Es hört sich nicht wie ein Sieg an – ist aber einer: Vietnam zahlt für seine Exporte in die USA künftig 20 Prozent Zoll, senkt aber die eigenen Zölle für amerikanische Waren auf null. Donald Trump verkündete den „vorzüglichen Deal“ Ende vergangener Woche persönlich. Falls sich der Präsident allerdings einen ausgeglicheneren Handel mit dem südostasiatischen Staat erhofft, so dürfte er bitter enttäuscht werden. An der Unwucht wird sich nichts ändern. Vietnam exportierte 2024 Waren im Wert von 136 Mrd. Dollar in die USA, importierte von dort jedoch nur Waren im Wert von 13 Mrd. Dollar. Schwere amerikanische Trucks, auf die Trump nun setzt, braucht niemand in Vietnam. Schuhe und Kleidung aus Vietnam aber kaufen die Amerikaner gern – auch wenn sie durch die Zölle etwas teurer werden sollten.
Wahrscheinlich können die Vietnamesen die Zollbelastungen durch eine höhere Produktivität weitgehend auffangen. Das Land ist dabei, seine Leichtindustrie zu modernisieren und zu digitalisieren. Und es hat Chancen, zur neuen Werkbank der Welt zu werden wie einst der große Nachbar im Norden: China. Mit keinem Land liegt Vietnam in einem so harten Wettbewerb wie mit der Volksrepublik. Und mit keinem Land kämpft Vietnam so stark um Erfolge in den USA. Die Machthaber in Hanoi schielen deshalb weniger auf den Zollsatz an sich, den sie in den USA bezahlen müssen, als auf die Differenz zu dem Satz, den China bezahlen muss. Solange Vietnam besser liegt als China, atmet man in Hanoi und Saigon durch.
Adidas kann aufatmen
Japan, Südkorea, Taiwan, Deutschland und auch China selbst bauen in dem Schwellenland immer mehr Fabriken. Niedrige Löhne, eine junge Bevölkerung und gute Investitionsbedingungen zahlen sich aus. Schuhe, Textilien, Möbel und Elektronikteile kommen zunehmend aus Vietnam in die EU. Deutschland allein importierte zuletzt Waren im Gegenwert von fast 15 Mrd. Euro aus dem Land. Umgekehrt schafft Vietnam zunehmend Maschinen aus Deutschland an, um die Produktion weiter zu modernisieren. In der deutschen Öffentlichkeit aber findet das bisher kaum Beachtung: Wir fixieren uns zu sehr auf die großen Märkte wie China und die USA und nehmen daher nicht alle gebotenen Chancen wahr.
Einzelne Unternehmen aber zeigen bereits, dass es auch anders geht: Adidas bezog im letzten Jahr fast 40 Prozent seiner Sportschuhe aus Vietnam – so viel wie aus keinem anderen Land der Welt. Deshalb atmet man nach dem Deal mit den USA auch in Herzogenaurach auf. Die Zölle für Vietnam sind für den Konzern viel wichtiger als die Zölle auf deutsche Waren.
Der Deal kommt mit einem besonderen Twist: Auf Waren, die Vietnam nur weiterleitet, fällt ein erhöhter Satz von 50 Prozent an. Trump will damit die Chinesen treffen, die in den letzten Jahren verstärkt zu diesem Trick getroffen haben. Doch auch dieses Schwert dürfte in der Praxis stumpf bleiben: Niemand kann überprüfen, was Zehntausende von kleinen chinesischen Fabriken tatsächlich nur über Vietnam verschiffen – und was sie dort wirklich vor Ort produzieren. Und die großen Konzerne aus der Volksrepublik produzieren längst in dem Nachbarland und fallen nicht unter die Sonderregelung. So oder so: Vietnam profitiert.