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Interview Kasper Rorsted: „Die Showveranstaltungen sind längst vorbei“

Kasper Rorsted mit den ersten drei Mitarbeiterinnen, die an seinem Mentorenprogramm teilgenommen haben: Irene Fan, Marina Moguš, Kelly Olmstead (v.li.)
Kasper Rorsted mit den ersten drei Mitarbeiterinnen, die an seinem Mentorenprogramm teilgenommen haben: Irene Fan, Marina Moguš, Kelly Olmstead (v.li.)
© Foto: Adidas
Adidas-Chef Kasper Rorsted hat Frauenförderung zur Chefsache erklärt. Mit einem persönlichen Coaching macht er Mitarbeiterinnen fit für die nächsten Karriereschritte. Er erwartet, dass alle Führungskräfte seinem Vorbild folgen

Als Kasper Rorsted vor sechs Jahren den Vorstandsvorsitz beim Sportartikelhersteller Adidas übernahm, hat er als eine seiner ersten Amtshandlungen eine Mentorenprogramm ins Leben gerufen: ein exklusives Führungskräftetraining ausschließlich für weibliche Toptalente im Konzern – vom Chef persönlich. Diese Maßnahme zur Frauenförderung habe er schon zuvor als Konzernchef beim Konsumgüterhersteller Henkel erprobt, erklärt Rorsted. Er sei davon überzeugt, dass das richtig und wichtig ist. Deshalb sei das Mentorenprogramm bei Adidas auch „kein Vorschlag, sondern eine Vorgabe" gewesen.

Marina Moguš und Kasper Rorsted sind per Video zugeschaltet als Talk-Gäste beim "Junge Elite Gipfel 2021"
Marina Moguš und Kasper Rorsted sind per Video zugeschaltet als Talk-Gäste beim "Junge Elite Gipfel 2021"
© Peter Wolff / Capital

Rorsted und eine seiner ersten Mentees, Marina Moguš, haben beim „Junge Elite Gipfel 2021“ , den Capital für die Preisträger der „Top 40 unter 40“ ausgerichtet hat, über das Mentorenprogramm berichtet. Moguš, die im Sommer zur Geschäftsführerin von Zentraleuropa bei Adidas befördert wurde, ist ebenfalls als „Top 40 unter 40“ ausgezeichnet worden. Beiden haben sich zudem Zeit für ein ausführliches Capital-Interview genommen, in dem sie neben ihren Tipps zur Karriereförderung auch über ihre Erfahrungen in der Pandemie berichten.

Herr Rorsted, warum müssen wir uns im Jahr 2021 über Frauenförderung unterhalten?

KASPER RORSTED: In der Vergangenheit wurden zu wenig Fortschritte in Richtung Gleichstellung gemacht. Deshalb befinden wir uns immer noch in einer Schieflage. Vor allem in Deutschland ist das Thema über Jahre vernachlässigt worden, es gibt hier großen Nachholbedarf. In Ländern wie Skandinavien oder Frankreich gibt es bessere Rahmenbedingungen für Frauen, die arbeiten wollen: Ganztagsbetreuung für Kinder gehört dabei zu den Grundvoraussetzungen. Welchen Effekt staatliche Weichenstellungen und gesellschaftliche Akzeptanz haben, sehen wir auch in unserem Konzern: In Osteuropa beschäftigen wir insgesamt viel mehr Frauen und in Russland haben wir mehr weibliche Führungskräfte als männliche.

Aber wollen Sie allein dem Staat die Verantwortung für Gleichstellung geben? Gehört das nicht auch zur Aufgabe jedes Konzernchefs?

RORSTED: Natürlich liegt es auch an der Haltung und Entscheidung aller Führungskräfte. Meine Motivation war immer: Ich spiele, um zu gewinnen und wer gewinnen will, muss als Chef das gesamte Potential eines Teams nutzen. Wenn das Team nicht ausgeglichen besetzt ist, gibt es eine große Wahrscheinlichkeit, dass man nicht das gesamte Potential nutzt.

Darüber herrscht mittlerweile in großen Teilen von Wirtschaft und Gesellschaft Konsens, auch wenn noch nicht überall danach gehandelt wird. Wollen Sie sich als Frauenförderer oder Feminist positionieren?

