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Uhren Goldene Zeiten: Die (bisher) schönsten neuen Uhren 2022

Fast wie früher: Die Stimmung auf der diesjährigen Uhrenmesse Watches & Wonders in Genf war bei Ausstellern wie Besuchern gleichermaßen positiv.
Fast wie früher: Die Stimmung auf der diesjährigen Uhrenmesse Watches & Wonders in Genf war bei Ausstellern wie Besuchern gleichermaßen positiv.
© FONDATION DE LA HAUTE HORLOGERIE/KEYSTONE/Cyril Zingaro
Nebenan starteten Jets in alle Himmelsrichtungen und auch auf dem Genfer Messegelände schien bei der Uhrenmesse Watches and Wonders das Motto zu gelten: The sky is the limit. Persönliche Notizen zur Lage der Branche und die 35 schönsten Modelle des ersten Halbjahres

„Always look on the bright side of life“, tönte es ausgelassen durch das vollbesetzte Théâtre du Léman. Für die gut zwei Stunden eines exklusiven Konzertes von Filmkomponist Hans Zimmer samt großem Ensemble war dem Publikums genau das geglückt. Erfüllt und beseelt von den Klangwelten des zweifachen Oscar-Gewinners, der auf Einladung von IWC ein grandioses Best-of seines Schaffens bot, rückte in den Hintergrund, was dieser Tage die Stimmung trübt: von C wie Corona über I wie Inflation bis zu U wie Ukraine.

Zum ersten Mal seit über zwei Jahren wieder Live-Musik, Ellenbogen an Ellenbogen in den Sitzreihen, den E-Bass auf der Haut spüren, virtuosen Cello-Soli lauschen. Stimmt, so fühlte sich das früher an, vor der Pandemie. Kurz: Ein Abend, an dem das Kürzel W & W nicht für die Uhrenmesse Watches and Wonders stand, in deren Rahmen Zimmer auftrat – launig anmoderiert von IWC-Chef Chris Grainger-Herr – sondern für „Wow“.

Die Premiere der ersten großen Leistungsschau mit Uhren-Anfassen und -Umbinden, nach rund 18 Monaten ständigen Starrens in die Webcam, war den Machern zweifellos geglückt. Ja, maulte mancher, die implodierte Baselworld lag so praktisch mitten im Zentrum ihrer namensgebenden Stadt, während der Palexpo-Komplex an den wenig vorzeigbaren und erstaunlich schlecht organisierten Genfer Flughafen grenzt. Im tristen Straßenknäuel-Nirvana. Dafür punktete die Watches and Wonders abermals mit hohem Komfort, einem hilfsbereiten Stab adretter Mitarbeiter („Die sind doch von einer Modelagentur“, hörte man Kollegen mutmaßen) – und einer Stimmung, die man vielleicht am besten mit verhaltener Euphorie beschreiben kann.

Partners in time: Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, IWC-Boss Chris Grainger-Herr und der zweifach Oscar-prämierte Filmkomponist Hans Zimmer auf der Uhrenmesse Watches & Wonders
Partners in time: Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, IWC-Boss Chris Grainger-Herr und der zweifach Oscar-prämierte Filmkomponist Hans Zimmer auf der Uhrenmesse Watches & Wonders
© PR

Am ersten Tag fragte sich noch der eine oder andere Kollege mit mulmigem Bauchgefühl, ob die Messe nicht doch als nobelstes Superspreader-Event in die Seuchen-Geschichte eingehen könnte. Spätestens am dritten Morgen aber ließ auch der hypochondrische Capital-Reporter seine FFP2-Maske in der Sakkotasche. Manchmal. Nicht nur deshalb: Es gab allerorts ein hör- und spürbares Aufatmen, vom Messestand über die Order-Suite bis zum Offsite-Dinner.

Endlich wieder mit oder ohne Lupe mitten hinein in sämtliche Zifferblatt-Ebenen, hochkomplexe Werkraffinessen durch Glasböden beobachten, über die Perfektion auf der Lünette gefasster Edelsteine staunen – und mit viel Glück noch ein Selfie mit einem prominenten Markenbotschafter oder einer Branchen-Koryphäe abstauben. „Einmal hier herüberschauen, bitte, Lewis Hamilton“ und „Wie war das damals im ewigen Eis, Mike Horn?“. Stippvisiten, die mächtig auf die Reichweite der Watches and Wonders einzahlten. 350 Millionen Menschen wurden nach Schätzungen der Veranstalter über digitale Kanäle erreicht, etwa 800.000 Mal wurde der Hashtag #watchesandwonders in sozialen Medien erwähnt. 

