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DER Touristik Reise-Deal: Was hinter der geplanten FTI-Übernahme stecken könnte

Konzernzentrale von FTI in München
Konzernzentrale von FTI in München
© IMAGO / Leonhard Simon
Der zweit- und drittgrößte Reiseveranstalter Europas stehen offenbar in Übernahmeverhandlungen. Was könnte sich DER Touristik von einem Deal mit der angeschlagenen FTI erhoffen?

Seit Tagen wird spekuliert: Übernimmt DER Touristik, der zweitgrößte Reiseveranstalter Europas, den Konkurrenten FTI, die Nummer drei im Markt? Laut „Handelsblatt“ befinden sich die Parteien bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen.

Für FTI wäre es die Rettung aus einer Notsituation: Seit Jahren ist die Finanzlage bei dem Münchner Unternehmen angespannt, die Coronapandemie drängte es sogar an den Rand der Existenz. Der Staat unterstützte den angeschlagenen Reiseveranstalter mit mehr als 500 Mio. Euro. Und trotz des Verkaufs des prestigeträchtigen Kreuzfahrtschiffs MS Berlin und der Schließung der verlustreichen Konzerntochter LAL, wies FTI 2021 ein negatives Eigenkapital in Höhe von 219 Mio. Euro aus. Im Markt war bekannt, dass das Unternehmen nach einem neuen Finanzpartner suchte.

Mit der Übernahme könnte die Rewe-Tochter DER Touristik Branchenprimus Tui zudem massiv unter Druck setzen: Der kumulierte Umsatz von DER und FTI lag 2021 bei 3,6 Mrd. Euro, Tui setzte 4,7 Mrd. Euro um. Der Kundenanzahl nach würde das Gemeinschaftsunternehmen aber bereits an Tui vorbeiziehen. 

Konkurrenz durch Booking.com

Gleichzeitig droht den Reiseveranstaltern Konkurrenz von anderer Seite: Booking.com etwa wächst seit Jahren, indem es Flugportale, Spezialisten und andere Anbieter sogenannter Baustein-Touristik aufkauft. Für klassische Reiseveranstalter ist ein Aufholen bereits jetzt kaum noch möglich, sagt ein Branchenexperte. Um überhaupt noch bestehen zu können und nicht auch noch gegeneinander zu agieren, seien Zusammenschlüsse auf dem Veranstalter-Markt deshalb sinnvoll. 

Grundsätzlich haben die deutschen Reiseveranstalter allesamt ähnliche Geschäftsmodelle. War DER Touristik früher stärker im Bereich des Baustein-Geschäfts und FTI bei Pauschalreisen, haben sich die Modelle über die Jahre immer mehr angeglichen. Weil mit der klassischen Veranstaltertätigkeit in Zeiten immer günstigerer Angebote kaum noch Geld zu verdienen ist, haben beide Veranstalter ihre eigenen Hotelmarken und Franchise-Konzepte.

Allerdings gilt FTI in den beliebten Zielgebieten Ägypten, Türkei und Vereinigte Arabische Emirate als vergleichsweise gut aufgestellt und über sein Tochterunternehmen Meeting Point, das Incoming-Agenturen in insgesamt 19 Ländern betreibt, als recht gut vernetzt. In der Türkei ist Meeting Point führend im Destinationsmanagement und hat vor Ort ein Team von 300 Mitarbeitenden. In Dubai umfasst das Team 200 Beschäftigte, in Ägypten ist die FTI-Tochter in fünf Städten vertreten. Vor Ort organisieren die Agenturen alles für ausländische Touristen, vom Flughafentransfer bis zu Ausflügen und Events.

Auf die Strategie so mehr in den Zielgebieten präsent zu sein, hat Sören Hartmann, der bis Ende 2022 amtierende Chef von DER Touristik, in den vergangenen Jahren schon gesetzt. Unter seiner Führung wurden bereits viele Agenturen zugekauft. Der FTI-Zukauf könnte das Netzwerk in wichtigen Zielgebieten weiter stärken.

Achillesferse Buchungssystem

Ein weiterer Grund für das mögliche Interesse von DER Touristik an FTI könnte einem Insider zufolge die bessere IT der Münchner sein. Seit Jahren kämpft die Rewe-Tochter mit einem schwachen Buchungssystem – eine zentrale Komponente für Reiseveranstalter. Reisebüros, Hoteliers und andere Vertriebspartnern können darüber Belegungen, Verfügbarkeiten und Preise bearbeiten und einsehen.

DER Touristik versuchte mit Phoenix Unlimited zunächst ein eigenes Buchungssystem aufzubauen, was aber scheiterte. Nach zahlreichen Buchungsausfällen wurde das Programm Atcom von der skandinavischen Konzernschwester Apollo übernommen. Doch auch hier beklagen sich Reisebüros noch über falsche Darstellungen und lange Ladezeiten. Dass sich die Suche nach einer guten Lösung so mühsam gestaltet, liegt vor allem an einem Grund: Die Bereiche Pauschalreisen und Baustein-Touristik funktionieren bei der Buchung unterschiedlich und sind nur schwer in einem System zu vereinen.

Das Buchungssystem von FTI wird in der Branche jedoch als tauglich bewertet – und könnte daher eine mögliche Lösung für das Softwareproblem der DER Touristik sein. Auch das Online-Angebot von FTI sei stärker, heißt es von Expertenseite. In Zeiten, in denen mehr als jede zweite Buchung übers Netz getätigt wird, ist das ein wichtiger Punkt.

Schuldenlast und Vorstrafenregister

Angesichts der hohen Schuldenlast von FTI ist ein Zusammenschluss aber keinesfalls ein Selbstläufer. Mit einer Verschuldung von über einer halben Milliarde Euro wolle DER Touristik seinen Konkurrenten laut „Handelsblatt“ nicht übernehmen. Die Rewe-Tochter strebt demnach offenbar einen Schuldenschnitt in etwa der Höhe der Staatskredite an.

Der Fluggesellschaft Condor hatte der Staat 2021 Schulden von etwa 150 Mio. Euro erlassen, auch zulasten des Steuerzahlers. Wie das bei FTI aussehen würde, scheint noch offen. Überhaupt sei dieser Schritt noch nicht klar, da FTI bisher sämtliche Verpflichtungen erfüllt habe. Zudem berichtet „Business Insider“ aus Regierungskreisen, dass man keinen Präzedenzfall schaffen wolle – etwa mit Blick auf den Handelskonzern Galeria Karstadt Kaufhof. Auch andere Reiseveranstalter dürften einen Schuldenschnitt als unfair empfinden. Tui ist bereits dabei, seine milliardenhohen Staatshilfen zurückzuzahlen, andere Player wie Alltours und Schauinsland Reisen haben erst gar keine in Anspruch genommen. 

Eine zusätzliche Hürde für den Deal haben weitere Recherchen von „Business Insider“ zutage gefördert: Der aktuelle FTI-CEO Ralph Schiller ist vorbestraft wegen Betrugs mit Werbegeldern. Nur wenige Monate nach seiner Verurteilung wurde Schiller 2021 ins Amt gehoben. Auch der FTI-Gründer und langjährige Geschäftsführer Dietmar Gunz und weitere Topmanager wurden verurteilt. 

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