Kolumne Wie man 9,7 Milliarden Menschen ernährt

Benedikt Herles
Benedikt Herles
© PR
Den Speiseplan von künftig knapp zehn Milliarden Erdenbürgern werden wir nicht ohne mikrobiologische Innovationen und neue Formen der industriellen Landwirtschaft füllen können. Benedikt Herles über Vertical Farming und „Impossible Burger“

„Wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten“ – die alte Bibel-Weisheit könnte auch Leitspruch eines Start-ups mit dem passenden Namen Plenty sein. Das aus San Francisco stammende Unternehmen sammelte seit seiner Gründung im Jahr 2014 über 225 Mio. Dollar Venture Capital ein, unter anderem vom japanischen Technologie-Konzern Softbank und vom Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Plenty baut Gemüse an. Und das vertikal. Beim sogenannten Vertical Farming wird das Grünzeug nicht unter freiem Himmel in Erde, sondern in Räumen oder Hallen und mithilfe spezieller Hydrokulturen gezüchtet. Lichtspektren aus LED-Lampen ersetzen die Sonne. Der Pflanzenanbau erfolgt auf mehreren Etagen übereinander. 20 bis 30 Ernten werden so möglich, und das bei einem um 95 Prozent niedrigeren Wasserverbrauch. Vertikales Farming könnte zu einer landwirtschaftlichen Schlüsseltechnologie der kommenden Jahrzehnte werden. China geht mal wieder vorweg. Plenty plant den Bau von bis zu 300 sogenannter Indoor-Farmen in der Volksrepublik, wo viel Ackerland durch Pestizide und Schwermetalle belastet ist.

Zu Ende gedacht...

Benedikt Herles Buch "Zukunftsblick" ist im Droemer Verlag erschienen
Benedikt Herles Buch "Zukunftsblick" ist im Droemer Verlag erschienen

Die Vereinten Nationen erwarten für 2050 eine Weltbevölkerung von rund 9,7 Milliarden Menschen. Das heißt im Umkehrschluss: Bis zur Mitte des Jahrhunderts knurren über zwei Milliarden Mägen mehr. Doch mit einer einfachen Expansion der globalen Nahrungsmittelproduktion wird es nicht getan sein. Denn gleichzeitig muss der Ressourcenverbrauch des Sektors drastisch reduziert werden. Landwirtschaft ist heute weltweit für fast ein Viertel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Klima-Killer Kuh.

Hinzu kommen weitere Probleme: Eine sich beschleunigende Urbanisierung, die Überfischung der Meere und natürlich das dramatische Artensterben der letzten Jahre. Industrielle Feldarbeit schadet der Biodiversität. Die Zukunft des Honigs emotionalisiert auf breiter Front. „Rettet die Bienen“, ein bayerisches Volksbegehren für mehr gesetzlichen Schutz der Artenvielfalt konnte bis letzte Woche Unterschriften von über 18 Prozent aller Wahlberechtigten des Freistaats sammeln. Das Schicksal der Insekten wird zum Politikum.

Dabei ist klar: Nur mit bahnbrechenden technologischen Neuerungen entlang der gesamten Food-Wertschöpfungskette kann eine nachhaltige Ausweitung der Nahrungsmittelversorgung gelingen. Wie immer gehen die wichtigsten Impulse von Start-ups aus. Fast 400 Mio. Dollar flossen zum Beispiel in die im Silicon Valley beheimatete Firma Impossible Foods. Investoren sind unter anderem Bill Gates und Temasek, der Staatsfonds der Regierung von Singapur. Das Unternehmen stellt Fleisch und Käse mithilfe von Pflanzenproteinen her. In den USA servieren mittlerweile Hunderte von Restaurants den „Impossible Burger“, einen Hamburger, an dessen Herstellung keine Rinder beteiligt waren. (auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas wurde eine neue Produkt-Generation vorgestellt: Der Impossible Burger 2.0). Natürlich ist Veggie-Fast-Food Lifestyle. Aber die dahinter stehende Innovation kann mehr.

Ernährung ohne Proteine geht nicht

Die Biologie des Homo Sapiens wird sich nicht ändern. Ernährung ohne Proteine ist auch in Zukunft unmöglich. Trotzdem bedarf es einer Alternative zur Massentierhaltung. Tyson Foods, einer der größten Fleischproduzenten der Welt (40 Mrd. Dollar Umsatz im Jahr 2018), sieht sich deshalb offiziell nicht mehr im Steak- oder Hähnchen-, sondern nur noch im Protein-Geschäft. Ein visionäres Selbstverständnis. Das Unternehmen hat in den Impossible-Wettbewerber Beyond Meat investiert. Motto des Start-ups: „Planting The Future of Protein“.

Im grünen Bürgertum heimischer Gefilde ist man derweil gegen landwirtschaftliche Großbetriebe und Gentechnik, aber für Bienen und Bio. Diese Haltung fühlt sich gut an, ist aber weltfremd und zukunftsblind. Den globalen Speiseplan von bald 9,7 Milliarden Erdenbürgern werden wir nicht ohne mikrobiologische Innovationen und neue Formen der industriellen Landwirtschaft füllen können. Wer grüne Biotechnologie verdammt, der soll dies immer noch weltweit mehr als 800 Millionen unterernährten Menschen erklären. Action required!

Mehr zum Thema

Neueste Artikel