
Das Fax, das am 28. April 2008 auf dem Schreibtisch des Chefsyndikus der Telekom landete, hatte es in sich. Die Berliner Sicherheitsfirma Network Deutschland forderte 440.000 Euro offenes Honorar für die Auswertung von Telefondaten. „Die Projekte können selbst im nachrichtendienstlichen Maßstab nur als ungewöhnlich flächendeckend und ausgefeilt bezeichnet werden“, stand in dem Fax. Und noch etwas: Das Projekt mit dem Tarnnamen „Operation Rheingold“ sei direkt vom damaligen Vorstand Kai-Uwe Ricke und dem Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel initiiert worden. Der Skandal war perfekt.
Anfang 2005 hatte der Telekom-Vorstand Lecks im Unternehmen beklagt. Immer wieder gelangten brisante Interna an die Medien. „Löchrig wie ein Schweizer Käse“ sei die Telekom gewesen, sagte Ricke einmal. Deshalb beauftragte er Klaus Trzeschan, den Leiter der Spezialabteilung KS3 in der Konzernsicherheit, mit den Ermittlungen. Und der spielte James Bond, mithilfe dubioser Sicherheitsberatungen.
Rund 60 Personen wurden bespitzelt

Memos mit falschen Infos und geheimen Codes wurden an Vorstände, Aufsichtsräte und Manager verschickt, um zu sehen, ob sie in den Medien auftauchen. Als das nichts half, bediente sich Trzeschan des Schatzes, auf dem die Telekom saß: Telefonverbindungsdaten. Von Network Deutschland ließ er sie illegal auswerten. Und er weitete die Bespitzelung auf rund 60 Personen aus. Darunter auch Verdi-Chef Frank Bsirske und Journalisten. Besonders im Fokus: der damalige Capital-Redakteur Reinhard Kowalewsky. Die Vermutung: Dessen Quelle sei Betriebsratschef Wilhelm Wegner. Belegt wurde das nie. Dabei hatte Trzeschan angeblich einen Maulwurf in der Capital-Redaktion installiert. Zumindest ließ er sich von der Telekom 180.000 Euro für die vermeintliche Quelle überweisen. Die Staatsanwaltschaft ging später davon aus, er habe das Geld veruntreut.
Als der Skandal aufflog, belastete Trzeschan zunächst Ricke und Zumwinkel. Die stritten aber ab, illegale Methoden angeordnet zu haben. Die Ermittlungen gegen sie wurden später eingestellt. Im Prozess übernahm Trzeschan plötzlich die alleinige Verantwortung. Ende 2010 wurde er zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt – wegen Betrugs, Untreue und Verstößen gegen den Datenschutz und das Fernmeldegeheimnis. Doch selbst das Gericht merkte an, es seien womöglich nicht alle bestraft worden, die Verantwortung trugen.
Hauptperson
Klaus Zumwinkel, Jahrgang 1943, galt viele Jahre als deutscher Vorzeigemanager. Als der Spitzelskandal den Postchef und Aufsichtsratsvorsitzenden der Telekom einholte, war er bereits von beiden Ämtern zurückgetreten. Im Februar 2008 wurde er der Steuerhinterziehung überführt, nachdem sein Name auf einer Steuer-CD aufgetaucht war. Mit der Telekom einigte sich Zumwinkel auf die Zahlung von rund 550.000 Euro für entstandene Kosten. Heute lebt er in London und am Comer See.
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