Es war eigentlich alles fast wie früher. Wie gesagt: Wenn man bei all dem Luxus in Vitrinen und auf gepolsterten Vorlage-Tabletts ausblendete, was anderswo in der Welt gerade Menschen in die Flucht trieb …

Aber: The watch show must go on. Und das klappte mehr als ordentlich. Goldene Zeiten, und das ist in vielerlei Hinsicht kaum übertrieben. Die Geschäftsbücher, so liest es sich im offiziellen Schlussbericht, seien bei nahezu allen der 38 teilnehmenden Marken prallvoll geschrieben. Das deckt sich mit dem subjektiven Erleben, denn manche der rund 1700 Neuheiten-Präsentationen, gerade bei kleineren Playern, wurde bereits am zweiten Messetag von den Worten „Dieses Modell ist bereits ausverkauft“ und „Wir fokussieren uns jetzt auf 2023“ begleitet. Einige unabhängige Häuser sollen gar erstmals seit Jahrzehnten tiefschwarze Zahlen schreiben.

Insgesamt stiegen die Schweizer Uhrenexporte im März um 11,8 Prozent gegenüber 2021 auf 2,1 Milliarden Franken. Während der Sortimentsbereich jenseits von 3000 Franken weiter signifikant wächst, geht es für Anbieter von Uhren zwischen 500 und 3000 Franken nur leicht aufwärts und im Segment darunter deutlich nach unten. Und zwar sowohl beim Volumen als auch beim Exportwert.

Die Lieferengpässe der Luxus-Goliaths, so scheint es, beförderten die starke Performance der Davids. Eine Situation, die sich noch einige Monate, wenn nicht Jahre hinziehen könnte. Es soll von den großen dreien – Rolex, Audemars Piguet und Patek Philippe – mittlerweile Modelle geben, bei denen sich die Nachfrage Jahr um Jahr verdoppelt, in Ausnahmefällen sogar rund 500-fach das Angebot übersteigt. Dieser Run habe übrigens neben den heißbegehrten Linien Daytona, Nautilus und Royal Oak längst auch das breitere Sortiment des Spitzentrios erfasst.

Mit allen Wassern gewaschen: Auch auf der Uhrenfachmesse Watches & Wonders 2022 waren Taucheruhren (hier am Stand von TAG Heuer) eine sichere Bank für die Hersteller.
Mit allen Wassern gewaschen: Auch auf der Uhrenfachmesse Watches & Wonders 2022 waren Taucheruhren (hier am Stand von TAG Heuer) eine sichere Bank für die Hersteller.
© PR

Gleich mehrfach war es daher den Verantwortlichen ein Anliegen, dem seit Jahren regelmäßig geäußerten Vorwurf einer „künstlichen Verknappung“ entgegenzutreten. Man erweitere stetig die Produktionskapazitäten, nur ließe sich die Fertigung einer Luxusuhr oberster Güte eben nicht beliebig und schon gar nicht über Nacht skalieren. Von der dafür benötigten Manpower ganz abgesehen. Die Geduld der Enthusiasten bleibt also vorerst ihr kostbarstes Gut. Wie auch die Neugier, sich den vielen weiteren spannenden Manufakturen im Markt zuzuwenden.

Der andere Aspekt dieser „Golden Years out Watchmaking“ ist rein oberflächlich zu beobachten und hat mit dem fulminanten Comeback von Gelbgold und der weiterhin starken Nachfrage nach Roségold zu tun. Auch und gerade bei den Herrenuhren. Endgültig vorbei die Klischees des goldenen Zeitmessers als Pensionsdreingabe im Job (bestenfalls) oder Statussymbol in mehr als halbseidenen „Branchen“ (schlimmstenfalls). Aktuell, das lässt sich in nahezu jedem Modellportfolio erkennen, finden Kunden alles Gold, was glänzt.

Weitere wichtige bis zumindest bemerkenswerte Trends: Titan und Platin holen zum Trio der Goldvarianten auf; Blau bleibt als Zifferblattfarbe ebenso Trumpf wie das aufholende Grün, hier und da bereichert durch zaghaftes Lachs- und Burgunderrot; ohne rasch und ohne Werkzeug wechselbare Armbänder geht es im Prinzip nicht mehr am POS; die Gangreserven der Automatik- und Handaufzugwerke überbrücken mehr und mehr Tage; die zweite Zeitzone oder GMT-Funktion bleibt en vogue, ebenso die Chronographen und „Taucheruhren“. Und wer dann noch recycelte und/oder vegane Materialien bei möglichst vielen Komponenten vorweisen kann, hat den Zeitgeist auf seiner Seite.

Was die Marketing-Botschaften betraf, könnte man etwas süffisant formulieren: Den Uhrenmanufakturen dürften bald die Abenteurer ausgehen. Kaum eine Maison, die keinen Bergsteiger, Apnoetaucher, Hochleistungsathleten, Entdecker oder Umweltschützer unter Vertrag hat. Meist gar eine Kombination aus allem. Die Unterstützung und öffentliche Plattform sei ihnen ja allen von Herzen gegönnt, nur als Kapitel im Storytelling ist das allmählich ein recht zerknautschter Treckinghut.

