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Niels Albrecht Wer Einfluss nehmen will, muss die Bedürfnisse der anderen kennen

Niels H.M. Albrecht
Niels H.M. Albrecht
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Je nachdem, an wen sich Ihre Botschaft oder Ihr Angebot richtet, sollte Ihre Kommunikation an der jeweiligen Zielgruppe ausgerichtet sein. In der Politik beherrschte Karl-Theodor zu Guttenberg diese Kunst bis zu einem gewissen Zeitpunkt perfekt. 

Unternehmen, Organisationen und Parteien müssen mit ihrer Kommunikation eine massenmediale Wirkung erzielen. So müssen Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte in der Bevölkerung verkaufen. Organisationen wollen ihre Interessen in der breiten Öffentlichkeit platzieren, und Parteien streben politische Mehrheiten an. Sie alle sind darauf angewiesen, breite gesellschaftliche Gruppen zu erreichen und in ihrem Sinne zu aktivieren. Doch nur ganz wenigen Kampagnen gelingt es, die verschiedenen Zielgruppen anzusprechen. Oftmals bleiben die millionenschweren PR-, Werbe- und Marketingmaßnahmen hinter den Erwartungen zurück, da die Ansprache der verschiedenen Milieus scheitert. Das kann viele Gründe haben: ein falsches Wording, eine unpassende Bildsprache oder eine schlechte Platzierung. In diesen Fällen geht die Kommunikation ins Leere.

Die Folgen sind bekannt: Die Produkte verkaufen sich schlecht und werden wieder aus den Regalen geräumt, die Handzettel von der Müllabfuhr eingesammelt und die Plakate wieder abgehängt. Und wir? Wir haben davon nicht einmal etwas mitbekommen, weil die Informationen uns einfach nicht erreicht haben. Alles lief unterhalb unserer Wahrnehmung ab. Die meisten Kommunikator:innen und Marketer:innen setzen sich zu wenig mit einer intensiven Zielgruppenanalyse auseinander. Gute Kommunikator:innen haben die Fähigkeit, sich in die Lebens- und Bedürfniswelten der anderen Menschen hineinzuversetzen.

Ein Meister der medialen Inszenierung war der ehemalige Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er beherrschte die strategische und zielgruppengenaue Kommunikation wie kaum ein anderer – bis zum 16. Februar 2011, als die Süddeutsche Zeitung seine Plagiatsaffäre veröffentlichte und er an seiner eigenen Kommunikation scheiterte. Vor dieser Zeit hatte Karl-Theodor zu Guttenberg die folgenden fünf Erfolgsfaktoren der Public Relations für sich wirkungsvoll genutzt: Werte und gesellschaftliches Engagement, zielgerichtete Kommunikation, klare Botschaften, starke Bilder und strategische Medienzugänge.

Werte und gesellschaftliches Engagement

Über den ersten Erfolgsfaktor, das gesellschaftliche Engagement von Karl-Theodor zu Guttenberg, müssen hier nicht viele Worte verloren werden. Der Franke spielte von Geburt an in einer anderen Liga als viele andere Politiker:innen: Er ist als Baron zur Welt gekommen. Er wuchs auf einem Schloss auf, und der Geburtsort trägt den Namen seiner Familie.

Niels H. M. Albrecht: Kommunikationsmacht – Strategien der Aufmerksamkeitsökonomie, 480 Seiten, gebunden, 24,95 Euro, ISBN 978-3-98212-621-0, Blick ins Buch
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Sein Vater war ein bedeutender und einflussreicher Dirigent. Das Manager Magazin schätzte 2010 das Vermögen von Enoch zu Guttenberg auf 400 Mio. Euro. Ursprung des Vermögens war neben Großgrund- und Waldbesitz das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt an der Saale. Im März 2002 verkaufte die Familie ihre Unternehmensanteile für 260 Mio. Euro an die bayerische Hypovereinsbank. 2012 wurde das Vermögen bereits auf 450 Mio. Euro beziffert und Enoch zu Guttenberg auf Platz 261 der 500 reichsten Deutschen geführt. Und die Frau von Karl-Theodor zu Guttenberg, Stephanie, brachte einen noch bedeutenderen Namen mit in die Ehe: Sie ist eine von Bismarck. Die Familie zu Guttenberg vertritt die christlichen Werte, setzt sich für die Natur und den Umweltschutz ein und ist um die Kultur, insbesondere die Musik, sehr bemüht. Beruf und Berufung liegen in dieser Familie dicht beieinander: Es handelt sich um die eigenen Interessen.

