Die Grünen sind schon eine ganz besondere Partei. Wo sich andere alle Mühe geben, jeden Hauch eines eigenen Gedankens oder einer möglicherweise diskutierbaren Position im dichtesten Phrasennebel zu versenken, sagen die Grünen gerne frei heraus und ausführlich, was sie wirklich denken.
Sie können das im Vertrauen darauf tun, dass sich die Kritik in weiten Teilen der Öffentlichkeit auch im schlimmsten Fall auf verlegenes Hüsteln beschränken wird. Denn was die Grünen wollen, das wollen wir ja eigentlich doch alle. Irgendwie jedenfalls. Und falls ausnahmsweise einmal nicht, sind die Grünen ja einfach immer noch die Netten. Selbst deren Spitzenkandidaten duzen uns. Wollen die nicht einfach nur eine bessere Welt? Und ein bisschen spielen?
Ja, so wie Gouvernanten eben gerne spielen. Am liebsten pädagogisch wertvoll, woran uns dankenswerterweise jetzt Renate Künast mit ihrem Appell für den „Veggie-Day“ erinnert: Laut grünem Wahlprogramm soll einmal pro Woche in Deutschlands öffentlichen Kantinen fleischfrei gegessen werden.
„Das ist gut für eine bessere Tierhaltung, gesund und schont den Geldbeutel“, schreibt die Ex-Verbraucherschutzministerin auf Facebook. Und: „Ich freu mich über die Diskussion um gesunde und bewusste Ernährung.“ Werte Frau Künast: Ich freue mich da auf überhaupt nichts. Wir sind hier nämlich unter erwachsenen Menschen und nicht im Kindergarten.
Es mag schon sein, dass Vegetarismus aus verschiedenen Gründen gut ist. Mir persönlich sind die meisten Schnitzel Wurst. Aber wie kommen Sie eigentlich darauf – ich frage mich wirklich, wie man auf so etwas kommen kann –, dass es im Entferntesten Ihr Recht sein könnte, anderen Leuten vorzuschreiben, wann sie welche Art von Nahrung zu sich zu nehmen haben.
Ihre Argumente für den kollektiven „Veggie-Day“ sind schlicht Banane, sie laufen darauf hinaus, dass etwas, das Sie selbst einleuchtend finden, gleich Millionen aufgezwungen werden soll. Nicht weil höchste Gemeinschaftsgüter unmittelbar gefährdet wären – Verdauung und Geldbeutel sind immer noch Privatsache -, sondern einfach nur, weil Ihnen selbst gerade etwas einleuchtet.
Sie zwingen gar nicht auf? Sie „regen nur an“? Ja, so wie eben die chronisch Erleuchteten gerne die Unerleuchteten anregen. Mit der „Vorreiterrolle des Staates“, die dann „zum Standard werden“ soll. Mit allergeduldigster Belehrung – bis der sanfte Druck der Staatsmacht dann eben auch mal etwas härter werden muss. Wir haben schließlich nicht mehr ewig Zeit.
Wir müssen ja auch endlich mal die Welt retten! Es geht um den Klimaschutz! Um unser aller Überleben und Zukunft! Wer das erst einmal richtig begriffen hat, der kann dann leider auch in der Kantine nicht mehr unbegrenzt tolerant und langmütig sein.
Dass ein paar deutsche Buletten - die womöglich nur von Donnerstag auf Mittwoch verschoben werden – dem Planeten und dem Eisbär ganz egal sind, wissen Sie, Frau Künast, selbstverständlich auch. Aber gerade das macht die Sache ja so vielversprechend: Wir reden hier überhaupt nicht von CO2 – wir reden von einem anderen Bewusstsein. Eben einem, das Sie und Ihre Parteifreunde schon so viel weiter entwickelt haben als wir anderen infantilen Prolls im Land.
Die Grünen, so betonen Sie alle gerne, sind ja keine „Spaßbremsen“. I wo, natürlich nicht. Die lassen es auch schon mal gerne so richtig abgehen. Aber was Spaß ist – und wo der aufhört - das bestimmen Sie selbst. Und zwar nicht nur für sich, sondern für uns alle gleich mit. Wenn da einer nicht mitmachen will, dann ist Schluss mit lustig.
Mal ganz im Ernst: Was erlaube Künast?! Was ist das eigentlich für ein Geist, der mal so nebenher dämliche Volkserziehungsprojekte wie den „Veggie-Day“ ausbrütet? Es ist ein abgrundtief autoritärer Geist. Einer, der von keinerlei Selbstreflektion angekränkelt ist. Es ist der Geist des Avantgarde-Spießertums.
Sollen wir einer solchen Gouvernanten-Partei tatsächlich das Gerücht abnehmen, sie sei ein konsequenter Kämpfer für unsere Bürgerrechte? Sollen wir glauben, dass solche Leute uns ausnahmslos gegen Datenschnüffelei schützen würden – wenn sie gleichzeitig völlig unbefangen mit irgendwelchen Großküchenmeister-Fantasien hantieren, die darauf hinauslaufen, dass demnächst selbst ernannte „Veggie“-Abschnittsbevollmächtigte durch die deutschen Töpfe schnuppern?
Nee, ist schon klar: Wer verantwortungsvoll lebt und am Donnerstag nur Möhre isst, der hat von all dem überhaupt nichts zu befürchten.
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle jeweils am Dienstag über Ökonomie und Politik. Seine letzten Kolumnen: Schäubles Schuldengriechisch, Staatsanwälte wählt man nicht und Sag jetzt nichts
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