RORSTED: Nein, so sehe ich mich nicht. Ich habe in der Vergangenheit an zwei weibliche Vorgesetzte berichtet: an Carly Fiorina bei Hewlett Packard und an Simone Bagel-Trah bei Henkel. Bei Adidas habe ich jetzt mit Thomas Rabe einen männlichen Aufsichtsratschef. Für mich macht das keinen Unterschied. Ich setze mich seit 2005, seit meinem Wechsel zu Henkel, für Frauenförderung ein. Damit muss ich mich nicht nach außen positionieren, aber nach innen: Von meinen Führungskräften habe ich immer verlangt, dass sie sich mit dem Thema beschäftigen. Für mich ist Frauenförderung kein Selbstzweck, sondern erforderlich, um den Konzern mit dem bestmöglichen Team erfolgreicher zu machen. Führungskräfte, die das immer noch nicht erkannt haben, müssen nun auf Druck von außen notgedrungen Frauen finden. Die müssen mit der Welle mitschwimmen oder werden davon überrollt. Ich habe immer gesagt, diese Bewegung kommt und ich möchte sie lieber steuern als hinterherzulaufen. Das habe ich als Riesenopportunität gesehen.

Neben einigen Überzeugungstätern gibt es auch Trittbrettfahrer, die plötzlich ihr Herz für Frauenförderung, Diversität und ESG entdecken. Ist das bei manchen Entscheidern nicht scheinheilig?

RORSTED: Nein, die Showveranstaltungen sind lange vorbei. Der Handlungsdruck bei all diesen Themen ist als relevant erkannt, es geht nur noch um die Umsetzung. Bei vielen Entscheidern drehen sich die Diskussionen bei der Frauenförderung um die Fragen: Wie finden und bekommen wir die geeigneten Kandidatinnen? Hast Du einen Tipp? Wie können wir auch Topmanagerinnen aus dem Ausland mit ihren Familien nach Deutschland holen.

Sie haben direkt nach Ihrem Amtsantritt bei Adidas vor fünf Jahren ein Programm zur Frauenförderung gestartet. Wie ist Ihr Vorschlag angekommen?

RORSTED: Das war kein Vorschlag, das war meine Vorgabe. Ich finde es extrem wichtig in dem Bereich voranzukommen. Darüber kann man nicht demokratisch abstimmen. Darüber gab es bei Adidas aber auch keine Diskussionen. Ich habe sofort Zustimmung und Unterstützung bekommen.

Frau Moguš, Sie sind seit 15 Jahren bei Adidas und gehören als Geschäftsführerin für Zentraleuropa zum Topmanagement. Was hat sich für Sie seit dem Amtsantritt von Kasper Rorsted vor fünf Jahren verändert?

MARINA MOGUŠ: Als ich angefangen habe, war der Sport und die Sportindustrie eine Männerdomäne. Mir haben früher Frauen als Vorbilder gefehlt. Auch im Topmanagement haben sich alle dem Boys-Club angepasst. Da gab es keine authentischen Frauen. Als Kasper das Mentorenprogramm zur Frauenförderung gestartet hat, hat das Thema einen ganz anderen Stellenwert im Konzern bekommen und es ist unglaublich viel passiert: Das Denken hat sich verändert. Wir werden für die Eigenschaften geschätzt, die wir als Frau in ein Team einbringen. Die ganze Organisation sieht jetzt so viel anders aus als vor einigen Jahren. Das ist für mich sehr inspirierend und für meine Teams auch. 60 Prozent meiner Neueinstellungen sind mittlerweile Frauen.

Marina Moguš, 39, ist seit 15 Jahren bei Adidas. Sie hat mehrere Positionen im Finanzbereich des Sportartikelherstellers ebenso wie bei der langjährigen Tochtermarke Reebok in Deutschland und den USA durchlaufen. Zuletzt war sie Geschäftsführerin in Osteuropa, von dort wurde sie im Juli dieses Jahres zur Geschäftsführerin für Zentraleuropa berufen. Sie ist eine der ersten Adidas-Mitarbeiterinnen, die an dem Mentorenprogramm von Adidas-Chef Kasper Rorsted teilgenommen hat. Moguš gehört 2021 auch zu den Preisträgern der „Top 40 unter 40“, die das Wirtschaftsmagazin Capital jedes Jahr kürt.
Marina Moguš, 39, ist seit 15 Jahren bei Adidas. Sie hat mehrere Positionen im Finanzbereich des Sportartikelherstellers ebenso wie bei der langjährigen Tochtermarke Reebok in Deutschland und den USA durchlaufen. Zuletzt war sie Geschäftsführerin in Osteuropa, von dort wurde sie im Juli dieses Jahres zur Geschäftsführerin für Zentraleuropa berufen.
© Adidas

Sie haben 2017 als eine der ersten an dem Mentorenprogramm von Kasper Rorsted teilgenommen. Haben Sie sich dafür beworben?

