Der Einkommensverlust von Müttern nach der Geburt des ersten Kindes ist einer Studie zufolge in Deutschland deutlich größer als bisher angenommen. Mütter verdienen im vierten Jahr nach der Geburt durchschnittlich fast 30.000 Euro weniger als gleichaltrige Frauen ohne Kinder, wie aus der Untersuchung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mit der Universität Tilburg hervorgeht. Diese lag der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorab vor. Bisherige Schätzungen lagen demnach bei rund 20.000 Euro.
„Werden Frauen unter 30 Jahren erstmals Mutter, erleiden sie einerseits Verluste im gegenwärtigen Einkommen. Andererseits verpassen sie auch wichtige Karriereschritte in der besonders prägenden frühen Berufsphase mit entsprechenden Folgen für ihren weiteren Werdegang“, sagte Studien-Koautor Lukas Riedel aus der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“.
Junge Mütter trifft es besonders hart
Frauen, die zu einem späteren Zeitpunkt Kinder bekämen, hätten diese Phase mit häufig hohem Lohnwachstum bereits durchlaufen und sich im Arbeitsmarkt etabliert. Deshalb verzeichneten sie zwar in absoluten Zahlen stärkere Einbußen im Einkommensniveau, etwa durch reduzierte Arbeitszeiten. „Langfristig gelingt es ihnen aber besser, ihre Karriere nach der Geburt wieder aufzunehmen“, sagte Riedel. „Die Verluste nach der ersten Geburt entwickeln sich also unterschiedlich für Mütter unterschiedlichen Alters.“
Einkommensverluste bei Müttern nach der ersten Geburt werden in der Wirtschaftsforschung als „Child Penalty“ bezeichnet. Die ZEW-Studie verwendet amtliche Daten von über 186.000 Müttern aus der „Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien“, die zwischen 1975 und 2021 erhoben wurden. In der gängigen Methode würden die Verluste dagegen mithilfe sogenannter Event Studies geschätzt, so das ZEW. Bleibe das Alter bei der ersten Geburt außen vor, würden Mütter mit Müttern verglichen, obwohl beide Gruppen bereits die Auswirkungen der Geburt auf ihr Einkommen erfahren hätten. Für verlässliche Ergebnisse müssten Mütter aber mit gleichaltrigen Frauen verglichen werden, die keine Kinder haben.
„Unsere Schätzmethode nutzt nur saubere Vergleiche mit gleichaltrigen Frauen, die noch kein Kind haben“, sagte Valentina Melentyeva, Koautorin von der Universität Tilburg in den Niederlanden. So könne die Einkommensentwicklung im Fall ohne Geburt realistisch abgebildet sowie die weiter fortgeschrittenen Karrieren älterer Mütter berücksichtigt werden. „Dieses Vorgehen erlaubt nicht nur, die Einkommensverluste nach der Geburt abhängig vom Alter der Mütter zu schätzen“, sagte Melentyeva. „Zusätzlich lassen sich so auch unterschiedliche Ursachen für die Gehaltsunterschiede analysieren.“