Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Sein Name klingt fast poetisch, aber es ist für viele eine unheimliche Situation: das Déja-vu. Der Moment, in dem man den Eindruck hat: Das habe ich doch genau so schon mal erlebt. Nun zeichnen sich viele Akteure am Aktienmarkt nicht unbedingt durch ihr gutes Gedächtnis aus, doch momentan fühlen sich viele erinnert, an ein Erlebnis aus dem Jahr 2000. An das Jahr, in dem sich die Technologieaktien in ungewohnte Höhen aufschwangen und einen Kursrekord nach dem anderen feierten. Bis dann mit lautem Knall die Blase platzte und ihre Unternehmenswerte in nur wenigen Monaten an der Börse verglühten. Der Absturz der Dotcom-Titel, wie die Internetaktien damals hießen, löste einen gewaltigen weltweiten Börsencrash aus. Danach galten Tech-Titel lange als nicht mehr vermittelbar. Sie würden wohl nie wieder ihren Höchststand von damals erleben, glaubten viele. Jetzt haben sie das aber geschafft.
Der wichtigste Technologie-Aktien-Index, der Nasdaq-Composite mit 2600 darin enthaltenen Unternehmen, hat wieder einen Stand von über 5000 Punkten erreicht. Also so viel wie im unheimlichen Frühling 2000. Auch der deutsche TecDax hat sich längst wieder zu neuen, alten Höhen aufgeschwungen. In den vergangenen Jahren kannten die Kurse der Technologieaktien tatsächlich nur eine Richtung: nach oben. So haben beide Indizes allein seit 2010 ihren Wert verdoppelt.
Damals zeichnete sich im Zusammenspiel aus Konjunktur- und Aktienzyklus ab, dass die Welt genau an dem Wendepunkt stand, der die IT- und Telekommunikationsaktien zu den großen Gewinnern der nächsten Zeit machen würde. Denn als Frühzykliker starteten sie im darauffolgenden Aufschwung als Erste durch. Wer sogar schon ein Jahr früher in den Markt eingestiegen wäre, nämlich im Februar 2009, der hätte sein Geld seitdem sogar vervierfacht. Er hätte aus 10.000 Euro Anlagesumme knappe 40.000 Euro gemacht. Eine stolze Rendite.
Milliarden Risikokapital fließen in den Sektor
Nicht sehr überraschend also, dass neuerdings immer mehr Geld in den Markt hineinfließt. Und dass auch Venture-Capital-Geber gerade mit vollen Händen in junge und aufsteigende Unternehmen investieren, um bei diesem Hype dabei zu sein. Firmen wie Twitter, Tesla und Facebook sammelten über die Börse Milliarden ein. Der Fahrdienstbetreiber Uber versorgte sich gerade erst mit 1,2 Mrd. Dollar frischem Kapital und wird mittlerweile auf einen Börsenwert von 40 Mrd. Dollar taxiert. Und für jede noch so kleine Klitsche aus dem Bereich Spracherkennung, Wearables oder Streamingdienste zahlen die großen Internetkonzerne inzwischen ebenfalls drei- bis vierstellige Millionensummen.
Das aber sind genau die Zahlen, die viele Anleger nun skeptisch machen: Steigen die Kurse der Tech-Titel wieder bar jeder Vernunft? Bläht sich vor lauter Euphorie über die innovativen Geschäftsmodelle gerade wieder eine neue Blase auf? Die Sorge ist groß. Und tatsächlich warnen einige davor, dass zumindest die Risikokapitalgeber es mit den Finanzspritzen in den Markt schon übertrieben hätten.
Analysten stellen außerdem fest, dass viele Aktien im Technologiesektor seit 2013 überbewertet seien. Vor allem in den Bereichen Gaming, Internet und Gesundheitsinformation sehen sie Kurse, die nicht mehr zu den realen Firmenwerten und vor allem zu den erwirtschafteten Gewinnen der Unternehmen passen. Vor allem Facebook mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von zuletzt 70 (2014) gilt in der Hinsicht als überschätzt. Tesla mit einem erwarteten KGV von 68 (2015) ebenfalls. Von Linkedin mit 93 (2015) und Twitter gar nicht zu reden, der Nachrichtendienst kam 2014 auf ein KGV von 370 und soll 2015 bei 150 landen. Das erinnert tatsächlich an alte Dotcom-Zeiten, in denen eine Aktie wie Yahoo auf 418 kam und der Schnitt der Nasdaq bei 175 lag.
