In unserer Reihe Capital erklärt geben wir einen komprimierten Überblick zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Diesmal: Der Ölpreis – mit Redakteur Claus Hecking, der bei Capital unter anderem zu energiepolitischen Themen schreibt.
Was treibt derzeit den Ölpreis?
Man könnte ja meinen, wegen des aktuellen Konflikts in der Straße von Hormus würde der Ölpreis gerade dramatisch in die Höhe schnellen. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil – wir haben in den vergangenen Wochen einen deutlichen Rückgang beim Ölpreis erlebt. Doch warum? Einer der Gründe ist, dass es der Ölmarkt gewohnt ist, dass es politische Unruhen oder Streitigkeiten gibt. Viele ölproduzierende Länder sind politisch instabil. Zudem befürchten einige Akteure am Markt sogar ein Überangebot. Denn erstens gibt es sehr hohe Bestände an Öl und Ölprodukten wie Benzin, Diesel oder Heizöl. Das heißt, es ist zurzeit keine akute Knappheit zu befürchten. Zweitens hat sich die weltweite Ölnachfrage in den letzten Monaten schwächer entwickelt als vorhergesagt. In der ersten Jahreshälfte hat es daher bereits ein Überangebot gegeben. Ungeachtet aller Turbulenzen in der Straße von Hormus ist der Markt im Moment also gut versorgt.
Ölpreisentwicklung der Nordseesorte Brent (Preis in Dollar pro Barrel)
source: tradingeconomics.com
Und welche Risiken bestehen, sollte der Konflikt in der Straße von Hormus eskalieren?
Die Risiken sind beachtlich. Und aus meiner Sicht werden diese Risiken im Moment vom Ölmarkt unterschätzt. Das liegt womöglich daran, dass der Markt diese ewige Unruhe gewohnt ist. Die Straße von Hormus ist die Hauptschlagader der Erdölversorgung , vor allem für Asien. Etwa 30 Prozent des gesamten weltweit verschifften Erdöls gehen durch diese Meerenge am Ausgang des Persischen Golfes. Die Route geht zum Teil durch Gewässer, die Iran als sein Hoheitsgebiet bezeichnet. Würde Iran die Durchfahrt der Tanker stoppen, wären die Erdölfelder des Irak, von Kuwait und auch teilweise von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten blockiert. Deren Öl würde den Weltmarkt nicht erreichen, ebenso wenig das verflüssigte Erdgas (LNG) von Katar. Die Verbraucherstaaten des Westens haben zwar strategische Ölreserven, die aber reichen teilweise nur einige Monate. Sollte es also tatsächlich zu kriegsähnlichen Handlungen, einer Blockade oder Ähnlichem in der Straße von Hormus kommen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf den Weltmarkt.
Angebot und Nachfrage bestimmen den Ölpreis
Was sind die größten Einflussfaktoren auf den Ölpreis – und wie haben sie sich in den letzten Jahren verändert?
Wie die meisten Preise, definiert sich auch der für Erdöl über Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage steigt seit Jahren konstant. Das liegt vor allem an den Emerging Markets, insbesondere an China, das mittlerweile der zweitgrößte Ölverbraucher der Welt ist. Vieles deutet daraufhin, dass die Nachfrage auch weiterhin steigen wird. Denn es gibt zwar mittlerweile Elektroautos, ob sie sich so schnell auf breiter Front durchsetzen werden, ist aber offen. Elektroflugzeuge sind kaum in Sicht. Zudem wird Erdöl für viele chemische Prozesse verwendet, etwa für die Herstellung von Farben oder Plastik. Auch hier ist nicht zu erkennen, dass Erdöl demnächst in großem Stil substituiert werden könnte. Der Ölbedarf wird also auch in den kommenden Jahren groß sein.
Wie sieht es auf der Angebotsseite aus?
Auf der Angebotsseite gibt es eine fundamentale Veränderung, die dafür sorgt, dass die Preise längst nicht so hoch wie vor einigen Jahren. Das Hyraudlic Fracturing, kurz Fracking, hat dazu geführt, dass insbesondere die USA ihre Erdölförderung massiv gesteigert haben. Allein 2018 waren es fast zwei Millionen Barrel (ein Barrel entspricht 159 Litern) pro Tag mehr als 2017. Das hat es noch nie gegeben in der Geschichte der Ölproduktion. Mittlerweile sind die Vereinigten Staaten der größte Erdölproduzent der Welt, wenngleich sie bei weitem nicht die größten Reserven haben. Und sie werden in den kommenden Jahren ihren Ausstoß wohl noch einmal substanziell steigern.
Erdöl wird noch lange gefragt sein
Die OPEC hat sich auf die Drosselung der Erdöl-Förderung bis März 2020 verständigt. Was bedeutet das für den Ölpreis?
Die OPEC hat diese Förderkürzung angekündigt, und der Markt hat nicht groß drauf reagiert. Die Preise sind nicht massiv in die Höhe geschossen. Das hat auch damit zu tun, dass die Bedeutung, die die OPEC einmal hatte, nachgelassen hat. Der Marktanteil der OPEC-Staaten an der weltweiten Ölproduktion lag im Juli erstmals seit vielen Jahren unter 30 Prozent – auch wegen der stark wachsenden Förderung der USA. Die OPEC hat also weniger Macht als früher –wenngleich sie natürlich nicht völlog ohnmächtig ist.
Welche Rolle wird Erdöl zukünftig neben den erneuerbaren Energien spielen?
Sollte es eine weltweite Energiewende geben, wäre es wesentlich schwerer, Öl zu ersetzen als etwa die Kohle. Die globale Ölnachfrage wird auf Jahre hinaus gewaltig sein, aus den oben genannten Gründen.Wesentlich einfacher wäre es, Kohle als Quelle der Stromerzeugung zu ersetzen – diese Emissionen lassen sich vergleichweise einfach vermeiden. Wind- und Solarparks können vielerorts preiswerter Strom erzeugen als neue Kohlekraftwerke. Aber wenn wir den CO2-Ausstoß auf Null herunterbringen wollen, brauchen wir über kurz oder lang gute Alternativen zum Erdöl.