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Modernisierungsagenda Mut zum Aufbruch ist da – folgt nun der Mut zur echten Transformation?

Ein Mann fotografiert den Eingang zum Digitalministerium
Die Digitalisierung hat jetzt ein eigenes Ministerium
© Jürgen Ritter / IMAGO
Das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat sich eine ehrgeizige Reformagenda vorgenommen. Doch neben positiven Ansätzen gibt es auch gravierende Leerstellen, kritisiert unser Gastautor Markus Leick

Das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) hat binnen kurzer Zeit einen beachtlichen Fahrplan zur Staatsreform präsentiert. Die Modernisierungsagenda für die Bundesverwaltung enthält rund 80 Maßnahmen und etliche konkrete Ziele. Trotz einiger Leerstellen ist sie ein starker Anfang. Entscheidend wird nun die Umsetzung – erster Lackmustest ist die Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember.

Gut: Klarheit, Tempo, Wirkungsorientierung

Die Agenda bricht das Mammutprojekt Staatsmodernisierung in fünf Handlungsfelder herunter – vom Bürokratierückbau bis zur Personalentwicklung – samt Zielbildern, Indikatoren und Fristen. Für die deutsche Verwaltungstradition ist das bemerkenswert transparent und anschlussfähig an viele Empfehlungen aus Normenkontrollrat, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Beispiel Gesetzgebung: Wer unnötige Bürokratie vermeiden möchte, muss bessere Gesetze machen – weniger Komplexität, mehr Stringenz, hoher Qualitätsstandard. Künftig sollen die Auswirkungen von Gesetzen vorab visualisiert werden. Gesetzgeber:innen werden viel besser abschätzen können, welcher administrative Rattenschwanz sich hinter ihrem Entwurf verbirgt und gegebenenfalls umsteuern. Die Zielvorstellung von „Law as Code“, der Maschinenauslesbarkeit und -umsetzung von Gesetzen, minimiert zudem unerwünschte und aufwändige Interpretationsspielräume.

Im Personalbereich ist vielversprechend, dass Laufbahn- und Beurteilungsrecht reformiert werden sollen, um den Staat als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Wechsel zwischen Behörden oder in andere Sektoren sollen erleichtert, Führungs- und Fehlerkultur gestärkt werden.

Sinnvoll ist auch der Fokus auf Wirkungsorientierung. Erfolge sollen künftig weniger am Input („Wir haben x Mio. in Infrastruktur investiert“) bemessen werden, sondern an den erwünschten Wirkungen („Die Fahrtzeiten haben sich um x verringert“). Auch die Fortbildung von Verwaltungsmitarbeitenden zu agilen Projektmanager:innen ist längst überfällig für eine effektivere Politikgestaltung und dürfte den Bedarf an externer Beratung reduzieren.

Die sogenannten Hebelprojekte wie iKfz-Portal, Bauturbo oder Unternehmensgründungen binnen 24 Stunden, stehen als Solitäre etwas neben der klar strukturierten Agenda. Wirkung entfalten sie, wenn alle Ressorts Ownership übernehmen und die Modernisierung kommunikativ greifbar machen.

Länder und Kommunen fehlen

Die gravierendste Leerstelle: Länder und Kommunen wurden aus dem Prozess vorerst ausgeklammert. Das ist misslich, denn gerade auf kommunaler Ebene wird Bürokratie für Bürger und Bürgerinnen und Unternehmen spürbar.

Ebenso fehlt ein positives Bild des Staats von morgen. Viele richtige Schlagworte – „schnell, digital und handlungsfähig“, „mehr Vertrauen“ – im Vorwort ergeben noch keine Erzählung. Der Versuch der politisch Handelnden, die Staatsmodernisierung unter dem Wortungetüm „Bürokratierückbau“ zu verkaufen, greift viel zu kurz. Die entscheidende Frage ist: Wie gestalten wir den Staat so, dass er die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen kann und Vertrauen zurückgewinnt?

Obwohl insgesamt ehrgeizig wirkend, schreckt die Modernisierungsagenda vor mancher konkreten Ambition zurück. Das betrifft im Kleinen schwammige Indikatoren und zu großzügige Fristen; die Hebelprojekte haben erst gar keine. Sollten wir etwa hochkomplexe, über Jahrzehnte gewachsene Regelwerke wirklich weiter mit einzelnen Änderungen flicken? Bei Software schreibt man nach einer gewissen Zeit einen ganz neuen Code. Das Produkt wird dadurch sogar besser.

Der Lackmustest im Dezember

Die Agenda ist ein guter Startpunkt. Die Umsetzung gelingt nur, wenn sie Bundesregierung, Länder und Kommunen als dringliche Gemeinschaftsaufgabe begreifen und zusammenarbeiten. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung ein überzeugendes Zukunftsbild entwickelt, hinter dem sich demokratische Entscheidungsträger:innen versammeln können und das engagierte Verwaltungsbeschäftigte motiviert, Veränderungen auch gegen Widerstände voranzutreiben. Wichtig ist, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam handeln – und den Mut haben, die Zielerreichung ihrer Indikatoren öffentlich zu machen, etwa über ein öffentliches Dashboard. Ein anschauliches Tracking via Dashboard kann Vertrauen schaffen, wie ernst es dem Staat mit seiner Modernisierung ist.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember zeigt sich, ob daraus eine ambitionierte gesamtstaatliche Reformagenda wird oder zwei Puzzleteile, die nicht zusammenpassen. Auf die Länder kommt es an: Sind sie gewillt, den Kommunen eine starke Stimme zu geben und Pfadabhängigkeiten zu überdenken? Denn wie groß ist der Mehrwert von 16 unterschiedlichen Bauordnungen – oder auch: Wie sinnvoll ist die Aufteilung Deutschlands in genau 16 Länder?

Markus Leick ist Experte für Verwaltungsmodernisierung und Digitalisierung beim Bündnis Lead – Bündnis für Staatsreform der gemeinnützigen Organisation Projecttogether
 

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