Zielgerichtete Kommunikation

Die zehn verschiedenen Milieus in Deutschland sind für unterschiedliche Themenfelder empfänglich. Auf diesen Sachverhalt hat Karl-Theodor zu Guttenberg seine politische Kommu-nikation aufgebaut und gezielt Themen für die jeweiligen Gesellschaftsgruppen abgesetzt.

Konservativ-Etabliertes Milieu. Themenfeld Klassische Musik. Diesen Themenkomplex hat er über seinen Vater, einen bedeutenden Dirigenten, darstellen können. Die Anerkennung des Vaters übertrug das konservativ-etablierte Milieu sehr schnell auf den Sohn. Somit war dem Jungpolitiker schon zu Beginn seiner Karriere eine hohe Zustimmung aus diesem Milieu sicher.

Traditionelles Milieu. Themenfeld Adel. Mehr hatte Deutschland nicht zu bieten: Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein Baron und seine Frau eine von Bismarck. Dieses Thema wurde gezielt in der Yellow Press verbreitet und besonders stark von dem traditionellen Milieu aufgenommen.

Liberal-Intellektuelles Milieu. Themenfeld Wirtschaft. Seine wirtschaftliche Kompetenz hatte zu Guttenberg in der Krise des Autobauers Opel beweisen können. Mit seinem Einsatz gegen Subventionen für Opel erzielte er hohe Zustimmungswerte.

Sozialökologisches Milieu. Themenfeld Umwelt. Auch das sozialökologische Milieu stand der Familie zu Guttenberg nicht ablehnend gegenüber. Die Familie ist einer der der größten Waldbesitzer in Deutschland und setzt sich, schon aus eigenem Interesse, für den Umwelt- und Waldschutz ein.

Bürgerliche Mitte. Themenfeld Familie. Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg waren aus der Perspektive der bürgerlichen Mitte nicht nur ein Vorzeigepaar, sondern auch Vorbild für ein harmonisches Familienleben. Somit erhielt die Familie zu Guttenberg hohe Zustimmungswerte auch in diesem Milieu.

Prekäres Milieu. Themenfeld Sex und TV. Der Baron hatte erkennbare Schwierigkeiten, das prekäre Milieu anzusprechen. Dies gelang ihm durch den gezielten Einsatz seiner Frau in dem Fernsehformat „Stephanie zu Guttenberg jagt Kinderschänder“ auf RTL II. Stephanie zu Guttenberg gelang es, die Themen Sex und TV-Konsum zu einer moralischen TV-Instanz im Bereich der Aufklärung zu erheben. Das gesellschaftliche Engagement der Familie wurde so im prekären Milieu erlebbar.

Moderne Performer. Themenfeld Politik. Zu Guttenberg punktete in der deutschen Gesellschaft und ganz besonders bei dem Milieu der Performer, als der ehemalige Verteidigungsminister, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die Wahrheit über den Einsatz der Bundeswehr in der Provinz Kunduz aussprach: „Ja, es ist Krieg in Afghanistan.“

Expeditives Milieu. Themenfeld Pop- und Rockmusik. Auch als DJ für Pop- und Rockmusik war zu Guttenberg im Einsatz. Die Fotos von ihm als „Mann hinter den Plattentellern“ verfehlten ihre Wirkung bei der jüngeren Zielgruppe des expeditiven Milieus nicht. Einen Bundesminister als DJ gab es vor zu Guttenberg nicht.

Adaptiv-Pragmatisches Milieu. Themenfeld Lifestyle. Karl-Theodor zu Guttenberg gelang es, durch seine Auswahl von Anzügen und seine Freizeitmode ein neues Lifestyle-Gefühl in die Politik zu tragen. Eine Selbstdarstellung, die besonders beim adaptiv-pragmatischen Milieu ihre Wirkung nicht verfehlte.

Hedonistisches Milieu. Themenfeld Party. Das hedonistische Milieu sprach er an, indem er verkündete, dass er seine Frau Stephanie auf der Love-Parade in Berlin kennengelernt hatte. Mit dieser Aussage baute er eine gewisse Nähe zur Techno-Szene auf.

