Nun ist es offiziell: Die französischen Konzerne Kering und L'Oréal arbeiten enger denn je im Bereich Beauty und Wellness zusammen. Nach bisher unbestätigten Berichten der Nachrichtenagentur Reuters und dem „Wall Street Journal“, wonach Kering einen Komplettverkauf seiner Kosmetiksparte für rund 4 Mrd. US-Dollar erwäge, gaben die Luxusgiganten nun die Einzelheiten des Verkaufs bekannt: Demnach erwirbt L'Oréal von Kering das traditionsreiche Parfümhaus Creed (u. a. „Aventus“), das Kering erst im Juni 2023 für eine von Experten als deutlich überhöht kritisierte Summe von 3,5 Mrd. Euro erworben hatte. Bei den Anlegern kam die Entscheidung gut an, der Kurs von Kering stieg am Montagvormittag zeitweise um mehr als fünf Prozent.
Außerdem sind exklusive Lizenzen mit 50-jähriger Laufzeit für die Produktion und den Vertrieb von Düften, Make-up und Schönheitspflege der Kering-Marken Bottega Veneta und Balenciaga Teil des Deals in Höhe von 4 Mrd. Euro. Zusätzlich werden Gebühren für die Markennutzung gezahlt. Auch die Beauty-Welt von Gucci gehört zu dem Paket, allerdings erst nach dem Ende der bisherigen Zusammenarbeit mit L'Oréal-Konkurrent Coty – ein Unternehmen übrigens, das sich Branchenkennern zufolge ebenfalls damit beschäftigt, neue Ordnung ins Portfolio zu bringen. Vermutlich für einen Teilverkauf der Sparte.
Luca de Meos erste Amtshandlung bei Gucci-Mutter Kering
Der Verkauf von Kerings Parfümsparte ist die erste größere Amtshandlung des seit September verantwortlichen Kering-Chefs Luca De Meo. Der ehemalige Renault-Boss muss Kering von einer Nettoverschuldung in Höhe von 9,5 Mrd. Euro herunterbringen und zugleich Guccis besonders in China lahmendes Geschäft ankurbeln. Die Berufung von Demna Gvasalia als neuem Creative Director des Modehauses war eine weitere Maßnahme dieser Strategie. De Meo betonte in einer Pressemitteilung die großen Chancen, die eine Bündelung der Kräfte mit Marktführer L'Oréal den eigenen Modemarken im Bereich Beauty und Wellness bieten würden.
Zugleich ist die Entscheidung aber auch das Eingeständnis, dass für Kering der erst 2023 systematisch betriebene Aufbau einer Kosmetiksparte angesichts der aktuellen gravierenden Schwierigkeiten schlicht eine Baustelle zu viel ist. Es dürfte sich im Nachhinein als ein Geschäft entpuppen, auf das kräftig draufgezahlt werden muss: Das Creed-Investment von 3 Mrd. Euro und der nun vereinbarte Paketpreis von 4 Mrd. Euro könnte erhebliche Abschreibungen erforderlich machen. Als nächstes, so heißt es aus Branchenkreisen, beäuge Luca De Meo das Brillen-Business von Kering, das bereits sein Vorgänger Francois-Henri Pinault infrage gestellt hat.
L'Oréal soll Parfümsparte groß machen
2024 setzte Kering Beauté (u. a. Yves Saint Laurent) 323 Mio. Euro um, gemessen am Gesamtumsatz des Jahres von 17,2 Mrd. Euro eher ein kleiner Posten. Aber: Während die Modesparte deutliche Rückgänge zu verzeichnen hat, wuchs das Duft- und Kosmetikgeschäft im ersten Halbjahr 2025 um neun Prozent. Dieses Potenzial zu heben, damit fühlt man sich bei Kering jedoch aktuell überfordert und delegiert die Aufbauarbeit an Branchenprimus L'Oréal. Der Konzern dürfte insbesondere daran interessiert sein, die Palette der dekorativen Kosmetik (Lippenstifte, Lidschatten) für Gucci stark zu erweitern und für Balenciaga oder Bottega Veneta neu zu lancieren. Ein lohnendes Geschäft, sonst hätten Marken wie Hermès, Rabanne (Teil des Puig-Konzerns) und jüngst Louis Vuitton sich dort nicht hineingewagt. Mit der Marke Creed, so L'Oréal-CEO Nicolas Hieronimus, könne sich sein Unternehmen als führender Anbieter von Nischenparfums positionieren.
In der schönen Industrie der Eau de Parfums und Puderdosen, für die 2025 ein Umsatz von 62,1 Mrd. Dollar in Aussicht steht, wird L'Oréal durch das Joint Venture mit Kering mehr und mehr zu einem Giganten, den mancher Player durchaus fürchtet. Sollte sich Coty wirklich schlanker aufstellen wollen, dann stünden dort bald unter Umständen noch die Lizenzmarken Hugo Boss, Burberry und Jil Sander zum Verkauf. Währenddessen wächst der Druck auf L'Oréal-Konkurrenten wie Estée Lauder (u. a. Tom Ford), das sein Parfum-Engagement derzeit hochfährt; und auf Puig (Jean Paul Gaultier, Carolina Herrera), wo man Insidern zufolge ebenfalls an Kering Beauté interessiert war und in jüngster Vergangenheit bereits Lizenzen für Valentino, Prada und Miu Miu an L'Oréal verlor.
Auch Giorgio Armani spielt noch eine Rolle: Nach dem Willen des kürzlich verstorbenen Modedesigners und -unternehmers sollen binnen 18 Monaten nach Vollstreckung des Testamentes die ersten 15 Prozent seines Imperiums veräußert werden – an LVMH, EssilorLuxottica oder L'Oréal, das ohnehin bereits die Duft- und Kosmetiklizenz hält.