Bestimmt kennen Sie das auch: Die meisten Kolleginnen und Kollegen trifft man inzwischen dienstags, mittwochs und besonders gerne donnerstags im Büro. Donnerstags, weil sich irgendwer mal überlegt haben muss, dass es kurz vorm Wochenende einen Schnitzeltag in der Kantine geben sollte. Und Schnitzel zieht. Immer noch, trotz Veggieday und Fastenzeit.
Vielleicht sollte es also einfach häufiger Schnitzel in der Kantine geben – dann ließe sich womöglich sogar eine neue Finanzkrise abwenden. Zumindest in Deutschland. Denn wenn die Büros wieder voller sind, brauchen die Unternehmen insgesamt wieder mehr Büroflächen, dann steigen mit der Nachfrage die Mieten und die Werte der Bürogebäude selbst. Was wiederum die Banken und Investmentfonds, die einst jene Gebäude finanziert haben und als Sicherheit für die Kredite den Wert der Immobilien nahmen, entlasten würde. Dem Schnitzel sei Dank!
Doch da sind wir im Moment noch nicht, im Gegenteil. Aktuell gibt es am Immobilienmarkt keine Wertschöpfungskette, sondern eine Wertvernichtungskette: Viele Büros stehen leer, die Unternehmen sparen und reduzieren ihre Flächen, und die Banken, die die ganzen Gebäude noch als Sicherheit in den Büchern haben, müssen abschreiben und abschreiben. In den USA noch mehr als hier zu Lande, doch die Krise schwappt auch zu uns.
In einer Studie aus dem vergangenen Sommer schätzten Experten des McKinsey Global Institute, dass die Nutzung von Büros bis zum Jahr 2030 weltweit um etwa 30 Prozent hinter den Gewohnheiten vor der Pandemie zurückbleiben dürfte. Daraus errechneten sie allein für die neun wichtigsten Metropolen der Welt von Peking über London bis New York einen Wertverlust für bestehende Büroimmobilien von 800 Mrd. Dollar in den nächsten Jahren. In den wichtigsten Immobilienmärkten der USA sind derzeit knapp 20 Prozent der Flächen ungenutzt, in Deutschland schwankt der Leerstand je nach Stadt zwischen fünf und zehn Prozent.
An dieser Stelle ist nun ein kleiner Werbeblock für die Kollegen im Investteam von Capital fällig: „Gefährlich könnte es bei Gewerbeimmobilien werden (…): Bürotürme oder Einkaufszentren lassen sich derzeit kaum verkaufen, weil die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern nicht zusammenpassen“, schrieben die Frankfurter Capital-Kollegen schon vor acht Wochen im Capital-Jahresausblick 2024 und warnten ausdrücklich vor den mittelfristigen Folgen der Zinswende. So böten inzwischen Staatsanleihen „höhere Renditen als mit der Immobilienbewirtschaftung zu erzielen sind. Die Folge könnten weltweit niedrigere Bewertungen von Immobilienbeständen – auch in Immobilienfonds – sein.“
Deutsche Pfandbriefbank im Strudel
Die Warnung hat sich schnell bewahrheitet. Ziemlich genau ein Jahr nach der letzten Bankenkrise – damals ausgehend von einigen US-Regionalbanken in Kalifornien – scheint sich die Geschichte schnell zu wiederholen. Diesmal war es die New York Community Bancorp, eine mittelgroße Regionalbank in New York, die als erstes in den Fokus der Märkte rückte. Um knapp 51 Prozent ist die Aktie der Bank, die stark engagiert ist auf dem Markt für US-Gewerbeimmobilien, seit Ende Januar abgerauscht. Hineingezogen in den Strudel wurden auch deutsche Banken, die mit Büro- und Einzelhandelsimmobilien in den USA arbeiten, allen voran die Deutsche Pfandbriefbank (PBB) aus München.
Für die Aktie der PBB ging es seit Ende Januar um gut 32 Prozent runter, nach Recherchen des „Handelsblatts“ sind acht Prozent der frei handelbaren Papiere der Bank leerverkauft – professionelle Investoren wetten hier also auf einen weiteren Kursverfall. Ebenfalls unter Druck stehen die Anleihen der Bank. Sie notieren je nach Laufzeit und Besicherung nur noch zwischen 35 und 94 Prozent des Nominalwerts. Die Bank selbst sprach bereits in der vergangenen Woche von „der größten Immobilienkrise seit der Finanzkrise“ – nicht gerade eine Wortwahl, die Vertrauen schafft.
Allerdings folgt aus leeren Bürotürmen in den USA auch nicht zwangsläufig eine neue globale Finanzkrise. Denn zunächst einmal ist die Lage dort doch eine andere als in Europa. Darüber hinaus sind auf diesem Markt deutlich weniger ausländische Banken engagiert, die Forderungen sind nicht so verschachtelt und x-fach verpackt wie vor 15 Jahren. Und zum dritten sind auch die Engagements deutscher Banken wie der PBB oder der Deutschen Bank relativ gut überschaubar. Bei der PBB geht es um knapp 5 Mrd. Euro oder etwa 16 Prozent des gesamten Kreditportfolios für Gewerbeimmobilien. Zugleich hat die Bank ein ordentliches Finanzpolster, ihre Liquidität ist mehr als doppelt so hoch wie die offiziellen Kennziffern der Bankenaufsicht vorschreiben.
Es gab in der „kleinen Finanzkrise“ vor einem Jahr, bei der am Ende selbst die große Credit Suisse ins Wanken geriet und aufgefangen werden musste, aber auch eine wichtige Erkenntnis, die keine Vorschrift und keine komplizierte Kennziffer der Bankenaufsicht abbildet: Vertrauen. Wenn das Vertrauen schwindet, dann bekommt jede Bank sehr schnell ein Problem. Das war bei der Silicon Valley Bank so, und das wiederholte sich wenige Wochen später bei der Credit Suisse.
Vertrauen ist gleichsam das Schnitzel auf der Kantinenspeisekarte: Man nimmt es immer wie selbstverständlich hin und braucht es beileibe auch nicht jede Woche. Aber wenn es plötzlich gar nicht mehr da ist, dann fehlt doch ganz schön viel.