In unserer Reihe Capital erklärt geben wir einen komprimierten Überblick zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Diesmal: Die Alibaba-Tochter Ant Financial – mit Redakteur Caspar Tobias Schlenk, der bei Capital und Finance Forward über Fintechs und Start-ups schreibt.
Im vergangenen Oktober hat die chinesische Regierung den Börsengang von Ant Financial verhindert. Was steckt hinter diesem Schritt?
Der Hauptgrund war eine Rede von Ant-Financial-Gründer Jack Ma am 24. Oktober. Darin hat er sich kritisch über die chinesischen Banken geäußert. Für die Regierung war das ein so großer Affront, dass Chinas Präsident Xi Jinping persönlich entschieden hat , den IPO – übrigens der weltweit größte mit 37 Mrd. US-Dollar – abzusagen.
Wie steht es aktuell um die Alibaba-Tochter?
Die jüngsten Entwicklungen dringen wenig an die Öffentlichkeit. Aktuell gibt es allerdings Diskussionen mit den chinesischen Aufsichtsbehörden, ob die Ant Group zerschlagen oder ein bestimmter Teil des Geschäftes herausgelöst wird. Im Fokus steht das Kreditgeschäft, das die Ant Group neben dem Bezahlsystem Alipay und dem Geldmarktfonds Yu’e Bao betreibt. Vor dem geplanten IPO hatte das Kreditgeschäft zugenommen. In der ersten Jahreshälfte machte diese Sparte allein 40 Prozent des Umsatzes aus. Gerade in diesem Geschäft will die chinesische Regierung künftig Einsicht haben, um mehr über die Kreditnehmer und ihre finanzielle Lage zu erfahren. Durch eine Auslagerung könnte sie dieses Geschäftsfeld stärker regulieren.
Was heißt der geplatzte Börsengang für Investoren?
Einige Investoren, darunter Blackrock und Silver Lake, haben in der Vorphase des Börsengangs in eine Offshore-Gesellschaft investiert, die an Ant Financial aber keine Anteile und Stimmrechte hält. Nach dem geplatzten IPO sitzen sie auf illiquiden Anteilen – zumindest noch , denn es bleibt weiterhin abzuwarten, wie Ant Financial nach der möglichen Restrukturierung durch die chinesischen Behörden aussieht. Der Fall insgesamt zeigt ausländischen Anlegern, dass die Investitionen bei jedem chinesischen Unternehmen mit einem politischen Risiko verbunden sind – und teilweise ist das bereits eingepreist.
Welche Rolle spielt Ant Financial für die chinesische Wirtschaft?
Die Ant Group und ihr Mutterkonzern Alibaba, aber allen voran Jack Ma als deren Gründer, stehen für den Erfolg Chinas sowohl wirtschaftlich als auch technologisch. Allein das Bezahlsystem Alipay, das zu Ant Financial gehört, benutzen nach eigenen Angaben 700 Millionen Menschen. Wegen dieser wirtschaftlichen Bedeutung und des Erfolgs ist die harsche Reaktion umso erstaunlicher. Eine der Interpretationen des aktuellen Konflikts ist deshalb: Xi Jinping habe erkannt, dass Firmen und Unternehmerpersönlichkeiten zu einflussreich werden können und habe darauf jetzt mit Härte reagiert.
Was weiß man über Jack Ma, der seit seiner Rede nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde?
Über den Verbleib von Jack Ma wurde seit Monaten spekuliert. Er sei in China und halte sich bedeckt, zitiert die Financial Times zuletzt einen Freund . Das kann man als Versuch werten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen und die Diskussion von seiner Person abzulenken. Durch seine Abwesenheit hat er die internationale Aufmerksamkeit für den Konflikt allerdings verstärkt. Nun ist gerade erstmals wieder aufgetreten, ein Video von seiner Rede vor Lehrern wurden von staatlichen Medien veröffentlicht .
Ant Financial hat auch außerhalb Chinas in Projekte und Unternehmen investiert. Wie stehen die Chancen für diese Investments?
Die Firma ist stark in China verwurzelt. Die Investitionen in ausländische Start-ups und auch die jüngsten Vorbereitungen für einen europäischen Start-up-Fonds in Berlin dienen eher dazu, international bei den entscheidenden Playern der Branche eingebunden zu sein, um zu wissen was passiert und die Chancen für mögliche Expansionen auszuloten. Es ist wahrscheinlich, dass Ant Finanical eine Lösung mit den Behörden finden wird. Die große Frage wird sein: Wie mächtig ist die Firma danach?
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