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Mittelstand „Die Bürokratie ist ein großes Thema, das uns wirklich erschlägt“

Anna Hörmann (links) leitet die Hörmann Warnsysteme, Johann Schmid-Davis ist Finanzchef der Hörmann-Gruppe
Anna Hörmann (links) leitet die Hörmann Warnsysteme, Johann Schmid-Davis ist Finanzchef der Hörmann-Gruppe
© Hörmann
Dank ihrer Diversifizierung hat die Hörmann-Gruppe die Krisen der letzten Jahre überstanden. Im Podcast sprechen der Finanzchef und die Tochter des Gründers über Bürokratie, Fehlschläge und Bunker, die zu Bädern werden

Wenn alljährlich am Deutschen Warntag die Sirenen heulen, dann sind das vielerorts Sirenen des bayerischen Familienunternehmens Hörmann. 1955 gründete der Ingenieur Hans Hörmann in München ein Zweimannbüro für Blitzschutzanlagen. Heute findet sich Technik von Hörmann in Molkereien ebenso wie in der Turiner U-Bahn oder E-Ladesäulen. Aus dem Ingenieurbüro ist ein Technologiekonzern geworden, der 2900 Menschen beschäftigt und 2024 knapp 680 Mio. Euro umgesetzt hat. Seit drei Jahren führt Anna Hörmann, die Tochter des Gründers, das ursprüngliche Kerngeschäft, die Hörmann Warnsysteme. Johann Schmid-Davis ist CFO der Hörmann-Gruppe.

Capital: Frau Hörmann, Ihr Vater hat aus einem Zweimann-Ingenieurbüro eine Unternehmensgruppe gemacht, die im Jahr fast 700 Mio. Euro umsetzt. Wie gehen Sie mit diesem Erbe um?
ANNA HÖRMANN: Ich mache mir immer wieder bewusst: Warum mache ich das? Was will ich erreichen? Mein Vater hat das Unternehmen in der Nachkriegszeit aufgebaut. Er hat viele Chancen ergriffen, meistens ist es gut gegangen. Aber es gab auch Fehltritte. Er hat das wirklich gelebt: Immer weitermachen und Chancen ergreifen, die über den Weg kommen. Das ist die Basis, um dieses Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

Können Sie uns Beispiele für solche Fehlschläge nennen? 
ANNA HÖRMANN. Wir haben zum Beispiel sehr groß in den Bereich Pager investiert – und ein Jahr später kam das Mobiltelefon raus. Auf der anderen Seite haben wir aus Fehlschlägen aber auch gelernt, uns zu verändern. Im Kalten Krieg hat das Unternehmen zum Beispiel Schutzbunker hergestellt. Die brauchte nach dem Ende des Kalten Krieges aber niemand mehr. Die Frage war also: Was kann man jetzt aus diesen Schutzbunkern machen? Dann wurde entschieden, Indoor-Schwimmhallen zu bauen.

Ihr Vater ist mittlerweile 96 Jahre alt. Tauschen Sie sich noch mit ihm über die Firma aus?
ANNA HÖRMANN: Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, ist seine erste Frage: Was gibt es Neues in der Firma? An dem Tag, an dem er mal nicht fragen würde, wie es dem Unternehmen geht, oder ob wir neue Aufträge gewonnen haben, würde ich mir Sorgen machen. Er stellt immer noch die richtigen Fragen: Welche Kunden haben wir gewonnen? Warum haben wir einen bestimmten Auftrag nicht bekommen? 

Die Hörmann-Gruppe sehr divers aufgestellt mit vier verschiedenen Sparten. Herr Schmid-Davis, wie funktioniert das „System Hörmann“?
JOHANN SCHMID-DAVIS: Wir haben den Geschäftsbereich Automotive mit metallischen Komponenten, ausschließlich für die Nutzfahrzeugindustrie, der Pkw interessiert uns nicht. Hier muss man sich vorstellen: Wir verbauen wir alle zwei Wochen einmal den Eiffelturm aus Stahl. Dann haben wir noch Communication mit den Sicherheitssystemen, die Logistik und die Fahrzeugentwicklung, vorwiegend Schienenfahrzeuge. Wir sind also wirklich sehr diversifiziert, und das ist das Rezept, wieso wir gut durch die multiplen Krisen der letzten Jahre gekommen sind. Hätte ich auf Banker gehört und wir hätten uns frühzeitig zum Beispiel auf Automotive fokussiert, weiß ich nicht, ob es uns noch so gut gehen würde.

Wie sind Sie mit der Automobilsparte durch die Krisen gekommen?
SCHMID-DAVIS: 2020 gab es Werkschließungen aufgrund von Corona. 2021 in der Chipkrise wurden ebenfalls keine LKWs gebaut. 2022 begann der Ukrainekrieg. Die meisten Kabelbäume kommen ja aus der Ukraine – es wurden also wieder keine LKWs gebaut. 2023 konnten wir durchatmen. 2024 gab es den konjunkturellen Einbruch. Der LKW ist ein sehr zyklisches Produkt. Er ist ein Spiegelbild der Wirtschaft. Denn wenn weniger Waren transportiert werden, braucht man weniger LKWs, und das hat uns natürlich stark getroffen. 

In welchem Bereich lief es gut?
SCHMID-DAVIS: Der absolute Gewinner war bei uns Communication, dort haben wir von Konjunkturpaketen für die Infrastruktur stark profitiert, Stichwort digitale Schiene. Außerdem von den Konjunkturpaketen für den Bevölkerungsschutz mit unseren Sicherheitssystemen.

Nach den Jahren der Krise gab es zuletzt positive Meldungen aus den Unternehmen. Wie ist die Stimmung bei Ihnen?
SCHMID-DAVIS: Es müssen jetzt dringlichst die richtigen Weichen gestellt werden. Es hilft meines Erachtens nicht, ein bisschen herumzudoktern, sondern es müssen wirklich große Schritte getan werden in diesem Land, sonst schneidest du dem Rückgrat, nämlich dem Mittelstand, wirklich die Luft ab.

Welche Schritte sind das aus Ihrer Sicht? 
SCHMID-DAVIS: Die Bürokratie ist natürlich ein großes Thema, das uns wirklich erschlägt. Diese Konjunkturpakete, die 500 Milliarden, müssen erst mal durch einen riesigen Bürokratieladen getrieben werden, bis sie bei der Wirtschaft ankommen. Ich habe neulich ein sehr interessantes Interview mit dem neuen Chef des Bauunternehmens Strabag gelesen. Er glaubt nicht, dass vor 2027 nennenswerte Volumina dieser Milliarden bei den Lieferanten oder Produzenten ankommen. Es dauert einfach alles zu lange in diesem Land.

Haben Sie denn bis 2027 Zeit?
SCHMID-DAVIS: Wir haben ein gut gefülltes Auftragsbuch und rund 700 Mio. Euro Auftragsbestände. Wirtschaft ist ja etwas Psychologisches. Die Nachfrage steigt in dem Moment, in dem wieder mehr Vertrauen in die Wirtschaft kommt. Es ist jetzt wichtig, dass dieses Vertrauen zurückkehrt, dass der Konsum wieder anzieht, dass die Investitionen anziehen. Da bin ich sehr zuversichtlich, dass sich ab 2026 auch die Nachfrage im Automotivebereich wieder positiv entwickelt. Wir sehen momentan eine sehr stabile Situation am Markt. Die Tendenz ist vielleicht sogar wachsend. Daher bin ich sehr zuversichtlich.

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