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Silicon Valley und die Politik „Es gibt einen neuen Tech-Populismus“

J.D. Vance Mitte Juli auf dem Parteitag der Republikaner
J.D. Vance Mitte Juli auf dem Parteitag der Republikaner
© USA TODAY Network / IMAGO
Als Donald Trump kürzlich mit J. D. Vance einen ehemaligen Start-up-Investor zu seinem „Running Mate“ kürte, jubelte das Silicon Valley. Rückt die Tech-Branche nach rechts? Und welche Rolle spielt Peter Thiel? Die Historikerin Margaret O'Mara ordnet ein

Capital: Frau O'Mara, mit J. D. Vance hat Donald Trump vor wenigen Wochen einen ehemaligen Start-up-Investor zu seinem Vizepräsidentenkandidaten gemacht. Wie wichtig war dieser Schritt für das Silicon Valley?
MARGARET O'MARA: Für den Teil des Silicon Valley, der mit Vance verbunden ist und ihn gefördert und unterstützt hat, war das eine sehr gute Nachricht. Er verdankt seine berufliche und politische Karriere ja zu einem großen Teil der Unterstützung von Peter Thiel…

…dem rechtslibertären Investor und Paypal-Gründer.
Genau. Wobei der Job des Vizepräsidenten mit unterschiedlich starkem Einfluss kommt – Al Gore beispielsweise hatte von Bill Clinton viel zu tun bekommen und pflegte enge Verbindungen ins Silicon Valley. Aber das ist nicht immer so.

Man bekam zuletzt den Eindruck, das Silicon Valley sei politisch nach rechts gerückt. Ist das so?
Thiel und seine Verbündeten wie Elon Musk leben ja gar nicht mehr im Valley. Dort hingegen sind es immer noch ganz überwiegend Demokraten, die gewählt werden und an die gespendet wird.

Thiel, Musk und Co. galten lange als Vertreter einer libertären Denkrichtung. Sind sie nach rechts gerückt?
Nein. Thiel und seine Mitstreiter wie der frühe Paypal-Manager David Sacks haben ihre politische Linie die ganze Zeit weiter verfolgt. Sie haben nun nur mehr Sichtbarkeit und mehr Geld und es gibt jetzt die Bereitschaft, öffentlich darüber zu sprechen. Sie waren schon immer gegen den bürokratischen Liberalismus, für den die Demokratische Partei steht, und gegen das, was man früher politische Korrektheit und heute Wokeness nennt.

© PR

Margaret O'Mara ist Professorin für amerikanische Geschichte an der University of Washington in Seattle. Mit „The Code: Silicon Valley and the Remaking of America“ verfasste sie 2019 eines der Standardwerke über die Tech-Industrie an der US-Westküste

Daneben haben aber einflussreiche Investoren wie Marc Andreessen und Ben Horowitz tatsächlich eine Kehrtwendung hingelegt – sie haben früher die Demokraten unterstützt.
Das stimmt. Sie stehen dabei für einen größeren Trend. In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis von Washington zur Tech-Branche nämlich gewandelt. Noch zu Obama-Zeiten gab es eine unkritische Unterstützung für das Silicon Valley, egal, was die Unternehmen dort taten. Inzwischen kritisieren Demokraten wie auch Republikaner die Tech-Konzerne deutlich, es gibt stärkere Regulierungs- und Anti-Monopol-Bestrebungen. Im Valley wird das nicht gut aufgenommen. Für Andreessen und Horowitz, die ihr Geld mit Start-up-Investments verdienen, ist diese Stimmung gefährlich – sie geht gegen ihre Geschäftsinteressen und auch ihre techno-libertären Weltsicht.

Andreessen und Horowitz sagen aber, sie träten nicht für die Interessen von Big Tech ein, sondern für die von „Little Tech“ – also die jungen, im Entstehen begriffenen Start-ups.
Naja. Marc Andreessen sitzt immer noch im Verwaltungsrat von Meta. Diese Männer haben mit Big Tech riesige Vermögen angehäuft.

Ein Thema, das viele Tech-Vertreter vorbringen, ist die Regulierung von Kryptowährungen. Warum ist das so wichtig?
Für mich ist das Teil eines neuen Tech-Populismus. Da wird suggeriert, mit Bitcoin und Co. könnte die kleinen Leute die großen Banken umgehen. Und es sind interessanterweise hauptsächlich junge Männer, die da unterwegs sind. Damit zusammen hängt auch der Kampf gegen das, was Musk den „Woke-Mind-Virus“ nennt. Hier wird eine Stimmung unter weißen Männern aufgenommen, die von einer vermeintlich ungesunden Fixierung auf Diversität und Teilhabe frustriert sind.

Das Mastermind der konservativen Tech-Revolution scheint Peter Thiel zu sein. Was wissen wir über seine Weltsicht?
Thiel war wie gesagt nie ein reiner Libertärer im Sinne eines Barry Goldwater oder Ron Paul. Wenn man zu seiner Rede auf dem Republikanerparteitag 2016 zurückgeht, findet man da einen bemerkenswert nostalgischen Blick auf das Sputnik-Zeitalter und den Wettlauf ins All – dabei gab es da immense staatliche Eingriffe in den Markt. Thiel glaubt, wir brauchen wieder einen Fokus auf diese Art von große Projekten, auf Moonshots – stattdessen lassen wir uns von Fragen der Diversität oder Inklusion oder so etwas ablenken.

Aber unter den Thielisten gibt es noch radikalere Vorstellungen, oder?
Da gibt es eine Ungeduld mit demokratischen Prozessen und der Verwaltungsbürokratie. Da werden Ideen wie eine moderne Monarchie ventiliert. Das sind antidemokratische Nationalisten. Und sie sagen das ganz offen.

Was haben sie vor?
Die Thielisten haben einen kompletten Angriff auf die Bürokratie im Sinn, um sie abzureißen oder für ganz andere Zwecke umzuwidmen. Und es scheint für dieses Unterfangen noch mehr Entschlossenheit und Fokus zu geben als 2016. Trumps extremste Instinkte, was das Ergreifen von Macht und die langfristige Änderung des Systems angehen, werden ermutigt.

Noch einmal zurück zu Vance – wird er all das mitmachen, als eine Art willfähriger Vollstrecker der Thielisten?
Das ist nicht gesagt. Wenn einflussreiche und vermögende Unternehmer da jemand unterstützen und installieren, wird der nicht unbedingt immer einfach das tun, was sie wollen. Da wird es widerstreitenden Loyalitäten geben. Und J. D. Vance ist eine interessante Figur: Er hat bereits eine lange ideologische Reise hinter sich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hier enden wird.

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