In Deutschland ist der Lebensmittelhandel hart umkämpft. Immerhin wird hier ein Umsatz von über 150 Mrd. Euro erwirtschaftet. Die Edeka-Gruppe ist gemessen am Bruttoumsatz der größte Lebensmittelhändler Deutschlands. Edeka verfügt über sieben Regionalgesellschaften mit etwa 4500 selbstständigen Einzelhändler:innen sowie der eigenen Discounterkette Netto. Doch die Konkurrenten mit Rewe, Aldi, Lidl und Metro sind Edeka auf den Fersen. Allein die Discounter in Deutschland investieren pro Jahr zwischen 600 und 800 Mio. Euro in Werbung.
Kein Wunder, dass man sich in diesem Marktsegment etwas einfallen lassen muss, um die Kund:innen in seinen Laden zu locken. Bei Edeka kommt erschwerend hinzu, dass sich nachweislich die ältere Zielgruppe von dem Sortiment angesprochen fühlt. Mehr als 60 Prozent der Kundschaft beim Marktführer sind über 40 Jahre alt. Ein Ergebnis, mit dem der Vorstand nicht zufrieden war. Die Lösung lag auf der Hand: Die junge Zielgruppe zwischen 20 und 39 Jahren sollte nicht weiter bei der Konkurrenz einkaufen, sondern bei Edeka. Man wollte diese Kund:innen gewinnen.
Hierfür brauchte man eine gute Idee: Eine eigene Produktlinie wurde entwickelt, um den Billig-Angeboten von Aldi und Lidl etwas entgegenzusetzen. Die Supermärkte wurden den Einkaufsbedürfnissen der verschiedenen Zielgruppen angepasst und die neuen Edeka-Produkte sichtbar in den Regalen platziert. Denn Edeka-Chef Markus Mosa liebte nicht nur Lebensmittel, sondern auch die strategische Weiterentwicklung seiner Handelskette: „Wenn die Markenhersteller nicht schnell genug sind, nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand und entwickeln Produkte.“ Gesagt, getan.

Jetzt fehlte nur noch eine Marketingstrategie, die der jungen Zielgruppe die Vorteile der eigenen Produktlinie nahebringt. Doch wie erzählt man jungen Menschen, dass es nun günstige und qualitative hochwertige Produkte beim Supermarkt um die Ecke gibt? Welches Medium sollte über die neuen Produkte berichten? Und wen interessierte diese Nachricht? Leider niemanden.
Es brauchte also eine Content-Marketing-Strategie, um einerseits die neue Produktwelt vorzustellen und andererseits in einer Metaebene eine ganz andere Geschichte mit Nachrichtenwert zu erzählen. Sehr schnell trat die Kreativagentur Jung von Matt mit einer solchen Idee auf den Plan. Die Hamburger Werbeagentur drehte mit dem Performancekünstler Friedrich Liechtenstein ein Video, in dem zahlreiche Artikel aus dem Sortiment des Einzelhändlers in Alltagsszenen präsentiert und von Friedrich Liechtenstein als „supergeil“ besungen wurden. Dazu tänzelte der Sänger mit seinem markanten Sprechgesang durch die Supermarktregale, gab Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Kund:innen, badete selbst in Milch von Edeka und pries am Ende des Clips das weiche Klopapier am Fließband der Kasse an. Schon in der ersten Woche wurde das Onlinevideo mehr als vier Millionen Mal aufgerufen. Es war ein viraler Hit. In kürzester Zeit wurde der Film zum beliebtesten und meist gelikten Werbefilm Deutschlands.
Selbst die US-amerikanischen Werbeexperten und Onlinemagazine wie Buzzfeed und Slate fanden den neuen deutschen Humor einer konservativ und verstaubt wirkenden Supermarktkette mehr als bemerkenswert, denn die „supergeile“ Viralogie setzte sich auch in der Musikszene und den klassischen Medien fort. Friedrich Liechtenstein stürmte 2014 mit seinem Song „Supergeil“ die deutschen Charts und war in allen Talkshows zu Gast. Selbst in den Feuilletons der bekanntesten deutschen und internationalen Zeitungen und Magazine wurde der Künstler, der den Song für den Werbespot geschrieben und gesungen hat, besprochen.
Edeka erreichte so nicht nur die junge Zielgruppe, sondern auch einen unglaublichen Nachrichtenwert. Alle Geschichten rund um „Supergeil“ zahlen bis heute auf die Marke Edeka ein. Eine gigantische Reichweite wurde so erzielt. Bleibt die Frage zu klären: Wie viral ist Ihre Kommunikation? Und wie erreicht man Viralität?
