit festen Zinsgarantien gibt – es der betreffenden Pensionskasse so schlecht ginge, dass sie solche Zusagen nicht mehr einhalten könnte? Ginge dann die Pensionskasse pleite und die Betriebsrenten wären in Gefahr? So schnell geht es nicht. Zuerst einmal haften dann die Arbeitgeber dafür, dass die Betriebsrentenzusagen eingehalten werden. Die Unternehmen müssten also Geld zuschießen und die Pensionskasse stützen, damit die Betriebsrenten in ausreichender Höhe gezahlt werden können. So hat auch das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden: Bei Leistungskürzungen der Pensionskasse muss der Arbeitgeber dafür einstehen. Das macht nun jedoch gerade viele kleine und mittlere Unternehmen nervös. Deshalb war bereits im Gespräch, ob diese Regelung gekippt werden soll. Da die Hälfte der Pensionskassen als Aktiengesellschaft eingetragen ist, sind auch die Aktionäre notfalls in der Pflicht. Sie müssten auf Zahlungen verzichten (Dividenden), damit den Rentnern nicht das Geld gekürzt wird. Zudem sind 20 Kassen Mitglied in der Auffanggesellschaft Protektor, die als Rettungsschirm für notleidende Versicherungsunternehmen einspringt. Dann müssen alle Portektor-Mitgliedsunternehmen einen Beitrag leisten, um die kriselnde Pensionskasse zu stützen. So weit müsste es aber erst einmal kommen.

Man kann aber eine ganz andere Rechnung aufmachen: Laut Branchenkennern haben die Pensionskassen viel länger als andere Lebensversicherungsunternehmen noch mit hohen Garantiezinsen arbeiten dürfen, unter den Augen der Finanzaufsicht. Zudem sagt der Branchenverband aba selbst, die betrieblichen Altersvorsorgegelder seien bei ihnen zu 40 Prozent in Investmentanteilen angelegt, zu 26 Prozent in Namensschuldverschreibungen sowie in Schuldscheinen und Darlehen. Nur 13 Prozent des Kapitals steckten in festverzinslichen Papieren. Damit wäre das Geld weitaus flexibler und eigentlich renditeträchtiger angelegt als bei den Lebensversicherern selbst, die eine viel höhere Zahl von Festverzinslichen in ihren Depots horten. Und wieso haben die Pensionskassen dann trotzdem so wenig Rendite erzielt?

Aus Anlegersicht sieht die Rechnung so aus: Angeblich bekommen ja männliche Betriebsrentner Auszahlungen in Höhe von 590 Euro pro Vertrag. Es klingt also nach enorm viel, was da monatlich auf dem Spiel steht. Und es scheint so, als brächte die bAV auch den Einzahlern satte Renditen. Das ist jedoch eine verzerrte Durchschnittsberechnung, im Detail lauten die Zahlen: 43 Prozent der männlichen Betriebsrentner beziehen höchstens 200 Euro monatlich aus so einem Vertrag. Mehr als jeder Vierte sogar weniger als 100 Euro. Bei den Frauen sind es sogar 41 Prozent, die höchstens 100 Euro bekommen und satte 66 Prozent liegen unter 200 Euro Auszahlungen. Wie dennoch die hohe Durchschnitssumme zustande kommt? Weil es sehr wenige gibt, 22 Prozent der männlichen Betriebsrentner nämlich, die daraus sogar 700 Euro und mehr beziehen. Das dürften die absoluten Topverdiener sein, die in der Vergangenheit in gut dotierte und rentierliche Verträge einzahlten. Das künftige Generationen ähnlich viel Geld aus solchen Verträgen herausbekommen, scheint angesichts der aktuellen Zahlen höchst unwahrscheinlich.

Nun wird gern gesagt, die bAV erleichtere das Vorsorgesparen, indem Mitarbeiter über die Entgeltumwandlung steuerfrei und frei von Sozialabgaben Geld zurücklegen können. Stimmt, doch dafür tragen sie in der Rentenphase ebenfalls die volle Abgabenlast für die Kranken- und Pflegeversicherung. Zudem schmälert das kleiner Brutto später ihre gesetzliche Rente. Und die Betriebsrentenzahlungen werden später noch besteuert. Deshalb fragen viele Rentenexperten, ob die Betriebsrente in der bisherigen Form überhaupt lohnt. Es locke aber noch ein Zuschuss vom Arbeitgeber, ergänzen dann klassischerweise die Betriebsrentenverfechter. Bisher zahlten in rund jeden zweiten bAV-Vertrag Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam ein. Oft trugen auch die Mitarbeiter die Beiträge alleine über die Entgeltumwandlung. Ihren Arbeitgebern ersparte das Sozialabgaben, die jedoch gaben von dieser Ersparnis oft nichts weiter. Nun hat der Gesetzgeber aber nachgebessert, deshalb soll sich das ändern:

Ab 2019 wird ein Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 Prozent zum umgewandelten Geld zur Pflicht für Neuverträge. Ab 2022 soll er auch für Alterverträge gelten. Allerdings sei längst nicht ausgemacht, dass alle Versicherungen problemlos das zusätzliche Aufstocken eines Vertrages um den 15-prozentigen Arbeitgeberanteil mitmachten, sagen Marktanalysten. Notfalls müssten neue Verträge für den Arbeitgeberzusatzbeitrag abgeschlossen werden – der dann wieder extra kostet. Abschluss- und Verwaltungskosten fallen also an.

Nun sind schon jetzt die Einzahlungen – und Auszahlungen – bei solchen Verträgen klein. Im Schnitt sind es rund 84 Euro pro Kopf und Monat, die in Pensionskassenverträge fließen, laut aba-Statistiken. Und rund 243 Euro kommen derzeit pro Versichertem heraus. Das entspricht ungefähr dem, was ein Betriebsrentenanwärter nach 30 Jahren Einzahlung bei einem Beitrag von 180 Euro im Monat über die Entgeltumwandlung herausbekommt (wovon er nur 100 Euro aus seinem Netto beigetragen hat), wenn seine Versicherung eine zweiprozentige Verzinsung schafft. Aber: Von diesen knapp 250 Euro bleiben dem Rentner nach Steuern, Sozialabgaben und wegen der geringer ausfallenden gesetzlichen Rente am Ende nur rund 130 Euro zusätzlich übrig. Die Einzahlungen hätten sich demnach für ihn gelohnt, wenn er mindestens 91 Jahre alt wird. Erst dann hat er so viel Geld herausbekommen, wie er zuvor eingezahlt hat.

Hätte er die 100 Euro im Monat auf eigene Faust in einen Sparplan mit zwei Prozent Zinsen gepackt, hätte er am Ende ein Kapital von 49.200 Euro auf der Hand. Er könnte daraus 214 Euro entnehmen (bei einer Weiterverzinsung von 2 Prozent), bis er 91 Jahre alt ist und hätte noch 41 Euro gesetzliche Rente mehr im Monat. Also rund 250 Euro insgesamt, von denen ihm nach Abgaben rund 220 Euro bleiben müssten. Würde er das Geld mit einem Fondssparplan vermehren bis zur Rente mit sechs Prozent Rendite, kämen sogar 97.900 Euro dabei heraus. Damit ließen sich – wenn die mit nur zwei Prozent weiter verzinst werden – satte 426 Euro Zusatzrente finanzieren. Nun sagen die Kritiker: Ja, wenn alles gut geht und der Kapitalmarkt hält. Aber das kann man ja wohl für die 82 Euro aus der Betriebsrente und für die Pensionskassen wohl genauso sagen.

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