MOGUŠ: Nein, das wurde mir angeboten. Ich habe mich riesig gefreut, dass ich gesehen und ausgesucht wurde. Ich fühlte mich dadurch sehr wertgeschätzt und wusste, dass das eine einmalige Chance ist. Am Ende sind all meine Erwartungen noch übertroffen worden.

Inwiefern?

MOGUŠ: Zunächst war es ja schon etwas Besonderes, unseren damals neuen Vorstandschef persönlich kennenzulernen. Aber während der anderthalb Jahre, in denen das Programm lief, hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, jemanden wie Kasper an der Seite zu haben, der mir richtige und wichtige Fragen stellt. Etwa als ich einen neuen Job in einem ganz anderen Konzernbereich angeboten bekommen habe und mir die Entscheidung nicht leichtfiel. Ich hatte bis dahin Karriere im Finanzbereich gemacht, das war mir alles vertraut. Für die Geschäftsführung in Osteuropa musste ich mich auf etwas ganz Neues, Unbekanntes einlassen und meine Komfortzone verlassen. Da hat Kasper mir geholfen, die Fakten zu sortieren und nicht nur auf den nächsten Schritt, sondern weiter nach vorne zu schauen. Und er hat mich auch angespornt, in solchen Situationen Fragen und Forderungen zu stellen, die für mich wichtig sind. Da war der CEO nicht mein Vorgesetzter, sondern mein Coach.

Wie lief das Mentorenprogramm konkret ab? Haben Sie einen Termin bekommen, sind ins Vorstandsbüro gegangen und haben sich die Karrieretipps vom Chef abgeholt?

MOGUŠ: Nein, das ist nicht Kaspers Art. Das Programm ist überhaupt nicht formell und steif. Wir waren in der ersten Runde 2017 zu dritt. Neben mir gab es noch eine Kollegin in den USA und eine in China. Wir waren also gar nicht alle gemeinsam vor Ort am Konzernsitz in Herzogenaurach. Deshalb haben wir eine Gruppe im Nachrichtendienst Whats-App eröffnet, so dass wir jederzeit mobil kommunizieren konnten. Als erstes haben wir alle ein Video von uns hochgeladen, in dem wir uns kurz vorgestellt haben – mit unseren Stärken und Schwächen. Kasper hat das auch gemacht. Dann haben wir uns gemeinsam mit einigen Diskussionsrunden und Videogesprächen vorangetastet und dann auch Einzelgespräche mit Kasper geführt.

Herr Rorsted, warum glauben Sie das so ein Mentorenprogramm wirkt

RORSTED: Das Programm darf nicht formalisiert sein. Ich brauche dafür keine Powerpoint-Präsentationen. Das ist ein persönliches Training. Es geht darum, gegenseitiges Vertrauen zu erarbeiten und herauszufinden, wie wir uns gegenseitig helfen können. Eigentlich ist Karriereförderung relativ einfach: Jeder braucht jemanden, der ihm hilft. Das erhöht und beschleunigt die Chance, Karriere zu machen. Das kennen wahrscheinlich die meisten Top-Führungskräfte: Sie werden auf ihrem Weg ein Stück mitgezogen und angefeuert, müssen aber am Ende selber über die Ziellinie kommen. Ich habe das in meiner Laufbahn selber ein paar Mal so erlebt. Deshalb glaube ich, dass so ein Mentorenprogramm der einfachste Weg ist, um wirklich etwas zu verändern und um herauszufinden, wer bereit ist, über die Ziellinie zu gehen. Ich kann eine Chance geben, aber die muss auch ergriffen werden.

Adidas beschäftigt 62.000 Mitarbeiter. Als Konzernchef können Sie doch höchstens eine Handvoll Talente coachen. Bringt das denn so viel?

RORSTED: Ich mache das, weil ich davon überzeugt bin. Und wenn ich das in meiner Rolle als Vorstandsvorsitzender mache, sende ich damit ein Zeichen an alle Führungskräfte im Konzern. Das darf man nicht unterschätzen. Wenn ich als CEO ein Vorbild bin, dann folgen andere und so skaliert es in die ganze Organisation. Ich möchte, dass eine Mehrheit von 80 Prozent der Führungskräfte das auch macht. Um die restlichen 20 Prozent ist es schade. Aber es geht darum, die Mehrheit für eine wichtige Sache zu gewinnen. Ich kenne die rund 400 Topführungskräfte unserer Organisation und bei den obersten 40 Entscheidern, schaue ich besonders genau hin, was sie tun und was sie nicht tun.

