Capital: Herr Ledermann, Ihr Vater gründete Edding zusammen mit einem Schulfreund. Sie selbst waren 29, als sie übernahmen. Erinnern Sie sich an den Moment, als Ihr Vater Ihnen die Nachfrage angetragen hat?
PER LEDERMANN: Ich arbeitete damals als Berater in Abu Dhabi. Mein Vater rief mich an und war irgendetwas zwischen genervt und verzweifelt. Er war als Gründer schon ein paar Jahre aus dem Unternehmen raus und es hatte einige familienexterne Nachfolger gegeben. Irgendwie hat es nie so richtig gepasst. Er fragte: Meinst du, ich soll wieder jemand Externen suchen? Oder ist jetzt der Moment gekommen, wo wir darüber reden sollten? So lange wir externe Vorstände hatten, konnte er nicht loslassen – ganz klassisch. Zu mir sagte er: Wenn du jetzt einsteigst, verlasse ich den Aufsichtsrat, weil ich dich nicht kontrollieren will.
Welchen Ratschlag würden Sie dem damals 29-jährigen Per Ledermann mit dem Wissen von heute geben?
Den wichtigsten Ratschlag würde ich gar nicht dem 29-jährigen Per Ledermann geben, sondern dem 45-jährigen. Die letzten drei Jahre waren sehr schwierig, da würde ich im Nachhinein einiges anders machen. Am Anfang war das Umfeld perfekt: Mein Vater war da als passiver Ratgeber. Ich hatte ein tolles Team an Führungskräften und die Mitarbeitendenschaft hat mich mit offenen Armen empfangen. Wir haben sehr lange in einem sehr stabilen Umfeld arbeiten können. Über viele Jahre sind auf unsere Umsätze jedes Jahr ein paar Prozent draufgekommen Der Start war sehr easy. Viel weniger aufregend, als man das vielleicht gedacht hätte.
Was hat sich in den letzten Jahren verändert?
Unsere Märkte verändern sich radikal. Wir hängen immer noch sehr stark am Büro. 2020 sind wir in eine große Transformation eingestiegen. Die Schmerzen dieser Transformation haben wir sehr stark zu spüren bekommen. Wir wollten einen großen digitalen Digitalisierungssprung machen, das Unternehmen agiler und moderner aufzustellen, das Thema Nachhaltigkeit viel höher hängen. Wir haben versucht, alles gleichzeitig zu machen. All das zusammen war am Ende zu viel und hat für sehr viel Frust gesorgt.
Wie schnell merkt man so etwas als Chef?
Zu spät. Da ist auch viel Selbstkritik dabei. Ich dachte, ich muss jetzt mit dem Kopf durch die Wand. Es ist ja auch klar, dass Widerstand kommt in so einer Situation. Ich dachte zu lange, wir müssen konsequent sein und durchhalten. Mittlerweile haben wir uns gefangen. Aber wir haben es auch teuer bezahlt. Insbesondere dadurch, dass wir für unsere Verhältnisse eine relativ hohe Fluktuation hatten. Einige der Veränderungen, die wir auf den Weg gebracht hatten, haben wir wieder zurückgedreht.
Edding hat zum Beispiel Nagellack herausgebracht – und wieder vom Markt genommen.
Wir hatten immer schon mal in Richtung Nagellack geschielt. Dann wurde bei einer Markenbefragung herausgefunden, dass sich 70 Prozent der Frauen in Deutschland als Mädchen mit einem Edding auch schon mal auf den Fingernagel gemalt haben, bevor sie Nagellack benutzt haben. Unser Produkt haben wir dann sehr funktional positioniert mit dem Claim „Power statt Püppchen“. Zu dem Zeitpunkt gab es nur zwei Vertriebskanäle für uns, Parfümerien und Drogerien. Wir haben es nicht geschafft, das Konzept da richtig rüberzubringen. Die Leute haben das Produkt nicht richtig gesehen. Dekorative Kosmetik lief damals online nicht. Ein paar Jahre später hat sich das komplett geändert. Es war also auch eine Timing-Frage.
Wie groß ist jetzt noch die Lust, neue Sachen auszuprobieren?
Im Moment ist sie etwas gebremst, das muss man tatsächlich so sagen. Durch die große Komplexität und die neuen Geschäftsfelder ist eine gewisse Müdigkeit da. Mitte der 2010er-Jahre hatten wir eine Serie von positiven Launches, zum Beispiel die Druckerpatronen und die Kreativsprays. Das ist alles bombig eingeschlagen. Und jetzt hatten wir halt mal ein paar Fehlschläge hintereinander. Wir müssen das Sortiment bereinigen und wieder Mut fassen.
Was sind Pläne für die Zukunft?
Unser Ziel ist, ins regenerative Wirtschaften zu kommen. Dazu haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie aufgesetzt und versuchen, unser gesamtes Handeln an ihr auszurichten. Zum Beispiel haben wir bei unserem Kernprodukt, dem Edding 3000, die Hülle von neuem auf recyceltes Aluminium umgestellt.