Capital: Körber war lange ein klassischer Maschinenbauer. Dann haben Sie sich entschieden, das Unternehmen massiv umzubauen. Warum?
STEPHAN SEIFERT: Unser Neustart fiel in die Zeit nach der Finanzkrise 2012 und 2013. Wir haben damals darüber diskutiert, wie zukunftsfähig eigentlich unser Konzern und unser Geschäft ist, wenn man nach vorne schaut. Zusammen mit mehreren Instituten haben wir dann mehrere Megatrends und Technologietrends identifiziert, die in der Zukunft eine Rolle spielen werden. Vor diesem Hintergrund haben wir uns unseren Konzern noch einmal angeschaut und geschaut, wo wir uns weiterentwickeln können. Daraus wurde dann ein sehr großer Umbau im Konzern, der heute ein ganz anderer ist.
Sie haben Sparten eingestellt und Leute entlassen. Es war also eine sehr tief greifende Transformation.
Ja, vielleicht sollte man einmal die Dimensionen verdeutlichen. Als wir die Diskussion geführt haben, hatten wir einen Konzernumsatz von 2,2 Mrd. Euro. Davon haben wir ein Volumen von 1,6 Mrd. Euro verkauft. Das sind 70 Prozent des damaligen Geschäfts. Zugleich haben wir für eine Mrd. Euro zugekauft. Da wir in den vergangenen Jahren mit den neuen Strukturen und neuen Industrien stark gewachsen sind, werden wir in diesem Jahr etwa auf 3,5 Mrd. Euro Umsatz kommen. Wir haben uns im Prinzip neu erfunden.
Was kam denn inhaltlich bei dieser Neuerfindung heraus?
Wir haben uns einerseits auf Lieferketten konzentriert, also auf alles, was mit globaler Logistik und E-Commerce zu tun hat. Außerdem haben wir das Thema Pharma ausgebaut, wo wir unsere Kompetenzen erweitern. Aus ursprünglich sieben Geschäftsfeldern sind heute drei geworden. Wir haben vor allem stark in Software und Digitalisierung investiert. Heute machen wir 25 Prozent unseres Geschäfts mit Software und digitalen Lösungen.
Sie sprechen sich auch über Ihr Unternehmen hinaus öffentlich dafür aus, dass der deutsche Maschinenbau sich wandeln muss. Was genau meinen Sie damit?
Ich glaube, wenn wir nicht als Standort des Maschinenbaus oder des industriellen Mittelstands aufpassen, dann fordert es viele Unternehmen extrem heraus. Ein Punkt ist, und das gilt für alle Sektoren: Überall geht der Trend zur Automatisierung, aus unterschiedlichen Gründen. Smarte Lösungen werden nicht übers Eisen, sondern über Software oder Digitalisierung gefunden. Aber keine dieser Lösungen ist in Deutschland oder Europa zuhause.
Was ist die Konsequenz daraus?
Wir bei Körber haben überlegt: Machen wir das selber, stellen Hunderte Leute ein und sind fünf Jahre unterwegs – mit begrenzter Glaubwürdigkeit im globalen Markt? Stattdessen haben wir uns entschieden Firmen zu kaufen, die da schon Marktführer sind. Dieser Schritt ist keine Selbstverständlichkeit.
Hören Sie in der neuen Folge von "Die Stunde Null":
- Warum Körber Teile seiner Softwareprojekte verkauft hat
- Welche Rolle die USA für Körber spielen
- Welche Vorteile die deutsche Wirtschaft noch hat
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