Kasper Rorsted, 59, hat Wirtschaft studiert und seine Karriere als Vertriebs- und Marketingexperte bei den US-Tech-Konzernen Oracle, Compaq und Hewlett Packard gestartet. 2005 startete der gebürtige Däne beim Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel, wurde dort mit 43 Jahren in den Vorstand berufen. Drei Jahre später berief Aufsichtsratschefin und Gesellschafterin Simone Bagel-Trah ihn zum CEO. 2016 wechselte Rorsted als Konzernchef zum Sportartikelhersteller Adidas nach Herzogenaurach.
Kasper Rorsted, 59, hat Wirtschaft studiert und seine Karriere als Vertriebs- und Marketingexperte bei den US-Tech-Konzernen Oracle, Compaq und Hewlett Packard gestartet. 2005 startete der gebürtige Däne beim Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel, wurde dort mit 43 Jahren in den Vorstand berufen. Drei Jahre später berief Aufsichtsratschefin und Gesellschafterin Simone Bagel-Trah ihn zum CEO. 2016 wechselte Rorsted als Konzernchef zum Sportartikelhersteller Adidas nach Herzogenaurach.
© Adidas

Wie viel Zeit und Aufwand können Sie denn für so ein Mentorenprogramm investieren?

RORSTED: In den anderthalb Jahren habe ich die Mentees jeweils ein paar Stunden pro Monat gesprochen. Marina habe ich hier in Deutschland natürlich häufiger getroffen. Aber wenn ich in die USA oder China gereist bin, habe ich mich auch mit den anderen beiden Kolleginnen verabredet. Es ist ein gewisser Aufwand. Denn die Treffen sind kein Kaffeeklatsch, sondern es geht dabei um Inhalte. Ich versuche herauszufinden, wie ich die Frauen am besten einsetzen kann. Da bin ich als Vorstandsvorsitzender auch oberster Personalverantwortlicher. Denn am Ende bin ich dafür zuständig, die beste Führungsmannschaft zusammenzustellen für heute, für morgen und für übermorgen. Außerdem weiß ich durch diese Kontakte auch viel besser, was im Unternehmen los ist. Deshalb ist meine Zeit für dieses Mentorenprogramm sehr gut investiert.

Für Marina Moguš hat sich das auch ausgezahlt: Sie ist vor wenigen Monaten auf die machtvolle Position als Geschäftsführerin für Zentraleuropa aufgestiegen. Werden alle Frauen, die das Mentorenprogramm beim CEO absolvieren automatisch eine steile Karriere hinlegen?

RORSTED: Die Gespräche, die ich mit meinen Mentees führe, bleiben vertraulich. Ich berichte daraus nicht an deren Vorgesetzte oder an die Personalabteilung. Zum Abschluss des Mentorenprogramms schreibe ich jede Mentee einen langen Brief, in dem ich festhalte, wie ich die Zusammenarbeit wahrgenommen habe und wie ich sie einschätze. Danach müssen alle ihren Weg alleine gehen. Es wäre nicht hilfreich, wenn Marina befördert wird, weil ich ihr Mentor bin. Sie muss ihre Tore schon selbst schießen um in der Liga zu bleiben.

Und was sagen die anderen Talente im Konzern, die nicht diesen exklusiven Zugang zum CEO haben? Fühlen die sich nicht zurückgesetzt?

RORSTED: Natürlich ist meine Kapazität begrenzt. Gerade deshalb ist es ja so wichtig, dass noch mehr meiner Kolleginnen und Kollegen solche Mentorenprogramme übernehmen und für die Sichtbarkeit von mehr Talenten sorgen.

Frau Moguš, haben Sie Neid der Kollegen gespürt?

MOGUŠ: Neid nicht, aber es gab durchaus Aufmerksamkeit und Neugier. Anfangs wurde das Mentorenprogramm auch mit Sponsoring verwechselt – also mit so einem automatischen Karrierebooster. Aber ich kann bestätigen, dass der Kontakt zu Kasper kein Freifahrtschein ist. Das würde ich auch nicht wollen.