Content Marketing
Auch bei Deutschlands größtem Lebensmittelhändler wurde lange um die Kommunikationsstrategie gerungen: Sollte man sich und seine Produkte wirklich als „supergeil“ darstellen? Was würde man machen, wenn ganz Deutschland nicht über die Werbung, sondern über das Unternehmen lacht? Würde man sich der vollständigen Lächerlichkeit preisgeben? Was sollte man tun, wenn das passiert?
Kommunikation ist immer eine Gratwanderung zwischen großem Erfolg und bitterer Niederlage. Das wissen wir aus persönlichen Gesprächen oder schwierigen Verhandlungen. Gleiches gilt für die Unternehmenskommunikation und erst recht für eine Content-Marketing-Strategie. Der deutsche Industrielle Philip Rosenthal vertrat hierzu eine These, die zu seinem Führungsstil wurde: „Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen. Wer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.“ Genau dieses Gleichgewicht versucht man mit dem Content Marketing zu erzielen. Das Wissen um die richtige Botschaft in den richtigen Formaten und auf den richtigen Kanälen für die richtige Zielgruppe ist nicht neu, es muss nur angewendet werden. Die Entwicklung einer ganzheitlichen Content-Marketing-Strategie bleibt eine gemeinschaftliche Aufgabe für Management, Marketing und den Vertrieb, um gemeinsam die operativen Ziele für das Unternehmen zu erreichen.
Content Marketing ist eine Kommunikationstechnik, welche die Kund:innen mit informierenden und unterhaltenden Inhalten ansprechen soll, um diese vom Unternehmen, seinen Produkten oder Dienstleistungen zu überzeugen und langfristig zu binden. Hierfür braucht es eine ganzheitliche Strategie aus nützlichen Informationen, fachkundiger Beratung oder emotionaler Unterhaltung, die das Interesse der Zielgruppe weckt. Die Schaffung eines Mehrwertes erfolgt über den Inhalt. Für die Verbreitung der Informationen stehen zahlreiche Formate wie zum Beispiel Pressegespräche, Texte, Bilder, Videos, Infografiken, Podcasts, Studien oder Umfragen zur Verfügung. Diese Inhalte können dann auf unzähligen Medienkanälen distribuiert werden. Oftmals stehen hierbei die unternehmenseigene Website, der Newsletter, Blog und die mobile App sowie die eigenen Social-Media-Plattformen im Fokus. Zusätzlich wird eine Public-Relations-Strategie entwickelt, um das Thema in den klassischen Medien zu platzieren. Beim Content Marketing bildet die vorher entwickelte Strategie die Grundlage für alle Maßnahmen und Kanäle. Das Modell Content-Marketing-Prozess verdeutlicht Ihnen den Aufbau einer solchen Strategie von innen nach außen:
- Strategie. Im Zentrum steht Ihre Content-Marketing-Strategie. Hier legen Sie die Ausrichtung fest. Fragen Sie sich, was Sie erreichen wollen.
- Zielgruppen. In diesem Schritt legen Sie Ihre Zielgruppen fest, daher sollten Sie sich folgende Frage stellen: Wen wollen Sie erreichen?
- Geschichte. Im Zentrum des Content Marketings stehen die eigenständig entwickelte Geschichte und die Frage: Was ist die ganzheitliche Story, die Ihr Unternehmen glaubwürdig erzählen kann?
- Inhalte. In der Geschichte werden die inhaltlichen Themen des Unternehmens dargestellt. In diesem Schritt dreht sich alles um folgende Fragestellung: Welche Themen müssen sich in der Story wiederfinden und wie werden diese platziert?
- Botschafter:innen. Die Inhalte werden wiederum über bestimmte Botschafter:innen an die jeweilige Zielgruppe herangetragen. Wer sind die Multiplikator:innen für Ihr Unternehmen?
- Formate. Für die verschiedenen Zielgruppen werden bestimmte Formate entwickelt, die deren Nutzungsgewohnheiten entsprechen. Wie informativ und dialogisch müssen die Informationen für die bestimmten Zielgruppen aufbereitet werden?
- Kanäle. Die entwickelten Formate werden auf den passenden Kanälen präsentiert, wo sich die jeweilige Zielgruppe aufhält und die Geschichte wahrgenommen wird. Hier ist die Frage zu klären: Wo erreichen Sie Ihre Zielgruppe?