Klare Botschaften

Es waren die einfachen Schlagworte, wie zum Beispiel „Agenda 2010“ von Bundeskanzler Gerhard Schröder oder auch die befreiende Analyse von zu Guttenberg „Ja, es ist Krieg in Afghanistan“, die eine gewisse emotionale Bilderwelt bei den Zuhörer:innen auslösten. Die deutsche Bevölkerung war über die Reformbemühungen und Sozialeinschnitte am Arbeitsmarkt durch den Sozialdemokraten Schröder tief verunsichert. Mit der Agenda 2010 und Hartz IV wurde die Massenarbeitslosigkeit überwunden und das Wirtschaftswachstum kam zurück. Nur für die SPD wurde die Reform zu einem schweren Erbe. Es gelang der Partei nicht, die Agenda 2010 entweder vollständig anzunehmen oder zu überwinden. Diese Unentschlossenheit wirkt bis heute nach und zerreißt die Sozialdemokratie.

Im Gegensatz dazu waren die Worte des Verteidigungsministers zu Guttenberg zum Afghanistan-Einsatz eine richtige Analyse zu den Kriegsbildern, die Abend für Abend durch die deutschen Wohnzimmer flimmerten. Die Bevölkerung war dankbar für sein klares Statement, denn seine Vorgänger sprachen immer von „kriegsähnlichen Zuständen“. Mit dieser Wortwahl beraubten sie sich selbst des Vertrauens innerhalb der deutschen Bevölkerung. Wer Aufmerksamkeit erzielen will, muss Klarheit erzeugen oder Reize setzen.

Auf den großen Reiz war auch das Fernsehformat von Stephanie zu Guttenberg angelegt: Sie kämpfte auf RTL II gegen Kinderschänder und erreichte damit nicht nur die unteren Milieus, sondern platzierte das Thema in der ganzen Gesellschaft. Auch die Bild-Zeitung griff dieses Thema auf und stieß eine Debatte zum Kinderschutz an. Hierbei handelte es sich jedoch mehr um eine Kampagne im Boulevardjournalismus. Es ging nie um eine wissenschaftliche Betrachtung dieses schwerwiegenden und komplexen Sachverhaltes. Seichte News verkaufen sich einfach leichter. Zuschauer:innen setzen sich kaum mit der therapeutischen Hilfe für Missbrauchsopfer und der juristischen Aufarbeitung und Resozialisierung der Täter:innen auseinander, wenn auf dem nächsten Kanal ein Kinderschänder gejagt wird.

Die Komplexität politischer oder wirtschaftlicher Themen schreckt ab. Nicht jeder möchte in seiner Freizeit Politik-, Sozial- oder Wirtschaftswissenschaften studieren. Schlagworte und Bilder leiten unser Denken. Nicht die komplexen Inhalte. Ganz gezielt setzte Karl-Theodor zu Guttenberg seine Frau ein, um auch politikferne Milieus für sich zu gewinnen. So entstand eine Omnipräsenz des Paares in den Medien.

Starke Bilder

Die Themen- und Bilderwelt von zu Guttenberg beweist das große Verständnis des Barons für die Rolle des Politikers in der Mediengesellschaft. Er inszenierte sich als der Adlige fürs Volk. Er verstand es, auf dem roten Teppich der Wagner-Festspiele in Bayreuth ebenso wie auf dem Times Square in New York City, auf dem Volksfest in Franken bis hin zum medialen Kurzeinsatz als Disco-DJ, für jede Zielgruppe eine gute Figur zu machen. Er hatte das politische Maskenspiel perfektioniert: Jeder Situation konnte er sich anpassen und ein Teil des jeweiligen Milieus werden.

Strategische Medienzugänge

Der große Erfolgsmotor, den Guttenberg zu jeder Zeit zu bedienen verstand, war die formvollendete Welt des schönen Scheins von den Fürstenhöfen Europas bis zur Fernsehfamilienshow von Thomas Gottschalk. Er nutzte jede Medienbühne für sich. Guttenberg hatte seine eigene Agenda. Seine Themen waren immer eng verbunden mit den gesellschaftlichen Ansprüchen und Wünschen aus Werten, Verantwortung, Stil und Etikette. Diese Themen sind für Politiker:innen sicheres Terrain, denn niemand in der Bevölkerung wird sich von diesen Eigenschaften abgestoßen fühlen. Die Menschen in ganz Deutschland brachten ihm Vertrauen entgegen, und Vertrauen ist die Währung der Politik.