Branche ist reifer und stabiler geworden
Dennoch ist die Gesamtbranche von solchen Werten heute noch weit entfernt. Im Schnitt kommen die 2600 Firmen auf ein KGV von „nur“ 29. Zum Vergleich: Bei den konservativen Dax-Werten betrug das KGV in den vergangenen 30 Jahren im Schnitt 19, aktuell liegt es bei 15. Gemessen daran wird die amerikanische Technologiebranche allenfalls moderat überschätzt. Für den weltweiten MSCI Tech-Index machen Finanzexperten sogar eine faire Bewertung aus und ein KGV von 16,5. Zudem gibt es noch viele Firmen im Sektor, die eher unterbewertet seien, sagen Analysten ebenfalls. Vor allem die Aktien von IT-Dienstleistern, Telekommunikationsausrüstern und technischen Instrumentenherstellern hätten durchaus noch Steigerungspotenzial.
Nun sagen natürlich Kennwerte wie das KGV auch nicht alles. Marktbeobachter glauben aber generell: Die Branche ist seit dem Jahr 2000 erheblich reifer und stabiler geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil es heute nicht mehr nur einige wenige Firmen sind, die den Sektor ausmachen, sondern weil es tausende gibt. Das verteilt natürlich das Risiko. Und weil Themen wie das Cloud-Computing, das Internet der Dinge und Mobilitätslösungen tatsächlich zum Massenmarkt werden müssten, wenn es auf der Welt nicht mit ganz unheimlichen Kräften zugeht.
Die Skeptiker beruhigt das zwar nicht, denn auch das Schlagwort „Internet“ hatte sich ja vor 15 Jahren ziemlich zukunftsfähig angehört. Was es ja auch bis heute ist. Und trotzdem stürzte der Markt ab.
Aktiv gemanagte Tech-Fonds sind empfehlenswert
Manche beruhigt nicht einmal, dass die Firmen derzeit – gemessen am kometenhaften Aufstieg von 2000 – eher gemächlich wachsen. Schließlich haben sie diesmal 15 Jahre gebraucht, um sich auf genau das alte Niveau zu hieven, das sie damals in nur zwei Jahren erklommen hatten. Zudem hat die Hausfrauenhausse noch nicht eingesetzt, so nennen Finanzmarktbeobachter es spöttisch, wenn jeder Kleinanleger panisch Aktien kauft, zu jedem Preis und damit die Kurse ins Unermessliche treibt.
Wer daher wie viele Analysten weiter an einen Aufstieg der Tech-Aktien in 2015 glaubt, der sollte sich einen Fonds ins Depot packen, jedoch am besten einen aktiv gemanagten. Denn bei den schnellwachsenden Technologiewerten zahlt sich die gezielte Aktienauswahl mehr aus, als das breite Setzen auf den Indexfonds. Immerhin schaffte mehr als die Hälfte der aktiv gemanagten Tech-Fonds in den vergangenen zwölf Monaten ein Plus von 40 Prozent und mehr.
Wer ganz mutig ist, kann auch auf einzelne Aktien setzen. Dann aber am besten auf die ganz großen Werte. Denn eines beruhigt, wenn man sich die „Big Shots“ der Dotcom-Branche des Jahres 2000 anschaut, deren Top 5 waren damals Microsoft, Cisco, Intel, Oracle und Sun. Sie alle gibt es heute noch, auch wenn Sun inzwischen in Oracle aufgegangen ist. Das lässt hoffen, dass wir auch von den heutigen Stars Apple, Google, Microsoft, Facebook und Amazon künftig noch einiges sehen werden. Das Déja-vu mit dem Crash brauchen wir nicht. Aber ansonsten macht Wiedersehen hoffentlich Freude.