Weniger ein Thema als taffe Kerle mit robusten Zeiteisen schienen klassische Werbepromis zu sein, von regionalen Berühmtheiten bis zum Hollywoodstar. Und auch an Smartwatches versucht sich bis auf wenige Ausnahmen eigentlich kaum eine in der Mechanik etablierte Marke.

Als Appetithappen, ehe Sie in die Bildergalerie abbiegen, hier einige Highlights aus dem Messetagebuch:

  • eine Bergsteigeruhr mit Stickstoff-Atmosphäre im Inneren (Montblanc),
  • eine Uhr, die eine Miniatur-Tafelrunde mit 12 Rittern um ihr Zifferblatt versammelt (Roger Dubuis),
  • eine Weltzeituhr, deren komplexe Konstruktion ich mir noch Tage nach der Präsentation wieder und wieder mühsam mental erarbeiten musste (Patek Philippe),
  • eine Uhr, die die Zeit mit geöffneten und geschlossenen Blüten anzeigt,
  • eine weiße Keramikuhr, deren Reise vom Granulat zum fertigen Produkt eine eigene Filmdoku wert wäre (IWC),
  • eine Uhr, deren Armband den Lederrüstungen der Samurai nachempfunden war (Grand Seiko),
  • eine weiterer Rekord für Bulgari (der achte),
  • ein autodidaktischer Uhrmacher, der seiner visionären Kraft ein horologisches Denkmal gesetzt hat (Ulysse Nardin),
  • ein Modell, dessen Zifferblatt alles Licht schluckt wie ein schwarzes Loch und ebenso unwirklich düster ausschaut (H. Moser & Cie),
  • die Rückkehr einer oft unterschätzten Ikone (Rolex),
  • die perfekteste goldene Uhr (Vacheron Constantin),
  • eine Uhr, die sechs Kilometer tauchen könnte. Wenn ihr Träger das bloß auch schaffte … (Omega).
Substanz schlägt Show: Große Inszenierungen gab es nur bei einem Teil der Aussteller zu bestaunen. Die Mehrheit setzte auf die Wirkung der „Touch & Feel“-Termine, bei denen ihre Uhrenneuheiten die Runde machten.
Substanz schlägt Show: Große Inszenierungen gab es nur bei einem Teil der Aussteller zu bestaunen. Die Mehrheit setzte auf die Wirkung der „Touch & Feel“-Termine, bei denen ihre Uhrenneuheiten die Runde machten.
© PR

Ach ja, und dann war da natürlich noch der seit Jahren kontrovers diskutierte und dennoch längst von nahezu allen Wettbewerbern mehr oder minder offen bespielte, weiterhin boomende Gebraucht-Zweig des Uhrenmarktes. Hier setzt sich allmählich eine dreigeteilte Strategie durch: Während die einen sich komplett auf Neuware und einen verlässlichen, Jahrzehnte übergreifenden Service dafür konzentrieren, richten andere Vintage-Theken in ihren Boutiquen und spezielle Bereiche in ihren Onlineshops ein. Oder, die dritte Variante, man kauft sich als Luxusgruppe einen Zweitmarkt-Primus und vernetzt die eigenen Maisons mit dieser Plattform. So geschehen bei Richemont, wo man das vor 20 Jahren gegründete und mittlerweile übernommene Unternehmen Watchfinder diesmal gleich in den Messestand von Panerai integrierte. 

Watchfinder-CEO Arjen van de Vall gab in einem späteren Gespräch den „sweet spot“ des Pre-Owned-Business bei zwischen 5000 und 25.000 Euro an. Liebend gern würde er auch Rolex-Modelle listen und hofft überdies für seinen Branchenzweig auf ein steigendes Sicherheitsgefühl sowie mehr Transparenz durch Blockchain-Lösungen. „Wir stehen vor einer Entwicklung, wie sie im TV einst durch HBO und später durch Netflix eingeläutet wurde: einem massiven Qualitätssprung beim Angebot.“ Insgesamt betrachtet, blickt van de Vall optimistisch auf die anfangs durch Corona geschüttelte Branche.

Richtig, jede Industrie sei nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Doch angesichts der (Stand: Anfang April) sehr robusten bis fantastischen Verkaufszahlen trifft das auf die Uhren jedenfalls nicht zu. Auch der zum Teil geschlossene Einzelhandel, die Juweliere, kam zumeist erstaunlich gut, wenn nicht brillant durch die Krise. Das zumindest hörte man nach den Orderrunden bei diversen Uhrenherstellern. Vielleicht sind das also einfach wirklich mal wieder richtig goldene Zeiten.

Für die Watches and Wonders geht es weiter im September in Schanghai – wenn es die Coronapandemie zulässt. Doch auch das dürfte die Branche, die bewegte Jahrhunderte erlebt und überstanden hat, größtenteils vermutlich mit allenfalls leichten Blessuren verkraften. „Always look on the …“

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