Vergleicht man den Politikstil von Karl-Theodor zu Guttenberg mit dem des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy, können wir festhalten, dass uns der Baron aus Franken die Kennedy-Story noch einmal erzählt hat. Längst gehören die immer jungen Bilder von Jack und Jackie zur Pop- und Medienkultur der Vereinigten Staaten von Amerika. Wie kein anderer Politiker diente John F. Kennedy als Projektionsfläche für Amerikas Wunsch nach Größe, die sich aus Moral speisen sollte. Guttenberg wusste, dass sich Geschichten gut erzählen lassen. Und er erzählte sie uns. Der Rechtswissenschaftler Oliver Lepsius brachte es auf den Punkt: „Guttenberg nivellierte das politische System zur Pop- und Medienkultur, und dadurch wurde es für viele begreifbar. Das Volk liebte Guttenberg nicht als Fachmann, sondern als jemanden, der der Politik Stil verlieh.“ Das war seine eigentliche Stärke.

Zielgruppenkommnikation

Unsere Kommunikation ist stark geprägt von unseren sozialen Beziehungen. Das klingt im ersten Moment langweilig; ist es aber nicht. Oder können Sie die folgenden Fragen beantworten:

Welchem Milieu gehören Sie an? Welche Medien nutzen Sie? Welche Werbung erreicht Sie? Warum nutzen Sie gerade diese Medien? Warum schenken Sie gerade dieser Werbung Ihre Aufmerksamkeit? Eine kurze Analyse über den eigenen Standpunkt ist notwendig, da wir nur so erkennen können, an welche gleichgesinnten Personengruppen wir anschlussfähig sind. Gleichgesinnte Gruppen werden in der Fachsprache als Milieus bezeichnet. Jeder von uns gehört einem solchen Milieu an. Wenn wir wissen, wo wir stehen und wen wir ansprechen möchten, sind Kenntnisse der Milieuforschung unabdingbar. Sehr hilfreich sind hier die Milieustudien des Sinus-Instituts, welche ich Ihnen in einer Kurzform vorstelle, um Ihnen zu zeigen, welche Möglichkeiten es in der zielgerichteten Kommunikation gibt.

Milieuforschung

Die sozialwissenschaftliche Forschung des Sinus-Instituts unterteilt seit mehr als 30 Jahren Deutschland in zehn unterschiedliche Milieus. Dort werden Menschen zusammengefasst, die sich in ihrer Lebensorientierung und Lebensweise ähneln. Das heißt, die Menschen in einem Milieu verfügen über ähnliche Wertprioritäten, soziale Lagen und annähernde Lebensstile. Die Ermittlung der verschiedenen Lebensstile hilft uns, bestimmte Kombinationen typischer Verhaltens-, Kommunikations- und Konsummuster der verschiedenen Milieus zu ermitteln. Die Lebenswelten der Milieuuntersuchungen setzen sich aus folgenden Bausteinen zusammen: Lebensstil, Familie und Partnerschaft, Rollenbilder, Umwelt und Technik, Geld und Konsum, Medien, Politik, Werte, soziale Lage, Leitbilder, Gesellschaft, Freizeitinteressen, Arbeit und Beruf, Alltagsästhetik, Gesundheit und Ernährung.

Aus diesem Forschungsansatz ergibt sich die „Kartoffelgrafik der Milieus“, welche die deutsche Gesellschaft nicht nur in eine vertikale Ebene nach der sozialen Lage in Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht unterteilt, wie wir uns an den Pyramidenaufbau der Gesellschaft aus dem Geschichtsunterricht der Schule noch erinnern. Dieser Ansatz der klassischen Gesellschaftspyramide würde heute zu kurz greifen. Die moderne Gesellschaft wird immer dynamischer, komplexer und segmentierter, daher verfügen die Sinus-Milieus auch über eine horizontale Ebene. Die horizontale Ausrichtung beschreibt die Grundorientierung der jeweiligen Milieus nach Tradition, Modernisierung und Individualisierung sowie Neuorientierung: Je höher ein Milieu angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung, Einkommen und Berufsgruppe. Je weiter rechts ein Milieu positioniert ist, desto moderner sind seine Lebensauffassung und Lebensweise.

Die Sinus-Milieus vermitteln den Betrachter:innen einen Überblick über die Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft. Quasi einen Blick durchs Schlüsselloch in die Lebenswelten der Deutschen. Wir können zum Beispiel ihren Werten, ihrem Konsumverhalten, ihrem Berufsalltag, ihrem Medienverhalten und sogar ihrer Wohnungseinrichtung und ihren Freizeitaktivitäten näherkommen. Die bereits erwähnte Kartoffelgrafik stellt eine Art strategische Landkarte der Gesellschaft Deutschlands dar. Man kann erkennen, wo bestimmte Marken, Medien, Produkte und Dienstleistungen positioniert werden können. Und auch, wo Sie selbst sich positionieren können.