Und was sagen die männlichen Kollegen zu dem Frauenförderungsprogramm?

RORSTED: Bei mir hat sich kein Mann beschwert. Für mich war es wichtig, die Botschaft zu senden, dass wir mit dem Thema Gleichstellung vorankommen müssen. Wir haben jetzt 35 Prozent Frauen in Führungspositionen und wollen bis 2025 über 40 Prozent kommen. Ich kann mir aber auch vorstellen, das Mentoringprogramm noch zu erweitern. Zudem haben wir andere Förderprogramme, die auch Männern und anderen Gruppen offenstehen. Wir haben das alles klar geregelt und am Ende werden die besten Leute befördert.

Verraten Sie uns noch Ihren wichtigsten Karrieretipp für Frauen und Männer?

RORSTED: Mein sehr kluger Vater hat mir viele gute Tipps gegeben. Wir haben Dänisch gesprochen, aber diesen Rat gebe ich auf Englisch weiter: “It takes a very long time to finish something you are not really working on.” Gemeint ist: Wenn man sich etwas vornimmt, dann muss man auch hart daran arbeiten oder kann es gleich lassen. Man sollte Prioritäten setzten, sich auf wenige Sachen konzentrieren und die wirklich ordentlich machen. Dann kommt auch der Erfolg. Und noch einen weiteren Ratschlag habe ich immer befolgt: Du musst ein gewisses Risiko eingehen, sonst hast Du keine Chance zu gewinnen. Dabei musst Du kalkulieren, dass Du auf Deinem Weg auch scheitern kannst und diesen Gedanken musst Du auch ertragen können. Diese Risikobereitschaft habe ich immer.

Die war auch nötig, als Sie nach Ausbruch der Corona-Pandemie dieGeschäfte schließen mussten und der Adidas-Umsatz einbrach. Sie mussten schnell, schwierige Entscheidungen treffen. Was war für Sie bislang die wichtigste Lehre aus der Krise?

RORSTED: Die wichtigste Entscheidung war, innerhalb von zwei Wochen nachdem der Handel komplett geschlossen war, zu beschließen, dass wir in dieser Situation keine Mitarbeiter entlassen werden. Und das haben wir durchgehalten. Damit haben wir unseren Mitarbeitern die Angst genommen. Und den Führungskräften haben wir diese Entscheidung auch gleich abgenommen. Dadurch konnten wir uns voll darauf konzentrieren, Wege aus der Krise zu finden. Innerhalb von 45 Tagen hatten wir einen Plan, wie wir das Überleben des Konzerns sichern, auch mit Hilfe eines staatlichen Kredits. Den haben wir zurückgezahlt. Und so schnell wie unser Geschäft eingebrochen ist, fast so schnell hat es sich auch wieder erholt. Klarheit war wichtig in dieser Situation.

Nun sind wir mitten in der vierten Corona-Welle, mit drastisch steigenden Infektionszahlen und Einschränkungen im Alltag. Worauf stellen Sie sich ein?

RORSTED: Es wäre wirklich bitter, wenn es wieder zu einem kompletten Lockdown kommen sollte. Das hat vielen viel abverlangt. Marina etwa saß über ein Jahr lang als Expat in Polen allein in ihrer Wohnung. Sie musste ihre Mitarbeiter virtuell motivieren und gleichzeitig ihr Geschäft am Laufen halten. Das geht enorm an die Substanz und ich habe enormen Respekt vor der Leistung solcher Führungskräfte und aller Mitarbeiter. Ich hoffe, dass so ein Einsatz nicht wieder notwendig wird. Aber momentan haben wir bei Adidas alle größeren Veranstaltungen abgesagt, das Reisen sollte auf das Notwendigste begrenzt werden.

Und was bedeutet das für Sie persönlich?

RORSTED: Ich verreise zur Zeit nicht, gehe aber weiter täglich ins Büro. Denn ich bin kein großer Verfechter vom Arbeiten im Homeoffice. Wir haben strenge Hygiene- und Schutzmaßnahmen eingeführt, setzen die Regierungsempfehlungen um. Das ist aufwändig, aber für mich hat der persönliche und informelle Austausch große Bedeutung. Während des letzten Lockdowns bin ich ein Jahr lang im Parkhaus der Firmenzentrale joggen gegangen. Das war am Ende mühsam. Aber das würde ich wieder machen, um fit zu bleiben. Ich bleibe optimistisch: Alles wird wieder besser.

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