Eigentlich hat Michail Gorbatschow andere Sorgen, als er im April 1989 London besucht. Mit Premierministerin Margaret Thatcher will der Staatspräsident der zerbröselnden Sowjetunion über Glasnost und Perestroika sprechen, Offenheit und Umbau. Da meldet sich Robert Maxwell bei ihm, ein alter Bekannter, britischer Verleger mit osteuropäischen Wurzeln. Auch Maxwell will mit ihm über einstürzende Mauern reden, aber keine echten, sondern Mauern in einem Computerspiel.
Seit fünf Jahren schon tobt zu diesem Zeitpunkt ein bizarrer Kampf um Tetris und die weltweiten Rechte an dem Spiel. 1984 hatte der Russe Alexei Paschitnow , gerade mal 28 Jahre alt, an der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau die kleinen Betonblöcke entwickelt, die langsam zu Boden sinken und sich, sauber aneinandergereiht, dann in Luft auflösen.
Der Brite Robert Stein wittert früh das große Geschäft. Er fragt Paschitnow nach einer Lizenz. Der Programmierer, überfordert und auch gar nicht autorisiert, bedankt sich höflich für das Interesse. Stein wertet das als Zusage und verkauft die Tetris-Lizenzen weiter: an Mirrorsoft, ein Unternehmen von Robert Maxwell. Und an Spectrum Holobyte in Kalifornien. Als Tetris jedoch im Westen erscheint, meldet sich die sowjetische Staatsfirma zur Vermarktung von Software (Elorg). Stein habe gar keine Rechte an Tetris.
Erschreckt reist der Brite nach Moskau. Und ergattert zumindest die Rechte für PC-Versionen. Gegenüber seinen Partnern tut Stein aber weiter so, als besitze er alle Rechte. Maxwell kooperiert inzwischen mit Atari. Und die Amerikaner haben ihre Rechte an den Niederländer Henk Rogers verkauft. Der präsentiert das Spiel bei Nintendo. Die Lizenzvergabe ist außer Kontrolle geraten, die Russen fühlen sich hintergangen.
Elorg schreibt alle Lizenzen neu aus, und diesmal erhält Nintendo direkt den Zuschlag. Das ist der Moment, an dem sich Maxwell bei Gorbatschow meldet. Er brauche sich „wegen der japanischen Firma keine Sorgen zu machen“, versichert Gorbatschow. Doch seine Macht reicht nicht mehr aus. Dank Tetris wird Nintendos Gameboy ein Welterfolg. Für Atari aber ist diese Niederlage der Anfang vom Ende.
Hauptperson
Robert Maxwell wurde als Ján Ludvík Hoch 1923 in der heutigen Ukraine geboren. 1940 floh er nach England. Er engagierte sich in der Politik, baute ein Medienimperium mit dem „Daily Mirror“, den „Daily News“ und später auch Teilen des Berliner Verlags auf. 1991 kam er unter mysteriösen Umständen vor Teneriffa ums Leben. Ihm wurden Kontakte zum Mossad nachgesagt. Nach seinem Tod wurde bekannt, dass Maxwell Bilanzen gefälscht hatte. Sein Imperium war in Wahrheit lange pleite.