
Es kostete ihn 25 Minuten und 3,75 Mio. Dollar, dann hatte George Merck das wieder, was eigentlich sowieso seiner Familie gehörte: sein Unternehmen. Doch für die Nachfahren fing der Ärger damit erst an. Denn seit diesem Tag im Mai 1919 gibt es Merck doppelt: einmal in Deutschland und einmal in den USA. Ein Fest für Anwälte.
Begonnen hat alles als klassische deutsche Unternehmergeschichte: 1891 bestieg der 24-jährige Georg den Dampfer nach New York, die Aufgabe für ihn als jüngsten Spross der Familie war klar. Er sollte die Expansion der Geschäftssocietät E. Merck vorantreiben, die sein Uropa 1850 gegründet hatte. Wobei die Geschichte des ältesten Pharmakonzerns der Welt – darauf legt man in der Darmstädter Zentrale noch heute großen Wert – eigentlich noch fast 200 Jahre weiter bis zur Gründung der Merckschen Apotheke zurückreicht.
Es lief alles wie geplant: Georg hängte sich rein, baute in Amerika eine eigene Produktion auf und wandelte die Niederlassung in eine Firma nach US-Recht um – Merck & Co. „Amerika ist das Land der Zukunft“, erklärte er den Daheimgebliebenen.

Doch dann brach der Erste Weltkrieg aus, ab 1917 konfiszierte die US-Regierung 80 Prozent der Anteile an Merck & Co. als „Feindvermögen“. Georg, der sich inzwischen George nannte, war US-Bürger und durfte daher 20 Prozent behalten, die ihm persönlich zugeordnet wurden. Am 9. Mai 1919 wurde der Rest in New York in einer Auktion versteigert. Der Höchstbietende: George Merck.
Damit war die Trennung vom Mutterkonzern vollzogen. Trotzdem blieb es lange friedlich. Zwei Weltkonzerne entstanden und arrangierten sich: In den USA und Kanada firmieren die Amerikaner als Merck & Co., im Rest der Welt als MSD (Merck Sharp & Dohme). Die Darmstädter treten in Nordamerika als EMD (für Emanuel Merck, Darmstadt) auf. Manchmal auch als Merck KGaA, Darmstadt, Germany.
Doch je härter der Wettbewerb wurde, desto brüchiger wurde die Abmachung. Heute beharkt man sich vor Gericht, mehrfach ließen die Deutschen dem Konkurrenten wegen unzulässiger Namensverwendung auf die Finger klopfen. Die Amerikaner ihrerseits haben am Firmensitz New Jersey Klage eingereicht. Ausfechten muss den Kampf Stefan Oschmann, seit Ende April neuer Chef in Darmstadt. Der Deutsche hat in seiner Karriere gut 20 Jahre für die Amerikaner von MSD gearbeitet.
Hauptperson
Georg Merck nahm 1902 die US-Staatsbürgerschaft an und amerikanisierte auch seinen Vornamen. Als Sohn von Wilhelm Merck, des jüngsten Teilhabers des Darmstädter Pharmaunternehmens, wurde er 1867 in Deutschland geboren. Vor dem Eintritt in den Betrieb absolvierte er eine Lehre als Kaufmann in Frankfurt am Main. 1925 übergab George Merck die Leitung von Merck & Co. wegen Gesundheitsproblemen an seinen Sohn. Er starb ein Jahr später.
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