Große Unternehmen nutzen diese Marktforschung, um ihre jeweiligen Zielgruppen zu analysieren. Sie interessieren sich für deren Wünsche, Werte, Haltung und ästhetischen sowie kommunikativen Ansprüche, um ihnen passgenaue Nutzenversprechen und Angebote unterbreiten zu können. Die folgenden Kurzbeschreibungen der Sinus-Milieus geben Ihnen einen besseren Einblick in die unterschiedlichen Lebenswelten in Deutschland. Die Prozentzahl hinter jedem Milieu beschreibt, wie stark dieses in Deutschland vertreten ist.

Sozial gehobene Milieus.

Konservativ-etabliertes Milieu. 10 Prozent. Das klassische Establishment: Verantwortungs- und Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance

Liberal-intellektuelles Milieu. 7 Prozent. Die aufgeklärte Bildungselite: kritische Weltsicht, liberale Grundhaltung und postmaterielle Wurzeln; Wunsch nach Selbstbestimmung und Selbstentfaltung

Milieu der Performer. 8 Prozent. Die multi-optionale, effizienz-orientierte Leistungselite: global-ökonomisches Denken, Selbstbild als Konsum- und Stil-Avantgarde; hohe Technik und IT-Affinität; Etablierungstendenz, Erosion des visionären Elans

Expeditives Milieu. 9 Prozent. Die ambitionierte kreative Avantgarde: transnationale Trendsetter – mental, kulturell und geografisch mobil; online und offline vernetzt; nonkonformistisch, auf der Suche nach neuen Grenzen und neuen Lösungen

Milieus der Mitte.

Bürgerliche Mitte. 13 Prozent. Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream: generelle Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen; wachsende Überforderung und Abstiegsängste

Adaptiv-pragmatisches Milieu. 11 Prozent. Die moderne junge Mitte mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nützlichkeitsdenken: leistungs- und anpassungsbereit, aber auch Wunsch nach Spaß und Unterhaltung; zielstrebig, flexibel, weltoffen – gleichzeitig starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit

Sozialökologisches Milieu. 7 Prozent. Engagiert gesellschaftskritisches Milieu mit normativen Vorstellungen vom „richtigen“ Leben: ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker, Vorkämpfer für diskriminierungsfreie Verhältnisse und Diversität

Milieus der unteren Mitte und der Unterschicht.

Traditionelles Milieu. 11 Prozent. Die Sicherheit und Ordnung liebende ältere Generation: verhaftet in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur; Sparsamkeit und Anpassung an die Notwendigkeiten; zunehmende Resignation und Gefühl des Abgehängtseins

Prekäres Milieu. 9 Prozent. Die um Orientierung und Teilhabe („dazu gehören“) bemühte Unterschicht: Wunsch, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte – aber Häufung sozialer Benachteiligungen, Ausgrenzungserfahrungen, Verbitterung und Ressentiments

Hedonistisches Milieu. 15 Prozent. Die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht / untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan; häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags in der Freizeit

Das ist, sehr kurz und vereinfacht dargestellt, die Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft. Nun sollten Sie einschätzen können, welchem Milieu Sie angehören. Danach ist es die entscheidende Aufgabe, welche Zielgruppen Sie erreichen wollen. Je nachdem, an wen sich Ihre Botschaft oder Ihr Angebot richtet, sollte Ihre Kommunikation an der jeweiligen Zielgruppe ausgerichtet sein. Sie sollten sich daher in die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Kund:innen, Mitglieder oder Wähler:innen hineinversetzen.

Niels H. M. Albrecht ist Leiter der DEACK – Deutsche Akademie für Change und Kommunikation. Der Speaker, Dozent und Buchautor berät Regierungen, Unternehmen, Stiftungen, Vereine und Kirchen in Veränderungsprozessen und Krisensituationen. Zuletzt hat er das Buch „Kommunikationsmacht – Strategien der Aufmerksamkeitsökonomie“ veröffentlicht. Daraus stammen die verschiedenen Kommunikationstools, die er in seiner 14-tägigen Kolumne auf Capital.de vorstellt. Mehr Infos zum Autor gibt es hier.

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