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Regulierung Künstliche Intelligenz: Die Macht der Krake begrenzen

Künstliche Intelligenz
Die Macht einiger weniger Tech-Konzerne bei Künstlicher Intelligenz sollte begrenzt und reguliert werden, findet Triodos-Ökonom Stegeman
© CHROMORANGE | Christian Ohde / Picture Alliance
In der KI-Branche haben wenige Player das Sagen. In dieser Machtkonzentration sieht der Ökonom Hans Stegeman eine Gefahr

Ich teile voll und ganz die Befürchtungen, die der US-amerikanische Rechtswissenschaftler Eric Posner kürzlich auf dem Portal von Project Syndicate äußerte, einem internationalen Zusammenschluss von 430 Medien aus 150 Ländern und Nichtregierungsorganisationen (NGO):

„Wenn künstliche Intelligenz hält, was sie verspricht, und zum Lebenselixier aller Wirtschaftssektoren wird, können wir eine Zukunft wirtschaftlicher Konzentration und politischer Macht der Konzerne erwarten, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.“

Die Zukunft der KI birgt das Risiko einer geballten wirtschaftlichen Konzentration und Machtfülle von Unternehmen, denn die großen Technologieunternehmen dominieren die KI-Landschaft. Dies ist anders als zu Beginn der Tech-Revolution, als diverse neue Player auf dem Vormarsch waren. Die KI-Branche erlebt ein wachsendes Oligopol, in der mit Unternehmen wie Nvidia, Amazon, Google und Microsoft wenige Unternehmen relativ vielen Nachfragenden gegenüberstehen – und deshalb über die gesamte Lieferkette hinweg erhebliche Marktmacht besitzen.

Hans Stegeman ist Chefökonom der niederländischen Nachhaltigkeitsbank Triodos.

In einem aktuellen Fachartikel erläutern die Rechtwissenschaftler Tejas N. Narechania und Genesh Sitaraman, warum generative KI, die auf Basis vorhandener Informationen neue Inhalte generiert, mehr Regulierung braucht. Auf mehreren Ebenen des Tech Stacks, also dem technologischen Unterbau einer KI, dominieren demnach führende Technologieunternehmen – von der Hardware über Clouds bis hin zu Plattformen, Schnittstellen und Apps. 

Vieles in der IT-Struktur von generativer KI hat nichts mit Innovation zu tun. Es ist vielmehr vergleichbar mit klassischen Industrieorganisationen, die auf mehreren Ebenen Macht bündeln. Und für die meisten Ökonomen ist klar: Zu viel Marktkonzentration ist immer schlecht. Das gilt für große industrielle Konzerne ebenso wie im Fall generativer KI und dort sogar noch mehr. 

Warum ist die Macht weniger Konzerne schlecht?

Absprachen und Kooperationen zwischen Technologieführern sind besorgniserregend. Sie erinnern an den „Money Trust“ des „Gilded Age“, als sich die USA vom agrarisch-ländlich geprägten Land durch Industrialisierung und rasches Städtewachstum zu einer modernen Industriegesellschaft wandelten – eine Zeit, in der gierige, korrupte Industrielle, Bankiers und Politiker Monopole und Trusts aufbauten und zu außergewöhnlichem Reichtum und Wohlstand gelangten, auf Kosten der verarmenden Arbeiterklasse.

Enge Verbindungen über Institutionen, Forschungsprojekte und soziale Beziehungen schaffen Möglichkeiten für Preisabsprachen und andere wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen. Ähnlich wie die Banken im Goldenen Zeitalter üben die Tech-Giganten einen immensen Einfluss auf die gesamte Wirtschaft aus, kontrollieren Daten und haben mehr Macht als andere Unternehmen. Die Dominanz von Big Tech im KI-Sektor kann zu einer in der Geschichte beispiellosen wirtschaftlichen Konzentration und politischen Macht von Unternehmen führen.

Und die Risiken sind höher als je zuvor. Ein düsteres Zitat aus dem diesjährigen Global Risk Report des Weltwirtschaftsforums:

„Längerfristig werden technologische Fortschritte, auch im Bereich der generativen KI, eine Reihe von nichtstaatlichen und staatlichen Akteuren in die Lage versetzen, auf eine übermenschliche Bandbreite an Wissen zuzugreifen. Dadurch können neue Stör- und Konfliktwerkzeuge – von Malware bis hin zu biologischen Waffen – konzipiert und entwickelt werden. In diesem Umfeld werden die Grenzen zwischen Staat, organisierter Kriminalität, privaten Milizen und terroristischen Gruppen weiter verschwimmen. Eine Vielzahl nichtstaatlicher Akteure wird aus den geschwächten Systemen Kapital schlagen und den Kreis aus Konflikt, Fragilität, Korruption und Kriminalität zementieren.“

Wie lässt sich die Machtkonzentration bei KI verhindern?

Kann dies verhindert werden? Konsens gibt es zumindest darüber,  dass die derzeitige Regulierung, die auf die Definition (u.a. ethischer) Ergebnisanforderungen abzielt, nicht ausreicht. Besser wäre es, die Marktstruktur von vornherein zu regulieren und den Wettbewerb zu stärken (sogenannte Ex-ante-Regulierung). Einige Vorschläge aus dem Global Risk Report:

Strukturelle Trennung: Trennung der Dienste, die von marktbeherrschenden digitalen Plattformen angeboten werden, von den Aktivitäten, die von diesen Diensten abhängen.

Nichtdiskriminierung, offener Zugang und Entgeltregulierung: Nichtdiskriminierungsregeln erlauben es einem Unternehmen zwar, zwei oder mehr vertikal verbundene Geschäftsbereiche zu betreiben. Sie verlangen jedoch, dass das Unternehmen die nachgelagerten Bereiche neutral behandelt.

Interoperabilitätsregeln (die Fähigkeit verschiedener Systeme, miteinander zu interagieren): Interoperabilitätsregeln senken die Marktzutrittsschranken und beleben so den Wettbewerb, indem sie „neuen Wettbewerbern die Möglichkeit geben, von bestehenden Investitionen zu profitieren“ und „den Marktteilnehmern Anforderungen für die gemeinsame Nutzung auferlegen“.

Zugangsbeschränkungen: Marktzugangsbeschränkungen könnten sicherstellen, dass bestimmte Gründungsmodelle und die damit verbundenen Anwendungen effizient sind und nicht zu erheblichen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken oder Wettbewerbsverzerrungen führen. Zugangsbeschränkungen könnten auch dazu beitragen, Bedenken hinsichtlich kostspieliger und verschwenderischer Investitionen und der Tendenz zur Konsolidierung zu zerstreuen.

Öffentliche Optionen oder kooperative Governance: Öffentliche Optionen sind öffentlich bereitgestellte Güter oder Dienstleistungen, die neben privatwirtschaftlichen Angeboten bestehen und zu einem (oft durch Vorschriften festgelegten) Preis angeboten werden. Kooperative Governance ist ein Modell, bei dem die Nutzer:innen die Eigentümer:innen des Unternehmens sind. Die Nutzer:innen kontrollieren das Unternehmen und der Zweck des Unternehmens ist es, den Nutzer:innen zu dienen.

Es ist klar, dass der KI-Oktopus nicht von selbst verschwinden wird. Aber eine gradlinige ökonomische Analyse kann die Macht der Krake begrenzen.

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