Die Krise auf dem US-Gewerbeimmobilienmarkt bekommen zunehmend auch deutsche Banken zu spüren: Aktien der Deutschen Pfandbriefbank (pbb) sackten binnen einer knappen Woche um 16 Prozent ab. Titel der Deutschen Bank verloren fast 8 Prozent. Beide Banken haben etliche Gewerbeimmobilien aus Übersee in ihren Portfolios.
Auslöser für die Börsen-Turbulenzen ist die US-Regionalbank New York Community Bancorp (NYCB). Sie vermeldete letzte Woche für das vergangene Quartal überraschend einen Verlust von 252 Mio. US-Dollar. Grund dafür waren Kreditverluste im Büroimmobilienmarkt. Nach einem massiven Kurseinbruch stabilisierte sich die Aktie zwar wieder, sie steht aber nach wie vor knapp 27 Prozent im Minus. Auch Wettbewerber wie die M&T Bank sowie die Valley National Bank zog es mit in die Tiefe. Die Ratingagentur Fitch stufte die Bonität des New Yorker Finanzhauses herunter. Dass die Bank nun mehr Geld für weitere Ausfälle bereithalten müsse, bremse die Rentabilität für dieses Jahr aus, begründeten die Bewerter.
In Deutschland sind neben Pfandbriefbank und Deutscher Bank zahlreiche weitere Kreditinstitute in US-Gewerbeimmobilien investiert. Unter anderem die Aareal Bank, die Unicredit sowie die Landesbanken aus Baden-Württemberg und Hessen – LBBW und Helaba – treten als Gewerbeimmobilien-Finanziers in den USA auf. „Banken mit einem hohen Kreditengagement im gewerblichen Immobiliensektor haben ihre Risikovorsorge angepasst“, sagt Brühl. Ob das ausreiche, müsse sich zeigen. Die Deutsche Bank etwa hat ihre Rückstellungen für ausfallgefährdete US-Immobilienkredite im Jahr 2023 vervierfacht auf 123 Mio. Euro.
Die Krise am US-Gewerbeimmobilienmarkt ist vor allem auf die vermehrte Homeoffice-Regelung zurückzuführen, was eine ganze Kette an Problemen nach sich zieht: Nach der Corona-Pandemie sind zwar wieder viele Arbeitnehmer zumindest drei Tage die Woche im Büro, doch die Unternehmen belegen trotzdem nicht mehr die gleichen Flächen wie zuvor. Der Leerstand ist in den USA wie in Deutschland hoch. Jenseits der Top-Lagen finden sich kaum noch Mieter, die Preise sind stark gefallen. Betroffen von der Entwicklung sind vor allem Metropolen, laut Branchenkennern unter anderem Washington D.C., weil dort viele Beamte im Homeoffice arbeiten. Insgesamt ist die Westküste unter anderem mit San Francisco stärker betroffen als die Ostküste.
Zu spüren bekommen das jeweils auch die umliegenden Einzelhändler und Gastronomien. Der Wert der Gewerbeimmobilien sinkt, was bei den Investoren zu Verlusten führt. Weil sie die Immobilien deshalb weder zu hohen Preisen verkaufen noch die Mieten erhöhen können, fehlt es ihnen an Geld, um Kredite zu bedienen. Das wiederum bringt die Banken in Schwierigkeiten – auch in Deutschland.
Schon die Pleite von weiten Teilen der Signa-Gruppe ist ein Alarmsignal. In die Finanzierung der Immobilien sind zahlreiche Banken involviert, angefangen von lokalen Häusern wie der Sparkasse Siegen über Privatbanken wie Julius Bär aus der Schweiz, die mehr als 600 Mio. Euro abgeschrieben hat, bis hin zu Landesbanken wie Helaba und LBBW. Bisher konnten sie die Ausfälle abfedern.
Sinkender Immobilienwert reißt Löcher in Bankbilanzen
Zu den Problemen vieler Institute mit Signa-Krediten kommt eine ganze Serie von Insolvenzen in der Branche der Gewerbeimmobilienentwickler: Namen wie Project-Gruppe, Euroboden und Gerchgroup sind zwar nicht ganz so prominent wie Signa und deren oberster Firmenlenker René Benko. Doch auch ihnen sind die gestiegenen Zinsen und Baukosten über den Kopf gewachsen.
Die Banken können zwar die Baustellen oder bereits fertigen Immobilien, die als Sicherheiten dienen, übernehmen, aber sie finden im aktuellen Umfeld keinen Käufer. Und wenn doch, pocht dieser auf Abschläge: Die Preise für Büroimmobilien sind nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Pfandbriefbanken im dritten Quartal 2023 um 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen. Die Bank würde also zu wenig Geld bekommen, um den Ausfall wett zu machen. Gleichzeitig müssten die Bewertungen im Gesamtportfolio nach unten korrigiert werden, was weitere Verluste nach sich ziehen würde.
Mit solchen Bewertungsabschlägen rechnen Immobilien- und Bankenexperten in diesem Jahr fest. Allerdings „werden die Banken sehr unterschiedlich betroffen sein“, sagt Volker Brühl, Professor für „Banking and Finance“ an der Universität Frankfurt und Geschäftsführer des „Center for Financial Studies“. „Wie hoch die Verluste jeweils ausfallen, hängt maßgeblich von den Entwicklungsprojekten und der Werthaltigkeit der Sicherheiten ab“, so Brühl zu Capital.
Anleger ziehen Geld aus Immobilienfonds ab
Wer seine Kapitallücken nicht mehr kompensieren kann, wird verkaufen müssen – unabhängig davon, ob eine Bank oder ein Investmentfonds die Immobilie hält. Erstmals seit 2017 ziehen Anleger deshalb Mittel aus offenen Immobilienfonds ab. Viele von ihnen halten neben den nach wie vor lukrativen Wohnimmobilien Büro- und Einzelhandelsimmobilien. Auch hier kann es dann zu Verlusten kommen.
Jüngstes Beispiel ist die Private-Equity-Firma KKR. Die Aktie des Immobilienfonds „KKR Real Estate Finance Trust“ (REFT) verlor binnen einer Woche mehr als 16 Prozent, nachdem der Fonds wegen drohender Kreditausfälle die Dividende gekürzt hatte.
Mögliche Kreditausfälle: Bafin beobachtet „eine Handvoll Banken“
Die Bankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Finanzaufsicht Bafin haben die Banken im Blick. „Wir beobachten etwa eine Handvoll Banken mit einem großen Engagement im Gewerbeimmobilienbereich genauer als sonst“, sagte Bafin-Chef Mark Branson jüngst bei einer Veranstaltung in Frankfurt.
Zwar entfielen nur zehn Prozent des gesamten Kreditengagements der Banken auf Gewerbeimmobilien im Vergleich zu 30 Prozent bei Wohnimmobilien, schreibt die EZB in ihrem Finanzstabilitätsbericht. Vom Gewerbeimmobilien-Sektor alleine könne daher zwar keine systemische Krise ausgehen. Er habe aber das Potenzial, wie ein Verstärker in Stress-Situationen zu wirken. Die Gefahr systemrelevanter Verluste in der Bankenbranche könne dann zunehmen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, halten die Aufseher zwar für recht gering. Doch die schwierige Lage werde die Erträge der betroffenen Banken voraussichtlich für einen längeren Zeitraum belasten, heißt es von der Bafin. Wer eine schlechte Auswahl von Objekten getroffen habe oder stark spezialisiert sei, könne sogar in Schwierigkeiten geraten. „Aber der Sektor der Gewerbeimmobilien ist insgesamt so klein, dass die händelbar bleiben dürften“, so Branson.