In unserer Reihe Capital erklärt geben wir einen komprimierten Überblick zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Diesmal: „Das drohende Aus der MV Werften und seine Folgen für die Politik“ – mit Redakteur Lutz Meier
Nach langem Ringen um eine möglich Rettung haben die MV Werften einen Insolvenzantrag eingereicht. Wie ernst ist die Lage für den Schiffsbauer aktuell?
Die Lage ist sehr ernst, konkret ist von einer Liquiditätslücke von 148 Mio. Euro die Rede. Der Insolvenzantrag hat die Lage jetzt verschärft, weitere Schritte müssen jetzt schnell passieren. Denn am Freitag hatte das Unternehmen angekündigt, die Dezember-Gehälter für seine 1900 Mitarbeiter vorerst nicht zu zahlen. Diese ausbleibenden Löhne gelten damit jetzt als Teil des dreimonatigen Insolvenzgeldes. Bis Februar muss also eine Entscheidung fallen, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Entscheidend ist dafür aber auch die wirtschaftliche Lage des Werft-Eigentümers Genting, über die man bislang wenig weiß.
Eigentlich sollten die MV Werften doch gerettet werden. Woran sind diese Pläne denn gescheitert?
Ursprünglich sollten die MV Werften vom Bund 300 Mio. Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erhalten, um damit das riesige Kreuzfahrtschiff „Global Dream“ fertigzustellen. Im Dezember zeichnete sich dann ab, dass die MV Werften dafür noch weitere 300 Mio. Euro brauchen. Dafür hat Berlin aber eine Eigenbeteiligung von Genting in Höhe von 60 Mio. Euro gefordert. Außerdem sollte sich der malaysische Mischkonzern klar zu den Werften bekennen und die Abnahme des Schiffes garantieren.Genting hat dagegen nur 30 Mio. Euro und zuletzt weitere 11 Mio. Euro in Aussicht gestellt – und damit die Bedingungen des Bundes nicht erfüllt. Hier hat sich die Debatte festgefahren.

Schon im Juni 2021 gab es grünes Licht für die ersten 300 Mio. Euro aus dem WSF. Warum war man in Berlin denn zuletzt zurückhaltender?
Das liegt an zwei Veränderungen: Wirtschaftlich hat sich offenbar die Lage von Genting verschlechtert. Viele Geschäftsbereiche des Konzerns, darunter Glücksspiel, Kreuzfahrten und Tourismus, sind von der Pandemie schwer getroffen worden. Am Freitag hat die Börse Hongkong schließlich den Handel mit den Aktien des Konzerns ausgesetzt. Das hat für zusätzliche Verunsicherung gesorgt. Politisch dürften zudem auch die Landtags- und Bundestagswahlen im September 2021 gewisse Rolle bei den bisherigen Entscheidungen gespielt haben. Vor den Wahlen haben Politikerinnen und Politiker womöglich die Augen für die Risiken nicht weit genug geöffnet, aus Sorge, dass die Konsequenzen Wählende abschrecken könnten.
Welche politischen Auswirkungen hat der Fall der MV Werften denn für die neue Regierung?
Für sie ist das drohende Aus ganz klar eine Bewährungsprobe. Denn die neue Regierung muss sich entscheiden, ob sie in die Fußstapfen der Großen Koalition tritt und sich großzügig gibt oder ob sie eine strengere ordnungspolitische Linie verfolgt. Gleichzeitig stellt der Fall ein Dilemma dar: Entweder man finanziert die Fertigstellung der „Global Dream“ und unterstützt damit ein Unternehmen, das in dieser Form kaum überlebensfähig wäre. Oder man bleibt hart und opfert dafür Arbeitsplätze in einem Bundesland, in dem es ohnehin schon wenig Arbeitsplätze gibt.
Welche Rolle spielen die MV Werften denn für Mecklenburg-Vorpommern?
Als einer der größten Arbeitgeber in den Regionen der einzelnen Standorte spielt das Unternehmen eine große Rolle. Bislang galten sie außerdem als Erfolgsgeschichte: 2016 hatte Genting die Werften für 230 Mio. Euro übernommen, um dort Kreuzfahrtschiffe des Konzerns bauen zu lassen. In den Folgejahren hat Genting die Standorte ausgebaut und weitere Arbeitsplätze geschaffen. Nach eigenen Angaben soll sich die Zahl der Mitarbeiter in den vergangenen sechs Jahren verdoppelt haben, außerdem soll der Konzern seitdem zwei Mrd. Euro in die MV Werften investiert haben. Mit der Pandemie kam allerdings ein Einschnitt, der das Kreuzfahrtgeschäft nachhaltig verändert haben dürfte.
Lässt sich denn schon absehen, wie es für die MV Werften weitergeht?
Der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern müssen jetzt abwägen, ob sie für MV Werften noch eine Perspektive sehen – zum Beispiel mit einem anderen Eigentümer – und es deshalb auch als insolventes Unternehmen noch stützen wollen. Entscheidend dürfte dabei in den kommenden Tagen und Wochen sein, wie es um die wirtschaftliche Situation von Genting steht und was mit der fast fertigen „Global Dream“ passieren soll. Da das Schiff für Genting produziert wurde, dürfte es schwierig werden, dafür einen anderen Abnehmer zu finden – noch dazu wenn es unfertig bleibt und damit eine kaum verwertbare Insolvenzmasse darstellt.

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