Wer in US-Regionalbanken investiert ist, schläft dieser Tage schlecht. In der vergangenen Woche hat die lokal aktive New York Community Bancorp (NYCB) für das vergangene Quartal überraschend einen Verlust von 252 Mio. US-Dollar vermeldet. Grund dafür waren Kreditverluste im Büroimmobilienmarkt. Der Aktienkurs fiel daraufhin um 45 Prozent und zog Wettbewerber wie die M&T Bank sowie die Valley National Bank mit in die Tiefe. Die Ratingagentur Fitch stufte die Bonität des New Yorker Finanzhauses ab. Dass die Bank nun mehr Geld für weitere Ausfälle bereithalten müsse, bremse die Rentabilität für dieses Jahr aus, begründeten die Bewerter.
Die Krise am US-Gewerbeimmobilienmarkt ist vor allem auf die vermehrte Homeoffice-Regelung zurückzuführen, was eine ganze Kette an Problemen nach sich zieht: Nach der Corona-Pandemie sind zwar wieder viele Arbeitnehmer zumindest drei Tage die Woche im Büro, doch die Unternehmen belegen trotzdem nicht mehr die gleichen Flächen wie zuvor. Der Leerstand ist in den USA wie in Deutschland hoch.
Zu spüren bekommen das jeweils auch die umliegenden Einzelhändler und Gastronomien. Der Wert der Gewerbeimmobilien sinkt, was bei den Investoren zu Verlusten führt. Weil sie die Immobilien deshalb weder zu hohen Preisen verkaufen noch die Mieten erhöhen können, fehlt es ihnen an Geld, um Kredite zu bedienen. Das wiederum bringt die Banken in Schwierigkeiten – auch in Deutschland.
Schon die Pleite von weiten Teilen der Signa-Gruppe ist ein Alarmsignal. In die Finanzierung der Immobilien sind zahlreiche Banken involviert, angefangen von lokalen Häusern wie der Sparkasse Siegen über Privatbanken wie Julius Bär aus der Schweiz, die mehr als 600 Mio. Euro abgeschrieben hat, bis hin zu Landesbanken wie Helaba und LBBW. Bisher konnten sie die Ausfälle abfedern.
Branche in der Krise
Zu den Problemen vieler Institute mit Signa-Krediten kommt eine ganze Serie von Insolvenzen in der Branche der Gewerbeimmobilienentwickler: Namen wie Project-Gruppe, Euroboden und Gerchgroup sind zwar nicht ganz so prominent wie Signa und deren oberster Firmenlenker René Benko. Doch auch ihnen sind die gestiegenen Zinsen und Baukosten über den Kopf gewachsen.
Die Banken können zwar die Baustellen oder bereits fertigen Immobilien, die als Sicherheiten dienen, übernehmen, aber sie finden im aktuellen Umfeld keinen Käufer. Und wenn doch, pocht dieser auf Abschläge: Die Preise für Büroimmobilien sind nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Pfandbriefbanken im dritten Quartal 2023 um 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen. Die Bank würde also zu wenig Geld bekommen, um den Ausfall wett zu machen. Gleichzeitig müssten die Bewertungen im Gesamtportfolio nach unten korrigiert werden, was weitere Verluste nach sich ziehen würde.
Mit solchen Bewertungsabschlägen rechnen Immobilien- und Bankenexperten in diesem Jahr fest. Allerdings „werden die Banken sehr unterschiedlich betroffen sein“, sagt Volker Brühl, Professor für „Banking and Finance“ an der Universität Frankfurt und Geschäftsführer des „Center for Financial Studies“. „Wie hoch die Verluste jeweils ausfallen, hängt maßgeblich von den Entwicklungsprojekten und der Werthaltigkeit der Sicherheiten ab“, so Brühl zu Capital.
Anleger ziehen Geld aus Immobilienfonds ab
Wer seine Kapitallücken nicht mehr kompensieren kann, wird verkaufen müssen – unabhängig davon, ob eine Bank oder ein Investmentfonds die Immobilie hält. Erstmals seit 2017 ziehen Anleger deshalb Mittel aus offenen Immobilienfonds ab. Viele von ihnen halten neben den nach wie vor lukrativen Wohnimmobilien Büro- und Einzelhandelsimmobilien. Auch hier kann es dann zu Verlusten kommen.
Also halten die Banken und Investoren nach Möglichkeit die Füße still, schrauben ihre Risikovorsorge und Rücklagen hoch und hoffen auf bessere Zeiten. „Banken mit einem hohen Kreditengagement im gewerblichen Immobiliensektor haben ihre Risikovorsorge angepasst“, sagt Brühl. Ob das ausreiche, müsse sich zeigen. Die Deutsche Bank etwa hat ihre Rückstellungen für ausfallgefährdete US-Immobilienkredite im Jahr 2023 vervierfacht auf 123 Mio. Euro.
Mögliche Kreditausfälle: Bafin beobachtet „eine Handvoll Banken“
Die Bankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Finanzaufsicht Bafin haben die Banken bereits im Blick. „Wir beobachten etwa eine Handvoll Banken mit einem großen Engagement im Gewerbeimmobilienbereich genauer als sonst“, sagte Bafin-Chef Mark Branson jüngst bei einer Veranstaltung in Frankfurt.
Zwar entfielen nur zehn Prozent des gesamten Kreditengagements der Banken auf Gewerbeimmobilien im Vergleich zu 30 Prozent bei Wohnimmobilien, schreibt die EZB in ihrem Finanzstabilitätsbericht. Vom Gewerbeimmobilien-Sektor alleine könne daher zwar keine systemische Krise ausgehen. Er habe aber das Potenzial, wie ein Verstärker in Stress-Situationen zu wirken. Die Gefahr systemrelevanter Verluste in der Bankenbranche könne dann zunehmen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, halten die Aufseher jedoch für recht gering. Die schwierige Lage werde die Erträge der betroffenen Banken voraussichtlich für einen längeren Zeitraum belasten, heißt es von der Bafin. Wer eine schlechte Auswahl von Objekten getroffen habe oder stark spezialisiert sei, könne sogar in Schwierigkeiten geraten. „Aber der Sektor der Gewerbeimmobilien ist insgesamt so klein, dass die händelbar bleiben dürften“, so Branson.
US-Investoren glauben daran, dass ihre Banken gut durch die Krise kommen. Der „KBW Regional Banking Index“ erholte sich bereits wieder vom Beben der vergangenen Woche. Die Analysten des Maklerunternehmens Raymond James raten sogar zum Einstieg: „In Anbetracht der Stabilität der Einlagen, der jüngsten Rücklagenbildung, des nach wie vor starken Kapitals und der proaktiven Zusammenarbeit des Managements bei der Erfüllung neuer aufsichtsrechtlicher Anforderungen halten wir die Aktie für aggressivere Investoren mit einer längerfristigen Perspektive für attraktiv“, heißt es vom Unternehmen.