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Michael Hüther „80 Jahre der Marktöffnung sind nun beendet“

IW-Chef Michael Hüther
IW-Chef Michael Hüther
© Lena Everding
Dass sich die USA von der weltpolitischen Bühne zurückziehen, führe zu einem fundamentalen Bruch in der Weltordnung, warnt Michael Hüther auf dem Vermögensaufbaugipfel von Capital und ntv

Die USA wollen nicht mehr: Sie wollen keine Polizei der Weltwirtschaft mehr sein und auch nicht mehr die Leitwährung stellen. „Der US-Dollar als Leitwährung wird nicht mehr als Privileg für die amerikanische Bevölkerung betrachtet“, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, beim Vermögensaufbaugipfel von Capital und ntv am Donnerstag in Frankfurt am Main. Das führe zu fundamentalen Brüchen. 

„Der Bruch zeigt sich etwa darin, dass der transatlantische Westen selbst nicht mehr daran glaubt, dass man besser dran ist, wenn man Märkte öffnet. Dabei war das in den vergangenen 200 Jahren stilbildend für den Rest der Welt.“ Ein Zeichen dieser Neuordnung in der Geopolitik ist der steigende Goldpreis: Die Krisenanlage Gold kostet derzeit mehr als 4200 Dollar je Feinunze – obwohl die Aktienmärkte zwar etwas volatiler, aber freundlich blieben, sagte Ökonom Hüther. 

Dieses Verständnis von Marktöffnung habe US-Präsident Donald Trump unter anderem mit seinen Zolldrohungen zerstört. „Die Zölle wirken sich negativ auf Allokations-, Wachstums- und Verteilungsprozesse aus“, sagte Hüther. Damit habe Trump nicht nur die Handelspartner vorgeführt – schließlich sind die USA etwa in bestimmten Warengruppen wie Insulin zu mehr als 90 Prozent auf Einfuhren aus Europa abhängig; der US-Präsident ziehe auch die USA als produktiven Hegemon, der für Sicherheit in der Welt sorgt, in Zweifel. 

Trumps USA als überforderter Hegemon

Die USA agieren wie ein überforderter Hegemon und steuern auf eine „illiberale Demokratie“ zu, die sich in verwirrten Reden, ausfallender Rhetorik und verlogener Theatralik äußere, sagte Hüther. „Das alles trifft auf Trump und seine Regierung zu“, sagte Hüther. Dazu passe auch der Angriff auf unabhängige Instanzen wie die US-Notenbank, etwa durch die versuchte Entlassung der Fed-Gouverneurin Lisa Cook. Die Mehrheit der Bevölkerung interessiere diese Verrohung nicht.

Doch was, wenn die Kapitalzuflüsse in die USA zurückgehen? Was, wenn sich die Schuldenkrise zuspitzt, weil die US-Anleiheinvestoren in China und Japan nicht dazu bereit sind, die Schulden über 100 Jahre zu halten? Laut Hüther steuern wir auf eine multipolare Welt der Interessenssphären zu. Denn China verfolge trotz aller globalen Verflechtungen vor allem eigene Interessen und falle deshalb als Hegemon-Nachfolger aus. Und die EU müsste zunächst lang diskutierte Reformen umsetzen, die EZB müsse zudem ihr Konzept umstellen. Ein schnelles Einspringen der EU sei bei der derzeitigen Lage nicht möglich. Der fundamentale Bruch werde uns noch lange begleiten. Laut Hüther ist klar: „80 Jahre der Marktöffnung sind nun beendet.“ 

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