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Kolumne Die nächste Tech-Blase

"WeWork", der Anbieter von Coworking-Spaces ist derzeit mit 16,9 Milliarden US-Dollar bewertet.
"WeWork", der Anbieter von Coworking-Spaces ist derzeit mit 16,9 Milliarden US-Dollar bewertet.
© Getty Images
Die Frage ist nicht, wann die nächste Tech-Blase platzt, sondern was von ihr übrig bleibt

Haben Sie schon einmal von der Firma WeWork gehört? Nein? Oder Palantir? Auch nicht? Nun, beide Firmen haben etwas gemeinsam: Sie sind deutlich mehr wert als Firmen die mit Sicherheit jeder kennt und häufig nutzt. Lufthansa zum Beispiel.

Lufthansa hat derzeit eine Marktkapitalisierung von rund 5,6 Milliarden US-Dollar. WeWork, ein Anbieter von Coworking-Spaces für Startups in Städten auf der ganzen Welt, ist derzeit mit 16,9 Milliarden Dollar bewertet. Palantir, in die immerhin Google und die CIA investiert, ist mit 20,5 Milliarden mehr als drei mal so viel wert wie Lufthansa.

Blasen lassen sich nicht verhindern

Es mag ja sein, dass Lufthansa schon einmal bessere Zeiten erlebt hat. Aber das Unternehmen ist immerhin Kern des größten Airline-Netzwerks der Welt. Wenn nun ein Netzwerk von Coworking-Lofts deutlich mehr wert sein soll, kommt man dann doch etwas ins Grübeln.

Kein Wunder also, dass wir längst über die nächste Tech-Blase reden. Und die Frage sollte mittlerweile nicht mehr lauten, ob wir Übertreibungen sehen, sondern nur noch wie groß sie sind. Wie viele Menschen verlieren dabei ihr Geld? Gibt es Ansteckungsgefahren auf andere Bereiche der Finanzmärkte? Und was bleibt von der Blase übrig, wenn sie geplatzt ist?

Blasen lassen sich vermutlich sowieso nicht verhindern. Sie stecken in der DNA der Finanzmärke, die zu extremem Überschwang und anschließendem Kater neigen. Wer das auch im Jahr 2017 immer noch nicht glaubt, dem sei die Lektüre der Herren Minsky, Kindleberger oder Shiller empfohlen. Oder ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte. Denn technische Neuerungen wurden in den vergangenen 200 Jahren fast immer durch irrationalen Überschwang finanziert.

Lehren aus der Geschichte der Eisenbahn

Nehmen wir einmal die Eisenbahn. Da gab es einen Riesenhype in den 1840er-Jahren. Überall entstanden plötzlich neue Firmen und überzogen das Land mit unzähligen neuen Linien kreuz und quer, finanziert von Unmengen an überschwänglichem Kapital. Dabei entstanden leider auch Verbindungen, die bei genauerer Betrachtung absolut keinen Sinn machten. Eine Linie von Liverpool nach London versprach hochprofitabel zu werden. Aber eine Linie vom verschlafenen Carlisle ins trostlose Lancaster machte vielleicht schon weniger Sinn. Aber damals galt eben: Wenn man auch nur das Wort Eisenbahn in den Mund nahm, bekam man schon Geld.

Auf dem Höhepunkt im Jahr 1846 waren bereits beachtliche 272 Eisenbahnfirmen gegründet worden. Als nun viele dieser Linien den Betrieb aufnahmen und sich plötzlich entpuppte, dass viele keineswegs lukrativ waren, bekam die Story einen dicken Kratzer. Die Blase platzte im Jahr 1847. Und viele Leute verloren ihr Geld. Aber: Im Rückblick blieb immerhin eine extrem gut ausgebildete Infrastruktur. Neben den wenig lukrativen Linien hatte sich ein solides Netz an Verbindungen in Großbritannien gebildet.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Finanzierung von neuen Technologien offenbar nicht nach dem Scharfschützen-Prinzip erfolgt. Sondern eher nach dem Prinzip Schrotflinte. Es wird erst einmal wild drauf gehalten, dabei gibt es dann eine Menge Fehlschüsse, aber eben auch ein paar Treffer. Und am Ende kommt es auf die Höhe des Kollateralschadens an.

Historiker vergleichen den Eisenbahn-Boom gerne mit der TelCo-Bubble der 90er, die immerhin eine Telekommunikations-Infrastruktur hinterließ. Manche vergleichen sie auch mit der Dotcom-Bubble, die immerhin Kernelemente der digitalen Welt wie Google oder Amazon hervor gebracht hat.

Schützt Erfahrung vor Übertreibung?

Und die aktuellen Übertreibungen? Auch da kann man einiges aus dem Eisenbahn-Boom lernen. Auch damals folgten auf die große Blase in den 1840ern kleinere Übertreibungen in den 1850er und 1860er-Jahren. Die waren aber bei weitem nicht mehr so groß wie die erste Blase.

Auch jetzt spricht einiges dafür, dass die Übertreibungen bei Internet-Firmen derzeit nicht unbedingt wieder die Dimensionen von 2001 erreichen. Denn zur Jahrtausendwende gab es überhaupt keine Referenzen für die Bewertung von digitalen Geschäftsmodellen, die Erwartungen waren grenzenlos. Das Internet war eben noch völlig neu - und ein Mega-Buzzword, bei dessen Ausruf bei vielen das Gehirn kurzzeitig auf Standby ging. So wie einst beim Wort Eisenbahn.

Das ist heute anders. Bei E-Commerce-Startups oder Marktplätzen gibt es mittlerweile Erfahrungswerte aus 15 bis 20 Jahren, die man bei der Bewertung heranziehen kann. Das schützt zwar offenkundig nicht vor Übertreibungen. Aber vielleicht zumindest vor völlig übertriebenen Übertreibungen.

Weitere Kolumnen von Martin Kaelble: Sehnsucht nach Offline, Jede Firma wird eine Tech-Company, Tanker vs. Schnellboot, Sorgt die Digitalisierung für mehr Ungleichheit? und Wo bleibt das deutsche Tesla?

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