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Western von gestern Wie Siemens den Kampf um die Handys verlor

Mitarbeiter gehen an einer Handy-Werbung vorbei in das BenQ-Werk in Kamp-Lintfort. Nach einem Jahr war schon Schluss mit der Produktion
Mitarbeiter gehen an einer Handy-Werbung vorbei in das BenQ-Werk in Kamp-Lintfort. Nach einem Jahr war schon Schluss mit der Produktion
© dpa
BenQ – und raus bist du: Mitte 2005 war Schluss mit Siemens-Handys. Der deutsche Konzern verkaufte die kriselnde Sparte. Doch auch der neue Eigentümer aus Taiwan brachte kein Glück

Nur einmal triumphierte Klaus Kleinfeld über Nokia: Als der designierte Siemens-Chef Ende 2004 gefragt wurde, was er gegen die überlegenen Produkte des finnischen Marktführers tun wolle, schnappte er sich das Handy des Reporters und versenkte es in einem Glas Wasser. Plumps – Nokia kaputt!

Anders war der Konkurrenz aber auch da schon nicht mehr beizukommen. Im schnelllebigen Boomgeschäft mit den Mobiltelefonen hatte Siemens schlicht den Anschluss verloren. Weltweit entdeckten die Massen das Handy als prestigeträchtiges Alleskönner-Spielzeug. Doch der Münchner Konzern hatte nur biedere Standardgeräte – garantiert wasserdicht, garantiert glamourfrei. Siemens hatte sich verzettelt, verlor Marktanteile und Geld, obwohl die Produktionskosten sogar niedriger waren als bei der Konkurrenz.

Nach dem Amtsantritt fackelte Kleinfeld nicht lange. Schon Mitte 2005 stieß er die Krisensparte ab und legte einem smarten asiatischen Aufsteiger sogar 420 Mio. Euro drauf, damit der das Sorgenkind würde päppeln können. Rund 3000 Siemens-Mobilfunker gehörten nun zu BenQ, dem Digital-Konglomerat des 52-jährigen Taiwanesen Kuen-Yao Lee. Der ehrgeizige Unternehmer setzte auf digitalen Spaß und Lifestyle: „BenQ“ sollte für „Bringing Enjoyment and Quality to Life“ stehen.

Die neuen Eigentümer und der von Siemens mit zu BenQ gewechselte Handy-Chef Clemens Joos legten los mit preisgekrönten neuen Designs und einer coolen Produktpräsentation in der Berliner U-Bahn. Für die Wende reichte das trotzdem nicht: Die Verluste türmten sich, der Marktanteil schrumpfte weiter. Schon im September 2006, nur ein Jahr nach dem Einstieg, kappte BenQ die Verbindung und meldete die Insolvenz der deutschen Tochter an.

Schnell kam der Verdacht auf, die Taiwanesen hätten die Siemens-Sparte ohnehin nur aussaugen wollen. Oder Kleinfeld habe nur eine Möglichkeit gesucht, die Mobiltelefone möglichst schnell zu entsorgen.

Mit der Schließung des Werks in Kamp-Lintfort endete die Geschichte deutscher Handys. Nokia produzierte noch bis 2008 in Bochum, dann machten die Finnen auch dort zu – für den Weltmarktführer der Beginn des eigenen Abstiegs: Er wurde vom iPhone und den Koreanern überrollt, dann von Microsoft gekauft. Mittlerweile gibt es wieder Smartphones mit dem Markennamen Nokia – in Deutschland werden sie aber nicht gefertigt.

Hauptperson

Kuen-Yao Lee , genannt „K.Y.“, stieg nach dem Studium der Elektrotechnik in Taiwan bis zum Vizepräsidenten des Acer-Konzerns auf. Er führte dessen Sparte für Peripheriegeräte, machte sich 2001 damit selbstständig und gab der Firma den Kunstnamen BenQ. Die wiederholt umgebaute internationale Gruppe besteht heute aus 15 Unternehmen, die zum Teil als Zulieferer arbeiten. Unter der Marke BenQ werden vor allem Projektoren und Monitore verkauft – seit 2013 aber auch wieder Smartphones.

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