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Déjà-vu Putins Potemkinsche Dörfer in Afrika

Delegationsmitglieder begutachten beim Russland-Afrika-Gipfel russische Waffen
Viel mehr als Waffen hat Russland den Afrikanern nicht zu bieten
© Artyom Geodakyan/TASS Host Photo Agency Pool Photo via AP / Picture Alliance
Russland hat dem afrikanischen Kontinent nichts zu bieten außer Waffen – wie einst die Sowjetunion. Putins Präsenz vor Ort wackelt

Wladimir Putin griff Ende Juli bei seiner Rede auf dem Afrika-Gipfel im Expoforum von Sankt Petersburg rhetorisch in die Vollen: kostenlose Getreidelieferungen für sechs besonders arme Staaten! Mehr russische Investitionen auf dem ganzen Kontinent! Strategische Partnerschaften! Schuldenerlass! Doch die Salve der Versprechungen riss das Publikum nicht so recht vom Stuhl. Nicht einmal halb so viele Staats- und Regierungschefs wie beim letzten russischen Afrika-Gipfel 2019 waren der Einladung des Diktators gefolgt. Und selbst die anwesenden Potentaten gaben sich nicht für die vorgesehene Rolle als Claqueure her.

Die Afrikaner wissen, was von russischen Versprechungen zu halten ist. Putin hat dem Kontinent wirtschaftlich nichts zu bieten. Ein einfacher Blick in die Handelsstatistik 2022 des Internationalen Währungsfonds (IWF) genügt: Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, ja selbst das kleine Belgien rangieren in der Liste der afrikanischen Handelspartner weit vor Russland. Der Beitrag der Russen zum Wohlstand des Kontinents bleibt lächerlich klein. Nur auf einem Feld liegt Putin vorn: Russland steht seit 2007 bei den Exporten von Waffen auf Platz eins in Afrika und sorgt allein für fast die Hälfte aller einschlägigen Lieferungen.

Russlands Afrika-Strategie folgt nahezu vollständig den Spuren der Sowjetunion. In den 60er- und 70er-Jahren sahen die Kreml-Herrscher die Chance, den antikolonialen Aufbruch des Kontinents für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. In Südafrika unterwanderte die von Moskau gesteuerte Kommunistische Partei die Anti-Apartheid-Organisation ANC, schickte Hunderte von Kämpfern zur Ausbildung in die Sowjetunion und DDR, ließ sich Waffen liefern und rief mit ihrer Guerillatruppe „Speer der Nation“ schließlich den bewaffneten Kampf gegen die Weißen aus. Auch in Simbabwe, Angola, Mosambik und im Kongo folgten die Sowjets diesem Rezept.

Söldner und Waffen sichern Russlands Präsenz

Schon 1983 beschrieb der Afrika-Experte Winrich Kühne in einer Studie für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), was auch heute noch unter Putin gilt: „Das Missverhältnis zwischen Waffenexporten und Militärhilfe einerseits und der Leistungsfähigkeit der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen andererseits ist das herausragende Charakteristikum dieser Afrika-Politik.“

Solange die Russen Waffen liefern und die korrupten Regimes in der Region selbst bei schlimmsten Verbrechen unterstützen, bleiben sie willkommen. Doch von einer fest verankerten Präsenz, wie sie die Chinesen errichten konnten, kann bei den Russen keine Rede sein.

Viele angebliche russische Stützpunkte auf dem Kontinent ähneln Potemkinschen Dörfern. Vor Ort halten ausschließlich Angehörige der berüchtigten Wagner-Truppe die Stellung – noch. Doch Einheiten glichen schon vor dem tödlichen Absturz ihres Anführers Jewgeni Prigoschin eher einem wilden Söldnerhaufen als einem geordneten Armeekommando. Sie können viel Unheil stiften in zerfallenden Nationalstaaten, aber keinen nachhaltigen Einfluss aufbauen. Putin ist in Afrika nur so stark, wie sich ihm niemand entgegensetzt. Und solange er noch Kalaschnikows liefern kann.

Bernd Ziesemer war Chefredakteur des „Handelsblatt“. In der Kolumne „Déjà-vu“ greift er jeden Monat Strategien, Probleme und Pläne aus der Wirtschaft auf – und durchleuchtet sie bis in die Vergangenheit

Erschienen in Capital 9/2023

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